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David van Severen Kersten Geers
Fotos: Tine Cooreman 1978 in Gent geboren 2001 Abschluss in Architektur und Städtebau an der 1975 in Gent geboren 1998 Abschluss in Architektur und Städtebau an der
Universität Gent 2002 Gründung des Architekturbüros Office zusam men mit
Uni versität Gent 2002 Gründung des Architekturbüros Office zusammen mit
Kersten Geers 2010 Auszeichnung Silberner Löwe der Biennale Venedig
David van Severen 2010 Auszeichnung Silberner Löwe der Biennale Venedig
Interiors: Ergänzend zu den Stoffbahnen sind an strategischen Orten silberne Ausstellungskuben geplant. • Interiors: it is planned that silver exhibition cubes complement the panels of fabric at strategic locations.
D ie Geschichte der Biennale Interieur begann 1968 mit einem leeren Ausstellungsge - stel lungs flächen und Gastronomie konzepten, Plätzen und Ruhebereichen verwandeln. So
soll ein urbaner Innen- und Außen raum entstehen, der als Plattform für Design, Kunst und
lände am Rande der belgischen Stadt Kortrijk unweit der französischen Grenze. Ent -
wor fen von den Architekten Guy und Francis van Oost um 1964, erfreuten sich die Mes se - Architektur fungiert. Markiert werden sollen die Hauptac hsen der „Designcity“ durch in
hallen in den er sten Jahren nach der Erbauung lediglich einer sporadischen Nut zung. lockeren Bögen von der Decke hängende, silberglänzende Bahnen aus einem ursprünglich
Weder Holi day on Ice noch Mi reille Mathieu vermochten Besucherströme in die Pro vinz - für die L andwirtschaft konzipierten, Licht reflektierenden Gewebe. Gelände und Hallen
stadt zu lo cken. So entstand die Idee, mit einem noch nie da gewesenen Kulturformat die übergreifend, werden die te xtilen Bahnen das Wegleitsystem der Messe bilden und b ei
internationale Designszene anzusprechen. Zusammen mit der Crème de la Crème des zeit- den Besuchern für Orientierung sorgen. So schaffen wir architektonisch wie auch visuell
genössischen Inte rior-Designs, liebevoll kuratiert und pr äsentiert, sollte die inter essierte einen Rah men, der als zentrales Verbindungselement zwischen den Hallen so wie zwi-
Öffent lichkeit angesprochen und inf ormiert werden – allerdings nicht nur über ak tuel le schen innen und außen dient. Silbern sind auch die kubischen Ausstel lungsflächen, in de -
Trends: Design war 1968 ein Politikum. Von den einen wurde es zur moralischen Ins tanz nen ausgewählte, namhafte internationale Designer, Architekten und Künstler ihre „Inte -
mit Bildungs charakter stilisiert, von den anderen als zu bürgerlich kritisiert und von den riors“, individuelle Einrichtungsvisionen, präsentieren. Wir bezeichnen diese str ategisch
Drit ten als objek tivierte (Gebrauchs-)Kunst propagiert. Und eb endiesen Auseinander set - platzierten Räume g erne auch als „Herz der Biennale“. In diesem Jahr werden es unter
zun gen wollten die Initiatoren Raum geben. Dem Triennale-, Salone-, Art-Fair- und Kom - anderem der Schweizer Kurator Moritz Küng, der französische Architekt Philippe Rahm,
merz-verwöhnten Publikum sollte ein wirklich lebendiger Designdiskurs im Non-P rofit- das Ar chitek turbüro Johnston Mar kLee und der Desi gner Jonathan Oli vares aus L os
Mes seausstel lungs format vorgesetzt werden. Et voilà! Die Biennale-Idee war geboren, eine Angeles sowie die Architekten und Designer Trix und Robert Haussmann zusammen mit
Vision, bei der auch zukünftig „Inspiration“ großgeschrieben wurde. Und nicht nur das! Studiolo Fredi Fischli & Niels Olsen sein, die dieses Herz höherschlagen lassen.
