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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS THEORIE • THEORY
Nachrichten für andere hinterlassen werden. Derart analoge Mittel sind großartige Möglichkeiten, bei digitalen
Prozessen ohne viel Aufwand und für alle sichtbar Pläne festzuhalten, Prozesse zu visualisieren und Aufgaben, aber
auch Fortschritte zu verdeutlichen. Magnetische Wände und pinbare Akustikflächen sind die Zutaten für den Erfolg
dieses Modells, die direkt an den Arbeitsplätzen, aber auch in Besprechungs- und sogar Konferenzräumen zu finden
sein sollten. Wände, die selbst beschrieben werden können, und zwar so hoch man reichen kann und bis zur
Fußleiste, geben größte kreative Freiheit und räumen dem gedanklichen Fluss alle Stolpersteine aus dem Weg. Dann
geht es weiter zum Arbeitsplatz. Noch sehen die meisten Unternehmen feste Plätze für ihre Mitarbeiter vor. Aber die
Flexibilität, sich von Projekt zu Projekt in neuen, passenden Arbeitsgruppen zusammenzufinden, ist produktiv und
dabei erfolgreicher, als absolut non-territorial angelegte Konzepte, bei denen jeden Tag alles ganz neu gefunden wer-
den muss. Den eigenen Platz zu finden kann also heißen, in bestimmten Intervallen zu besprechen, was zu tun ist,
und dementsprechend die Arbeitsgruppen und deren Plätze zusammenzustellen. Arbeitsplätze sind Werkstätten für
das, was getan werden muss. Handwerker haben vor Ort beim Kunden die Werkzeugtasche dabei. In der Werkstatt
gibt es die Werkbank. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit im (nomadischen) Büro. Sie manifestiert sich im
besten Fall als ein Ort, der Arbeiten ermöglicht, der aber auch eine Wärme und eine Freundlichkeit dem Mitarbeiter
gegenüber ausdrückt. Auch wenn Mitarbeiter sich etwa in Teilzeit einen Arbeitsplatz teilen, muss es immer Orte
geben, an denen etwas abgestellt, an- und aufgehängt werden und mit deren Hilfe ein Team sich orientieren kann.
Wenn im Laufe des Tages etwas untereinander besprochen werden muss, wird das schnell problematisch. Denn wenn
dies am Platz geschieht, fühlen sich bei offenen Arbeitslandschaften zahlreiche Kollegen gestört. Es sollte also sofort
klar sein, welcher Ausweichort angesteuert werden kann. In Gestaltungskonzepten oft vergessen, aber für diese
Zwecke ideal zu erschließen sind Flure. Hier können ohne lange Wege, aber in Bewegung Dinge schnell erörtert wer-
den. Hier können auch arbeitsplatznah Besprechungskojen eingerichtet werden, die als als informelle
Besprechungszonen dienen, und bei bester Akustik offen sind für Eindrücke und Input von außen.
Besonders Flurflächen eignen sich für ... • Special corridor areas are ...
Die repräsentative Wirkung eines Unternehmens soll die Kreativität nicht limitieren
... informelle Besprechungen. • ... suited for informal meetings.
