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Robert Surbeck                           Stefan Adler


                                 1970 geboren in Bern 1986–1990 Hochbauzeichnerlehre in Thun 1991–1994   1964 geboren in Köln 1985–1991 Architekturstudium, FH Köln 1989–1990
                                 Architekturstudium,  HTL  Burgdorf  1994–1998  Architekturstudium,  ETH   Mitarbeit bei Richard Meier, New York 2006–2007 Bauökonomiestudium,
                                 Zürich seit 1994 Architekt bei Theo Hotz, Zürich seit 2011 als Partner  HS Luzern seit 1991 Architekt bei Theo Hotz, Zürich seit 2011 als Partner





























             Tür an Tür mit den Gefangenen – Zelle in der Untersuchungshaft • Cell in pre-trial detention  Eine einheitliche Natursteinfassade umhüllt die diversen Nutzungen. • A uniform natural stone façade




             Basierend auf Master- und Gestaltungsplan folgte 2005 der internationale Wettbewerb   zende Straße führt den Besucherverkehr zum PJZ. Als Eichenallee ist sie die städtebauli-
             für das eigentliche PJZ-Projekt, den das Generalplanerteam von Theo Hotz Partner Archi-  che Haupt- und Erschließungsachse des gesamten Quartiers. Die Haupterschließung für
             tekten im April 2006 nach zwei Runden für sich entscheiden konnte. Danach begann  Fahrzeuge und die Ver- und Entsorgung ist auf der rückwärtigen Seite des Gebäudekom-
             gemeinsam mit den Nutzern die erste konkrete Planungsphase in der wechselvollen  plexes angeordnet, mit einer zentralen Zu- und Ausfahrt entlang der Gleise.
             Geschichte des PJZ. Innerhalb von drei Jahren wurde ein überaus komplexes Raumpro-
             gramm in intensiven Gesprächen mit dem kantonalen Hochbauamt und den verschiede-  Eine Hülle für unterschiedlichste Nutzungen
             nen Nutzern im Projekt umgesetzt. Nachdem 2009 die Baubewilligung erteilt wurde und
             2010 die GU-Ausschreibung nahezu fertig erstellt war, folgte im Herbst des gleichen Jahres  Im Sinne der städtebaulichen Ziele des Gestaltungsplans ist das Gebäude durch einen
             der Rückschlag: Der Zürcher Kantonsrat lehnte den finalen Kredit für das Projekt ab – das   sehr körperhaften und volumetrisch ruhigen Ausdruck geprägt. Die klare Gebäudekom-
             Projekt wurde abgebrochen. Doch das PJZ-Gesetz und damit der Volkswille galten wei-  position wird durch eine „steinerne“ Relieffassade umschlossen, die alle Gebäudetei-
             terhin. Und so kam es zu einer zweiten Volksabstimmung, die den Neubau erneut bestä-  le, Nutzungen und Geschosse zu einem Ganzen verbindet. Einzelne größere Öffnungen
             tigte. Somit war 2012 der Weg frei für einen „Neustart“, und das Projekt nahm wieder   schaffen in diesem Gesamtbild präzise gesetzte Ausnahmen. Der Stein als Grundelement
             Fahrt auf. 2016 wurde die GU-Ausschreibung versandt, Anfang 2017 erhielt die HRS Real   vereint die tragenden Pfeiler und die Deckenstirnen zu einem wirkmächtigen Fassa-
             Estate AG den Zuschlag. Nachdem der Aushub der Baugrube bereits vorgezogen worden   dentypus. Unterschiedliche Öffnungsarten für Büronutzung, Gefängnis, Pausenzonen,
             war, konnten die Bauarbeiten bereits kurz nach der Vergabe beginnen. In den folgenden   Erschließungsbereiche und sichtgeschützte Räume lassen einen differenzierten Ausdruck
             Jahren wuchs der Komplex rasch in die Höhe, gleichzeitig waren jedoch noch mehrere  entstehen, ohne das Bild der übergeordneten Großform zu schwächen. Der gewählte
             große und vor allem einschneidende Projektanpassungen zu bewältigen, bis Ende 2021   grüngraue Schweizer Naturstein Vert de Salvan aus dem Wallis ist ein sogenanntes Kon-
             die Übergabe an den Betrieb erfolgte. Nach nun fast zwei Jahren sind die Rückmeldungen   glomeratgestein. Er zeichnet sich durch eine sehr lebhafte und heterogene Struktur mit
             durchweg positiv: Polizei und Justiz fühlen sich wohl im neuen Zuhause.  verschiedensten Steineinschlüssen und Farbnuancierungen aus. Die enorme Festigkeit
                                                                          des Steins als zeitloses, robustes und kraftvolles Material erlaubt die Umsetzung der drei-
             Auftakt zu einem neuen Stadtteil                             dimensionalen, scharfkantigen Geometrie der Fassade. Auch die Hoffassaden nehmen
                                                                          den Naturstein der Mantelfassade in ihren Deckenstirnen wieder auf, sind jedoch geprägt
             Trotz der langen und wechselhaften Projektgeschichte hat sich der Wettbewerbsentwurf   durch die horizontale Struktur einer umlaufenden Bandfassade in schwarzem Metall.
             als sehr robust erwiesen. Die Bebauungsstruktur setzt die Blockstruktur des angrenzen-
             den Wohngebiets entsprechend den Vorgaben aus Master- und Gestaltungsplan weiter  Eine einheitliche Materialsprache
             fort und führt sie zu einem selbstverständlichen Abschluss. Im neuen Quartier behauptet
             sich das PJZ als wichtiges öffentliches Gebäude. Der Baukörper umfasst drei Unterge-  Der Zugang zum Gebäude ist streng kontrolliert: Neben dem Haupteingang gibt es ledig-
             schosse, die die gesamte Gebäudefläche belegen und im oberen Teil nach außen als   lich einen weiteren Personaleingang, zudem verfügt das Gefängnis über einen separa-
             klassischer Sockel in Erscheinung treten. Darauf stehen die dreibündigen Gebäudetrakte   ten Eingang auf der Gebäuderückseite. Nach dem Passieren der Sicherheitskontrolle ist
             von Polizei und Justiz, die drei Innenhöfe umschließen, sowie rückwärtig das vierteilige   das zentrale, über alle Geschosse offene Atrium räumlich und funktional der Dreh- und
             Gefängnisvolumen. Durch die zweigeschossige Aussparung der Fassade am Ort des zen-  Angelpunkt für das gesamte Gebäude. In diesem übergeordneten Kommunikationsbe-
             tralen Erschließungsatriums entsteht eine eindeutige Eingangssituation. Sie bildet für den  reich werden die verschiedenen Gebäudeteile sicht- und erlebbar gemacht – sämtliche
             Gebäudekomplex eine Adresse mit hoher Identifikation und Repräsentanz. Die angren-  Abteilungen des PJZ können von hier aus erschlossen werden. Skulptural umlaufende

                                                                                                                           AIT 12.2023  •  111
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