Kortrijk rief und alle k amen. Die Liste der sorgsam ausgewählten Ehrengäste und Kura -
toren liest sich von Anbeginn wie das Who’s who des internationalen Designs: Raymond Der Fokus liegt auf ganzheitlichen Raumerlebnissen
Loewy, Gio Ponti, Verner Panton, Jean Prouvé, Philippe Starck, Konstantin Grcic und Dieter
Rams, Alessandro Mendini, Jaime Ha yon, Jaspar Morrison und Jun ya Ishigami. Sie alle Jubiläumsveranstaltungen neigen gerne dazu, nostalgisch zu werden. Nicht so die „Silver
gaben sich hier die Klinke in die Hand und mac hten die Biennale zu dem, was sie noch Edition“, das 25. Jubiläum, der Biennale Interieur. Hier soll – trotz historischer Exkurse –
heute ist: die Kür inmitten von branchenrelevanten Pflichtterminen. vor allem die Zukunft im Mittelpunkt stehen. „Continue to Innovate!“ ist ein L eitspruch,
den die Veranstalter immer wieder zitieren, wenn es um die Ausrichtung der diesjährigen
Geplant ist eine „Stadt in der Stadt“ Messe geht. Als Reminiszenz an die 1960er-Jahre wird diesmal – wieder – auf ganzheitliche
Interieurs und P roduktausstellungen gesetzt. So wollen wir die P rodukte der Aussteller
Wir sind stolz, uns in diesem Jahr in diese Reihe einordnen zu dürfen. International tätig, nicht auf ein Podest heben, sondern ihnen einen R aum geben. Der Fokus soll nicht auf
multidisziplinär ausgerichtet und mit einem P ortfolio ausgestattet, das so wohl urbane einzelnen Objekten liegen, sondern auf einem ganzheitlichen Raumerlebnis. Ein Back-to-
Projekte, Archi tektur wie auch Innenarchitektur umfasst, konnten wir die Organisatoren the-Roots also, auf das sich auch das „Interiors“ im Mottotitel „Sil ver Lining – Interiors“
von uns überzeugen. Zudem waren wir 2009 das Architektenteam hinter der Sanierung bezieht. Das Ver gangenheit und Zukunft verbindende Konzept wurde von uns in eng er
und Erweiterung des Kortrijker Ausstellungs ge ländes. Wir kennen den Biennale-Ort also Abstimmung mit der Biennale erdacht. Als Verstärkung haben wir uns zudem den Brüs -
wie unsere Wes ten tasche. Für das 25. Jubiläum lag es nun nahe, die gesamte Gestaltung seler Künstler Richard Venlet und den Grafik-Designer Joris Kritis mit ins Boot geholt. Und
unter das (Farb-)Konzept „Silver Lining“ zu stellen. Das ehrgeizige Ziel ist die Verwandlung wie immer wacht ein internationales Expertenkomitee über die sorgfältige Auswahl der
des gesamten Geländes in eine „Stadt in der Stadt“. Inspiriert wurden wir dazu von Piet Aussteller, die von den Organisatoren lieber als Partner bezeichnet werden, da sie als Teil
Mondrians Gemälden „New York City 1“ und „Broadway Boogie Woogie“. In diesem Sinne der Biennale und zusammen mit ihr einen gemeinsamen gesellschaftlichen Designauftrag
werden wir das Messegelände in ein geometrisches, städtebauliches Raster, einen Stadt - verfol gen. Was man im Oktober also vergeblich suchen wird: endlose, dunkle Hallen mit
plan mit Avenuen und sic h kreuzenden Boulevards als Hauptachsen, begleitenden Aus - öden Reihen von Messe ständen und langweiliger Systemgastronomie. Versprochen!
AIT 9.2016 • 041