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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
REVITALISIERUNG KRIECHERE 70
IN BEZAU
Entwurf • Design Innauer Matt Architekten, AT-Bezau
Zurück in die Heimat sind sie, die zwei, die sich schon seit Schulta-
gen kennen. Erst eher skeptisch, ob dies die richtige Entscheidung
wäre, hier im vertrauten Nest ein Büro zu gründen, war mit dem
Fund dieses Juwels alles klar. Das von Leopold Kaufmann einst in den
1960er-Jahren zu einem Fotostudio umgebaute Bregenzerwälderhaus
ist der atmosphärisch perfekte Ort für ihr gemeinsames Tun.
von • by Daniela Keck, Stuttgart
M it der Revitalisierung und dem Ersatzbau des Vorderhauses ist dem Architekten
duo das Kunststück gelungen, den unverwechselbaren vertrauten Geist des Hau-
ses zu bewahren, der seine Besucher bis heute warm umfängt. Bevor Markus Innauer
und Sven Matt 2012 in die ehemalige Scheune beziehungsweise das ehemalige Fotoa-
telier – 1923 von Johann Kaspar Hiller gegründet – an der Bezauer Dorfstraße einzogen,
stand das Haus schon nahezu 20 Jahre leer. Zu lange für das Vorderhaus, es war leider
dann 2021 nicht mehr zu retten. Mit dem Enkel von Johann Hiller entschieden sie sich in
Form einer Baugemeinschaft, die notwendige Sanierung und den Ersatzneubau umzu-
setzen. Schon Hedwig Berchtel, seine Mutter, bewies 1963 mit der Wahl des jungen
Architekten Leopold Kaufmann ein feines Näschen, damals war dieser gerade 31 Jahre
alt, und es wurde sein beachtliches Erstlingswerk. Noch 60 Jahre später lassen sich in
jeder Ecke Wagemut und Sturheit, aber auch Sorgfalt und Hingabe des eigensinnigen
Mannes mit Hut erspüren. Heute sind im „neuen“ Teil drei Wohnungen untergebracht.
Im Erdgeschoss gibt es zwei fein zugeschnittene Apartments, die die Architekten nun
ihren Praktikanten anbieten. Auch wenn man hier „nur“ auf Zeit wohnt, stellt sich
unmittelbar ein Gefühl des Zuhauseseins ein. Oben dann befindet sich eine Maiso-
nette-Wohnung, die der Enkel von Hiller selbst nutzt. Die historische Dreiteilung des
Gebäudes, dessen Geschichte bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, in Vorderhaus, Tenne
und Hinterhaus, blieb erhalten. Behutsam schreiben Innauer Matt die Geschichte des
Hauses weiter, legen ihre Spuren darüber und füllen es ganz selbstverständlich mit
ihrem Alltag. Dennoch bleibt es durchlässig für die Vergangenheit, ein tiefes Interesse an
den Menschen, die diesen Ort prägten und prägen, ist spürbar. Über 30 Jahre haben sich
ganze Generationen an Dorf- und Talbewohnern an der großen Schaufensterscheibe des
Fotogeschäfts die Nase plattgedrückt, um die neuesten Fotografien zu studieren. Heute
stehen hier Architekturmodelle und andere kleine Ausstellungsstücke, die nicht weniger
neugierig beäugt werden – so einfach kann gelebte Baukultur gelingen.
112 • AIT 10.2024