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K&L Architekten

                                                                                          1999 von Kay Kröger und Thomas Lehmann nach Studium an ETH Zürich
                                                                                          gegründet in St. Gallen 2023 Erweiterung Geschäftsleitung durch Johanna
                                                                                          Deinet und Flurin Ghilardi (v.l. K. Kröger, F. Ghilardi, J. Deinet, T. Lehmann)

































        Das Oberlicht besteht aus ETFE-Folienkissen. • The Sylight is made of ETFE foil cushions.  Sitznischen befinden sich auf Ebenen der Treppenskulptur. • Niches are located on the levels of the staircase.



        von • by K&L Architekten, CH-St. Gallen und Blumer Lehmann, CH-Gossau
        E  ingebettet zwischen den Werkshallen der Firma und einem Bach liegt das neue Büro-  den CLT-Platten wurden Aussparungen in Platte und Balken gefräst, die erst nach der
           gebäude. Im überhohen Eingangsgeschoss werden die BesucherInnen von einem
                                                                     Montage mit Beton ausgegossen wurden. Die Pfosten-Riegel-Fassade mit raumhohen Ver-
        großzügigen Foyer und der skulpturalen, geschwungenen Atriumtreppe empfangen.   glasungen unterstützt die Offenheit des Erdgeschosses zusätzlich. Neben der runden, in
        Die zentrale Treppe wurde als Freiform aus gebogenen Massivholzplatten (CLT) gestal-  schwarz gehaltenen Empfangstheke befinden sich hier informelle Besprechungsbereiche.
        tet. Wie ein ausgehöhlter Baumstamm zieht sie sich durch alle Etagen und gibt dem  Strukturiert wird der Raum durch den mit grünlasierten Weißtannentafeln bekleideten
        Gebäude seinen Namen: Stammhaus. Das Oberlicht aus einem ETFE (Ethylen-Tetra-   Gebäudekern. Dieser beinhaltet das Fluchttreppenhaus mit Lift, Steigzonen und verschie-
        fluorethylen)-Folienluftkissen – Durchmesser 8,50 Meter – lässt Tageslicht hinein, und ein   dene Nebenräume sowie die Infrastruktur der Cafeteria mit direktem Zugang zur Terrasse.
        verstecktes Lamellenfenster im Dachbereich gewährleistet die Luftzirkulation. Das Insti-  Zwischen Cafeteria und Foyer liegt ein Veranstaltungsraum, der entweder separat vom
        tute for Computational Design and Construction (ICD) der Universität Stuttgart wandte   Foyer aus genutzt wird oder durch das Öffnen einer mobilen Trennwand für größere
        für die Detaillierung des Atriums computergestützte Entwurfs- und Planungsmethoden   Anlässe um die Fläche der Cafeteria erweitert werden kann. Wie die Atriumtreppe zieht
        für gekrümmte, schlanke Holzbauteile an. Blumer Lehmann produzierte die geometrisch   sich auch der vertäfelte Kern durch alle Geschosse und bildet mit seiner dunkelgrünen
        anspruchsvoll geformten Platten aus Holz aus ihrem eigenen Sägewerk. Das CLT-curved     Lasur einen markanten Gegensatz zum hellen Holz des Bürointerieurs. Entlang der Fens-
        aus kreuzweise verleimten, gebogenen Massivholzplatten wird derzeit für eine internati-  terbänder an den Außenfassaden liegen die Büros, die mehrheitlich offen strukturiert
        onale Zulassung weiterentwickelt. Zusätzlich unterstützt von Bauingenieuren modellier-  sind. Einzelne Abtrennungen wurden als Elemente eingefügt und können nach Bedarf
        te das Planungsteam die Elemente für die automatisierte Fertigung. Die Geometrie der   ergänzt oder zurückgebaut werden.
        Bauteile und deren Verbindungen mit vielen tausend Vorbohrungen in unterschiedlichen
        Winkeln waren äußerst anspruchsvoll, während die Verbindungsmittel wie Schraubkreu-  Behaglichkeit am Arbeitsplatz durch intelligente Maßnahmen
        ze und Hartholzdübel Standardbauteile sind. Die präzise Fertigung der Platten erleichterte
        die Montage. Alle unterschiedlich geneigten Fugen der gebogenen Platten passten genau   Das Gebäude wird umweltschonend gekühlt: Umlaufende Balkone mit vertikalen Lisenen
        zusammen. Die tragenden Umfassungswände des Atriums haben einen Radius von drei   sorgen für natürlichen Sonnenschutz; auf der Südwestseite werden sie zusätzlich durch
        Metern, wobei die tragende innere Wange nur neun Zentimeter dick ist. Über die fünf   Holzstapelelemente ergänzt. Die Lage des Gebäudes am Bach und die automatische Fens-
        Stockwerke verjüngt sich das Atrium nach oben hin. Im zweiten und dritten Oberge-  terlüftung in der Nacht kühlen im Sommer. Warme Luft kann über das Atrium entweichen
        schoss ist Platz für attraktive Sitznischen an der Treppe.   und kühle Luft über die automatisierten Fensterflügel nachströmen. Zusätzlich wird über
                                                                     Fundamentpfähle Kälte aus dem Erdreich in die Geschossdecken geleitet. In den innen-
        „Stammhaus“ als Holzkonstruktion aus eigenem Sägewerk        liegenden Sitzungszimmern, die nicht über die automatisierte Fensterlüftung reguliert
                                                                     werden können, befinden sich Lehmkühldecken. Lehmwände in den Büros verbessern
        Das Gebäude ist als konventioneller Holzskelettbau über mehrere Geschosse organisiert   das Raumklima und dienen als thermischer Speicher. Dabei kontrastiert der eingefärbte
        und mit einem Betonkern ausgesteift, wobei die sichtbaren Holzbauteile allesamt aus  Lehmputz mit den Holzoberflächen und sorgt für dezente, aber gezielte Farbakzente. In
        dem eigenen Sägewerk der Holzbaufirma Blumer Lehmann stammen. Für die Geschoss-  den Sitzungszimmern wurden einzelne Flächen mit mikroperforierten Holztafeln beklei-
        decken fand das Projektteam eine besondere Lösung: Der Holz-Beton-Holz-Verbund spart   det. Eine gute Raumakustik in den offenen Bürozonen garantieren die Holzakustikdecken
        Beton und kommt ohne Verklebung der Komponenten aus. Für die schubfeste Verbin-  und ein Wollteppich. Im zweiten Obergeschoss verbindet eine Passerelle den Neubau
        dung zwischen den Brettschichtholzrippen der Geschossdecken und den darauf liegen-  mit der benachbarten Produktionshalle, wo zukünftig weitere Büroflächen geplant sind.


                                                                                                                     AIT 10.2025  •  143
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