Formelle Besprechungsräume haben über Unternehmen hinweg ihre eigenen festen Rituale. Man tritt ein, die Tür
wird bedeutungsschwer geschlossen. Der Tisch steht als Zeichen, dass hier Wichtiges verhandelt wird. Raumgröße
und Ausstattung entsprechen je nach Unternehmen und Branche bestimmten Gepflogenheiten, aber die repräsenta-
tive Wirkung sollte auf keinen Fall die Kreativität limitieren: Auch hier können beschreibbare Wände Prozesse und
Entscheidungsfindung unterstützen. Über diesen Freiflächen bleibt Raum für Farbe, mit der Belebung und Identität
transportiert wird. Um absolut fokussiert zu arbeiten, ist der Rückzug an einen ganz eigenen Ort ein wichtiges Ritual,
das nicht einfach so passiert. Wer sich aus dem Arbeitsgeschehen in der Gruppe zurückzieht, wendet dafür viel
Energie auf. Auch wenn kein Raum gebucht werden muss, ist zielgerichtete Aktivität nötig, um sich den Rückzug zu
erlauben und sich den Platz dafür zu erkämpfen. Dieser Aufwand hat verdient, mit einem Raum aufgewogen zu wer-
den, der Konzentration auch tatsächlich ermöglicht. Ähnlich zielgerichtet veranlagt müssen Projekträume sein: Hier
gehört es zum Ritual, den Raum selbst vorzubereiten, ob mit Stehtischen oder Stuhlkreisen. Diese Offenheit muss
dem Ort möglich sein, ohne der konzentrierten Abschottung der Gruppe entgegenzulaufen. Doch auch der
fokussierteste Mitarbeiter wird nicht seine gesamte Zeit im Unternehmen an seinen wie auch immer gestalteten
Arbeitsorten verbringen. Eines der stärksten und bewusstesten Rituale ist wohl der Gang in die Mittagspause. Das
gemeinsame Essen und vielleicht sogar Kochen wird als teambildendes Element immer wichtiger. Küchen und
Bistros sind Orte, an denen man farbig in die Vollen gehen und Identität abbilden kann. Hier müssen die Mitarbeiter
aber auch Eigenes unterbringen können. Diese Orte sollten nie so sein, dass Mitarbeiter nicht noch selbst etwas
verändern und hinzufügen könnten. Über Kaffee- und Mittagspausen hinaus können Orte, an denen mittags
gegessen wird, abends zu Veranstaltungsorten umfunktioniert werden. Oft werden diese positiv besetzten Orte dann
Ruhebereich mal kosmisch • Relaxation areas – this time cosmic
auch gerne spontan als flexible Arbeitsplätze genutzt.
Es ist wichtig, Mitarbeiter zusammenzubringen, um Erfolge zu feiern
Während diese Freizeitelemente im Büro erkannt und unterstützt werden, gibt es andere Orte, die oft gänzlich
vergessen werden. Für die WCs ist seltenst Budget für Innenarchitektur vorgesehen. Dabei kann hier eine
Liebenswürdigkeit kommuniziert werden, die auch den Geist erfrischt und signalisiert, dass an die Mitarbeiter gedacht
wurde. Ähnlich steht es mit Treppenhäusern, in denen Orte für Aktivität geschaffen werden könnten, anstatt nur lieb-
los den Brandschutz zu befolgen. Denn neu zu Kräften kommen kann man vor allem in Bewegung, nicht unbedingt
auf einem Lounge-Sofa liegend. Wenn die Entspannung zwischendurch aber doch in Ruhe geschehen soll, muss die
Möglichkeit, die Augen zuzumachen, nicht immer Liegezonen bedeuten. Hohe Sessel, in denen man sich weg-, oder
auch zueinander drehen kann, lassen eine eigene Welt entstehen und können auch charmanter sein, als hygienisch
einwandfreie Liegen. Ein Tagesordnungspunkt, der weder der reinen Arbeitszeit noch der Pause zuzurechnen, aber für
ein Unternehmen ebenso wichtig ist, ist die Pride Show – Erfolge feiern, ob nach langer Planung oder spontan zu ver-
melden. Es ist wichtig, Menschen zusammenzubringen, um ein Erleben des Erfolgs zu ermöglichen. Deswegen
braucht ein derartiger Anlass auch mehr als die allgemeine Bürobesprechung am Montagmorgen, das heißt einen
geeigneten Platz abseits der Schreibtische, der auch kurzfristig zur Verfügung steht. Die Zukunft der Arbeit ist eine
Geschichte, die es zu erzählen und vor allem zu erfinden gilt. Also planen wir für die Zukunft für das, was wir alle
kennen und von dem wir wissen, wie es funktioniert: unsere Körper mit ihrem Hang zu Ritualen. Entwickeln wir eine
Gestaltung, die ansprechend ist und mehr Identität hat. Unterschiedliche Zonen für unterschiedliche Gedanken, die
es zu fassen gilt. Orte, an denen Menschen für ihre Rituale den richtigen Platz finden. Frohes Schaffen!
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