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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
L’ATELIER
IN BORDEAUX
Entwurf • Design A6A, FR-Bordeaux
Vom Garagentor zum Haupteingang, von der Modellbauwerkstatt zur
Bauwerk-Werkstatt: Mitten in der kulturreichen Hafenstadt Bordeaux,
nur 550 Meter vom 1898 erbauten Hauptbahnhof Saint-Jean entfernt,
hat atelier 6 architecture (A6A) seine eigenen Büroräume geschaffen.
Wo einst Prototypen und Miniaturen entstanden, dient der Raum
heute der kreativen Gestaltung und Planung von Architekturprojekten.
von • by Natascha Bastos de Almeida, Frankfurt am Main
S traßenseitig findet sich das erste der beiden Gebäude, das Teil einer zweigeschos-
sigen Häuserreihe ist. Während die zuvor verrußte Sandsteinfassade nach der Rei-
nigung die Spuren der Zeit verloren hat, ziert noch immer die historische Aufschrift „L.
Aubert Modeleur“ den Sturz des Garagentors, das von A6A zum Haupteingang ihres
neuen Büros erhoben wurde. Passend, da sich hier heute die Modellwerkstatt der Archi-
tekten befindet. Geschliffener Kalksteinbetonboden, das freigelegte Mauerwerk und das
minimalistische Birkenholzregal harmonieren in einer funktionalen, ruhigen Atmosphä-
re. Ein weißer Vorhang zoniert den offenen Empfangs- und Werkstattraum mit Materi-
albibliothek. Der transparente Stoff gibt den Blick auf den Garten frei, der die beiden
Gebäude verbindet. Seitlich von Mauern eingefasst entsteht eine Art moderner Hortus
conclusus, der Architektur und Natur vereint und eine unerwartete Ruhe im städtischen
Trubel schafft. Die Pflasterarbeiten des Gartens wurden mit Abbruchmaterial ausgeführt,
seitlich führen Holzbretter als Untergrund weiter zu dem ehemaligen Lagergebäude mit
rautenförmigem Grundriss. Aufgrund dessen ruinösen Zustands sind nur die Außenwän-
de und das filigrane Stahltragwerk des Bestands erhalten. A6A organisierte den Umbau
so, dass die ganze Gebäudehülle, also der Raum in seiner gesamten Höhe und Weite,
wahrnehmbar bleibt. Markant ist die freistehende Konstruktion aus Birkensperrholz, in
der abgetrennte Bereiche wie Besprechungsräume, Küche und Toilette integriert sind. Eine
viertelgewendelte Treppe führt auf die „Dachterrasse“ dieser äußerst ästhetischen Raum-
in-Raum-Lösung. Entlang der „Attika“ befinden sich Arbeitsplätze mit Ausblick. Dieser Ein-
bau folgt der Sturzhöhe an der Fassade von 3,50 Metern. Oberhalb dieser Höhe sind die
Innenflächen der Außenwände mit hellgrauem Akustikspritzputz beschichtet, der sich auf
der Unterseite des Satteldachs fortsetzt, unterhalb sind die Wände weiß verkleidet. Das
Stahltragwerk des Gebäudes wurde verstärkt und im selben Weißton wie die daran befes-
tigten Deckenventilatoren und linearen Beleuchtungen gestrichen. Der Betonboden wurde
von den Architekten selbst gegossen und geschliffen; das Holzmobiliar ist maßgefertigt.
100 • AIT 10.2024