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Steffi Marth
1985 geboren in Elsterwerda 1997–2003 Elsterschloss Gymnasium, Elsterwerda 1997–2003 Lausitzer Sportschule Cottbus, Abitur 2006–2010 sowie 2011–2013 Bachelor- und Masterstudium in Architektur an der Branden burgischen
Tech nischen Universität Cottbus (BTU Cottbus) 2010–2011 Auslandssemester an der ENSA Marseille; Praktikum bei Müller&Truniger Architekten; Winter: Bike Guide bei Atlantic Cycling auf La Palma 2013–2016 Fern studium zur
PR-Agentin (FJS) an der Freien Journalistenschule Berlin; Arbeit als freie Journalistin in der Fachpresse Sport/Mountainbike; Kolumnistin diverser Magazine und der Lausitzer Rundschau Kontakt www.steffimarth.com
Architektur-Bike-Kombi: abwärts auf der Chinesischen Mauer • Downhill at the Chinese Wall Wettkampf-Alltag: Downhill-Rennen gegen die Zeit • Competition routine: downhill races against the clock
Durch Steilkurven, über Sprünge und Steinfelder wird ein Sprint von rund einer Minute Genau wie im Sport wurde ich beim Studium durch studentische Erfolge und gute
bergab gefahren. Durch Überholmanöver und Stürze geht es beim 4X sehr rasant zu, Noten motiviert, immer weiter mein Bestes zu geben. In unseren Ateliers waren wir
weshalb die Sportart ein echter Publikumsliebling ist. Ich war in der Disziplin von Studenten zwar sehr gute Freunde, aber wenn es um die Noten ging, wollte jeder besser
Anfang an sehr erfolgreich und tauschte 2008 mein kleines BMX-Rad endgültig gegen sein als die anderen. Ich musste dafür immer ganz schön kämpfen, denn ich hatte für
ein Mountainbike aus. Inzwischen habe ich mir im Mountainbikesport jedoch eine Architektur nicht ganz so viel Talent wie für den Radsport. Ich glaube, ich habe das
neue Herausforderung gesucht und starte vermehrt bei Downhill-Rennen. In dieser Studium oft auch ein wenig als Wettkampf gesehen, weniger gegen die anderen als
Disziplin bewältigt man alleine gegen die Uhr eine längere, circa vier- bis siebenminü- gegen mich selbst. So ist am Ende ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis für mich her-
tige, technisch sehr anspruchsvolle Strecke bergab. Im 4X nehme ich aus schließlich an ausgekommen, auf das ich genauso stolz bin wie auf meine sportlichen Erfolge.
den Welt meisterschaften teil.
r Haben sich der Sport und die Architektur in irgendeiner Weise ergänzt?
r Sie sind mehrfache Deutsche Meisterin im Mountainbiken und haben Weltcup- Im Studium habe ich bemerkt, dass durch viel Ehrgeiz und Durchhalte vermögen auch
Erfolge errungen. Wie ließ sich diese trainingsintensive Karriere mit einem dort Erfolge zu erzielen sind, wo nicht so viel Talent vorliegt. In mir hat sich die
aufwendigen Architekturstudium vereinen? Einstellung etabliert, dass jeder Mensch alles schaffen kann, wenn er es nur stark genug
Dieses Parallel-Leben klingt anstrengend, und das war es auch. Ich war oft am Rande will und alles dafür tut. Man kann sagen, dass ich die mentale Stärke vom Radfahren
des Möglichen – körperlich, aber auch psychisch. Vor allem bei meinem Master-Projekt, aufs Studium projizieren konnte und andersherum. Außerdem habe ich es genossen,
einer Seilbahn auf La Palma, musste ich sehr an dieser Zweigleisigkeit zweifeln. Ich beim Studium komplett vom Sport abschalten zu können und die Gehirnzellen
hatte das Architekturstudium vorher sicher ein wenig unterschätzt, aber nachdem ich ordentlich in Gang zu bringen. Dies hat mir wiederum beim Sport geholfen. Nach ein
begonnen hatte, gab es für mich keinen Weg mehr zurück. Ich wollte unbedingt den paar anstrengenden Tagen im Atelier und nach der Abgabe eines großen Projekts hatte
Master schaffen. Einige Nächte durchzuarbeiten, der Präsentationsstress und dann noch ich wieder mehr Spaß am Radfahren und am Training.
das Training und die Wettkämpfe – das war schon grenz wertig. Glücklicherweise kam
mir die BTU Cottbus immer ein wenig entgegen, und so konnte ich Projekte manchmal r Zu einem Architekturstudium gehören auch Exkursionen sowie Praktika in in- und
etwas später einreichen. Der allgemeine Arbeits aufwand war dennoch derselbe wie bei ausländischen Architekturbüros oder auf der Baustelle. Hatten Sie für diese im
allen anderen Studenten. Ich musste nie eine Prüfung oder ein Fach wiederholen und Studium üblichen Horizonterweiterungen überhaupt Zeit?
schloss mein Masterstudium am Ende mit einem Durchschnitt von 1,9 ab. Der große Ich muss zugeben, dass es mir schwerfiel, mehrtägige Exkursionen mitzumachen, da
Aufwand hatte sich also gelohnt, obwohl ich mich manchmal ärgere, nie ein wirklich sich diese mit meinem Trainings- und Wettkampfplan einfach nicht vereinbaren ließen.
ausgelassenes Studentenleben genossen zu haben. Neben Sport und Studium blieb Es gab jedoch zwei studentische Horizonterweiterungen, die ich dank meines Sports
wenig Zeit für Unterhaltung. machen konnte. Zum einen absolvierte ich ein Auslandssemester an der ENSA
Marseille, weil man dort im Winter sehr gut trainieren kann, und zum anderen ein
r Sie brauchten demnach sowohl als Sportlerin als auch als Architekturstudentin Praktikum in einem Architekturbüro in Zürich. Der Chef war Mountainbiker. Ich hatte
sehr viel Disziplin. Was hat dieser parallele Leistungsdruck bei Ihnen bewirkt? ihn zuvor beim Biken auf der Kanareninsel La Palma kennengelernt. So ergaben Sport
Ich denke, durch meine harte Zeit am Sportinternat war ich ganz gut auf die anstren- und Studium für mich oft eine sehr gute Symbiose. Aus beiden Auslandserfahrungen
gende Studienzeit vorbereitet. Vorher hatte ich meine ganze Disziplin und meinen habe ich sehr viel mitgenommen. Ich kann nun recht fließend Französisch sprechen
ganzen Ehrgeiz in den Sport gesteckt, und nun projizierte ich diesen auf das Studium. und habe die Praxis in einem Architekturbüro erlebt.
AIT 04.2016 • 035