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Entwurf • Design Francesc Rifé Studio, ES-Barcelona
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                                                                              Standort • Location 85 Sierpes, ES-Sevilla
                                                                              Fertigstellung • Completion August 2014
                                                                              Nutzfläche • Floor space 1.600 m 2
                                                                              Fotos • Photos Fernando Alda, ES-Sevilla
                                                                                                                                          Foto: xxx




                von • by Ulrike Nicholson
                D   ie starke Konkurrenz aus dem Onlinegeschäft zwingt Banken zum Umdenken. Um
                    ihre Kunden zu halten, befassen sie sich mit den gleichen Fragestellungen wie klas-
                sische Händler. Es gilt, näher an den Kunden heranzurücken, dessen Wünsche und Be -
                dürf     nisse kennen zu lernen und indi viduelle Lösungen anzubieten. Genau in diesem
                Punkt hat die klassische Bankfiliale gegenüber den Onlinebanken einen großen Vorteil:
                Die komplexeren Beratungsthemen müssen auch in  Zukunft vor Ort, im p ersönlichen
                Gespräch abgewickelt werden. Neben der Finanzberatung kann dabei eine Bindung zum
                Kunden entwickelt und ein bleib ender, positiver Eindruck hinterlassen werden. Diese
                Gedanken bilden auc h die Basis f ür das Konzept der Flagship-Filialen. Eigentlich sind
                Flagship-Stores, die al s Vorzeigeobjekte fungieren und of t von namhaften Architekten
                gebaut werden, eine Erfindung des Einzelhandels. In Sevilla, mitten in der historischen
                Altstadt,  wurde k ürzlich die F lagship-Filiale d er k atalanischen Spar kasse C aixa-Bank
                eröffnet. Für ihren neuen Auftritt haben sich die Bauherren einen historischen und außer-
                gewöhnlichen Bau ausgesucht: das ehemalige königliche Gefängnis von Sevilla „Cárcel
                Real“. Wann dieses ursprünglich erbaut wurde, ist unklar. Erstmals erwähnt wurde es im
                Jahre 1418. Damals b estand der Bau nac h einer Zerstörung nur noch aus R uinen und
                musste neu auf gebaut werden. Bekannt ist auc h, dass der spanische Nationaldichter
                Miguel de C ervantes gegen Ende des 16 . Jahrhunderts im C árcel Real eingesessen hat.
                Angeblich soll er während dieser Gefängniszeit seine ersten Notizen zum „Don Quijote“
                verfasst hab en. Der mittelalterliche Gefängnisbau erlebte in  der  Folgezeit  erneut  eine
                Renovierungsphase, woran auch der spanische Baumeister Hernán Ruiz beteiligt war.

                Historische Bausubstanz und zeitgemäße Gestaltung
                                                                              Der Säulengang schafft den Übergang ...  • The colonnade creates a transition ...
                Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde das Cárcel Real als Gefängnis genutzt. Danach stand
                                                                              ... zwischen verschiedenen Raumhöhen und Funktionen. • ... between the different room heights and functions.
                es lange Zeit leer und  wurde auf verschiedene Art  zwischengenutzt. 2014 ließ sich die
                Caixa-Bank auf einer Fläche von rund 1.600 Quadratmetern mit ihr er neuen F lagship-
                Filiale nieder. Das Architekturbüro von Francesc Rifé aus Barcelona hatte das denkmalge-
                schützte Gebäude zuvor umgebaut. Seine Freude an den Kontrasten, die beim Gegen über -
                stellen von historischer Bausubstanz und  zeitgemäßer Gestaltung entstehen, spürt man
                bereits beim Betreten des Gebäudes : Während man im Eingangsb ereich vor allem  von
                glatten, dunkel gehaltenen Oberflächen umgeben ist, blickt man gleichzeitig durch eine
                große Öffnung in den von Tages- und Kunstlicht durchfluteten, zentralen Lichthof, der nach
                oben hin mit einem Glasdach abschließt. Ein Brunnen, der früher einmal im Zentrum des
                von klassischen Säulen gesäumten Hofs stand, ist schon lange entfernt worden. Gut erhal-
                ten g eblieben  war da gegen der  Bo denbelag aus  weißem Mar mor und auf wendigen
                schwarzen und r otbraunen Intar sien. Ei n neues Gestaltungselement f üllt heute den
                Luftraum darüber aus. „White Box“ nennt der Architekt seine filigrane Rahmen konstruk -
                tion, die mit weißen Siebdruckgläsern ausgefacht ist und das Licht von 187 herabhängen-
                den Leuchten tausendfach reflektiert. Das Prinzip der White Box verwendet die Caixa-Bank
                nicht zum ersten Mal. In einigen ihrer anderen Flagship-Filialen kam es in ähnlicher Form
                zum Einsatz. Darüber hinaus gehören auch die Möblierung und die  vom Logo der Bank
                übernommenen Farben Gelb und Blau  zum festen gestalterischen Voka bular. Dass jede
                Filiale dennoch ihre eigenen architektonischen Besonderheiten aufweist, liegt vor allem
                daran, dass es sich bei fast allen um umgenutzte, historische Bauwerke handelt, die ihrer-
                seits sp ezielle Bedingung en und Ei genschaften mit sic h br ingen. In Sev illa ist es der
                Innenhof, der durch die White Box als erste Anlaufstelle für die Kunden markiert wird. Hier
                präsentiert sich das Unternehmen. Der als wohnliche Lounge möblier te, mit Internet zu -
                gang und Kaffeemaschine ausgestattete Bereich dient der Information, aber auch als spon-
                taner Arbeitsplatz und als Ort der  Inspiration. Bei Bedarf erschei nen hier auch Bank mit -
                arbeiter, deren Büros sich auf die übrigen Bereiche des dreistöckigen Gebäudes verteilen.
                Für ausführliche Gespräche begeben sie sich mit den Kunden in die dafür vorgesehe nen
                Beratungsnischen. Unabhängig davon, wie die Finanz gespräche verlaufen – architektonisch
                gesehen, wird die Caixa-Bank bei Kun den sicher einen bleibenden Eindruck hinterlassen.



                                                                                                                              AIT 12.2015  •  145
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