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Portraitbilder: Basile Bornand, Basel  Daniel Buchner         Andreas Bründler


                                  1967 in Berneck geboren 1984–1987 Ausbildung zum Hochbauzeichner in
                                                                           1967 in Sins geboren 1984–1987 Ausbildung zum Hochbauzeichner in Zug
                                  Berneck 1988–1993 Architekturstudium, ISG und IBB 1994–1997 Morger &
                                                                           1989–1993 Architekturstudium an der IBB Basel 1994–1997 Mitarbeit bei
                                  Degelo Architekten 1997 Gründung Buchner Bründler Architekten in Basel
                                                                           Miller & Maranta 1997 Gründung Buchner Bründler Architekten in Basel




























             Die raumhohen Fensterbänder erlauben einen weiten Ausblick. • Room-high window bands allow a wide view.  Versteckte LEDs geben die Farben naturgetreu wieder. • Hidden LEDs reproduce the colours true to nature.



             von • by Daniel Buchner und Andreas Bründler, CH-Basel
             A   ls neuer Verkehrsknotenpunkt verbindet der Bahnhof Altdorf die übergeordnete  sich die rückseitigen Fassadenstützen und die großen zentralen Innenstützen über die
                 Bahnlinie der Alpentransversale mit dem lokalen Busnetz. IR- und IC-Züge, die
                                                                           gesamte Gebäudehöhe erstrecken, hängen die mittleren Stützen und die vorderen Fas-
             durch den Gotthard-Basistunnel fahren, können nun am Kantonshauptort halten. Das  sadenstützen an vorgespannten Betonträgern im obersten Geschoss und dienen als Auf-
              neue Dienstleistungszentrum wird als Auftakt des Entwicklungsgebietes Urner Talboden  lager der einzelnen Decken – durch diesen Kunstgriff gelang es uns, das Erdgeschoss stüt-
              verstanden. Gewünscht wurde ein prägnantes Gebäude, das angemessen mit der Bahn-  zenfrei zu halten. Da die Hängestützen an der Auskragung und in der Feldmitte angeord-
              trasse abschließt und den Ausgangspunkt für die weitere städtebauliche Entwicklung bil-  net sind, erfahren die Träger eine ausgewogene Belastung; so werden die Beanspruchung
             det. Hauptnutzerin des Gebäudes ist die Urner Kantonalbank, die das Projekt initiierte  und die Deformation auf das Minimum reduziert.
             und schließlich ihren Hauptsitz in den Neubau am Bahnhof verlegte. Mit der präzisen
             Setzung des Baukörpers schaffen wir im Umfeld neue räumliche Bezüge: Die lineare  Von der Konstruktion zur Gebäudetechnik
             Form verleiht dem Bahnhofplatz eine klare Raumkante – die ankommenden Wegachsen
             werden räumlich zusammengeführt. Durch die repetitive Ordnung und den städtebauli-  Die Aussteifung erfolgt über die C-förmigen Wandscheiben der beiden Treppenhäuser,
             chen Maßstab etabliert sich der Bau ganz selbstständig zum öffentlichkeitswirksamen  die im Untergeschosskasten eingespannt sind. Dieses Tragkonzept bedingte eine bauzeit-
             Zentrum der Schweizer Gemeinde. Die volumetrische Einschnürung auf Erdgeschoss-  liche Absprießung der Konstruktion bis zur kraftschlüssigen Verbindung mit den Tragele-
             ebene und die weit auskragenden Obergeschosse stellen eine Art Negativ zur räumlichen  menten im Dachbereich. Um unerwünschte Schallübertragungen durch den Bahnver-
             Führung der Trassen und Buslinien dar. Aus dieser besonderen Schnittfigur entwickelten  kehr zu vermeiden, wurden die unterirdischen Bauteile mit einer Akustiktrennmatte vom
             wir einen Strukturkörper, der den Kräfteverlauf ins Innere wie ins Äußere des Gebäudes  Baugrund entkoppelt. Die gesamte Gebäudelast fundiert flach im tragfähigen Schotter
             sichtbar übersetzt. Unser Konzept basiert auf einer Rahmenkonstruktion mit oben lie-  des Altdorfer Dorfbachs. Die raumhohen Fensterbänder konzipierten wir als vorkonfek-
             gender Trägerebene. Die Hängestützen der Fassade führen die Lasten der Gebäudeaus-  tionierte Elemente. Auf der Ostseite des Gebäudes ist die Fassade mit Lüftungsflügeln als
             kragung über den verbindenden Architrav in die Trägerebene ein. Zwei Reihen vertikaler  Parallelaussteller ausgerüstet und auf der Bahnseite, aufgrund möglicher Störfälle, fest-
             Kreuzstützen leiten die Kräfte weiter in den Grund. Etagenweise zurückgestuft verleihen  verglast. Textile Markisen gewährleisten einen außenliegenden Sonnenschutz. Unser Ge-
             die Hängestützen der zum Bahnhofplatz gerichteten Hauptfassade weitere Plastizität.  bäudetechnikkonzept beruht auf den Nachhaltigkeitsregeln der Minergie-Anforderungen.
                                                                           Der Wärmebedarf wird über eine reversible Wärmepumpe-Kältemaschine mit techni-
             Tragwerk aus Sichtbeton – oder: Die Betonung der Betonierung  schem Speicher, die Energie aus dem Grundwasser gewinnt, vollständig gedeckt. Des
                                                                           Weiteren erzeugt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach einen bedeutenden Teil des be-
             Typologisch ist der Baukörper symmetrisch aufgebaut und wird von zwei offenen Trep-  nötigten Stroms vor Ort. Über Mittelspannung der Trafostation wird das Gebäude mit
             penhäusern gegliedert. Es entstehen gleichmäßig gestaffelte Raumzonen, die je nach Nut-  elektrischer Energie versorgt. Ab den jeweiligen Hauptverteilungen im Untergeschoss
             zung flexibel unterteilt werden können – so lassen sich in den oberen Etagen unterschied-  werden die einzelnen Stockwerke über durchgehende Steigzonen erschlossen. Diese
             liche Raumkonfigurationen realisieren. Wir gestalteten das Erdgeschoss als stützenfreie  münden in Unterverteilungen, die die Bildung flexibler Funktionseinheiten zur Einzelver-
             Halle, um die Nutzung als Gastronomie- und Verkaufsfläche zu ermöglichen. Unter dem  mietung ermöglichen. In den Stockwerken erfolgt die horizontale Verteilung als offen ge-
             Aspekt, die Anforderungen der Nutzer, der Architektur und der Gebäudetechnik zu einer  führte Installation im Doppelboden. Durch ein übergeordnetes webfähiges Gebäudeau-
             integralen Gesamtheit zu verbinden, entwickelten wir eine Stahlbetonkonstruktion, die  tomations-gesamtsystem werden die einzelnen haustechnischen Anlagen in der ganzen
             vor Ort gegossen wurde. Unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter trägt sie die  Funktionalität gesteuert und reguliert. Alarme werden erfasst und nach Priorität selektiert
             Lasten effizient und wirtschaftlich ab. Knapp neun Meter liegen die Tragachsen auseinan-  und weitergeleitet. Für die Beleuchtung verwenden wir blendfreie LED-Leuchten mit op-
             der und ziehen sich in Querrichtung über die gesamte Gebäudelänge durch. Während  timaler Lichtlenkung, um störende Lichtreflexionen an den Arbeitsplätzen zu vermeiden.

                                                                                                                           AIT 10.2022 • 153
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