Page 20 - AIT0725_Leseprobe
P. 20
WOHNEN • LIVING
HAUS OBERHOLZ
BEI LEIPZIG
Entwurf • Design Meier Unger Architekten, Leipzig
Den Charakter eines Hauses zu bewahren und gleichzeitig dessen
räumliche Qualitäten zu verbessern, ist oft erklärtes Ziel bei Umbau-
ten im Bestand. Das Leipziger Büro Meier Unger Architekten dachte
die Räumlichkeiten eines freistehenden Einfamilienhauses aus den
1930er-Jahren im sächsischen Örtchen Oberholz neu und setzte sich
dabei mit der eigenen planerischen Bescheidenheit auseinander.
von • by Friederike Bienstein, Berlin
D er Bau wäre bewohnbar, sei aber mit diversen Zeitschichten überformt gewesen,
fasst Jan Meier den Status quo vor dem Umbau zusammen. Um heutige Bedürfnisse
nach Großzügigkeit und Belichtung zu erfüllen, entschied das Büro, die Kleinteiligkeit
der Räume im Erdgeschoss aufzulösen. Damit verbunden war die spannende Frage, wie
viel Eingriff nötig sei, um den Raum zu mehr Offenheit zu verhelfen, ohne die positiven
Qualitäten des Bestands zu verlieren. Anstatt auf große bauliche Veränderungen zu set-
zen, wählten Meier Unger bewusst einen zurückhaltenden Ansatz mit wenigen, aber wir-
kungsvollen Eingriffen. Ziel war es, architektonische Orte zu schaffen, die in ihrer Anlage
bereits vorhanden, aber bisher nicht wahrnehmbar waren. Zwei bedeutende Durchbrü-
che in der mittleren Gebäudeachse sollten die Erdgeschossräume gezielt aufweiten: Die
Öffnung der Wand zum Treppenraum gibt jetzt den Blick auf die umgestaltete Treppe mit
schwarz lackiertem Antrittspodest und hellgrau lackierter Wange frei und verleiht dem
Essbereich großzügige Eleganz. Umgekehrt profitiert auch der geöffnete Treppenraum von
der räumlichen Aufweitung, der Belichtung und den neuen Blickachsen. Die Architekten
stärkten die verbindende Qualität der Treppe, deren hölzerne Brüstung einer minimalisti-
schen, Hochglanz-schwarz lackierten Stahlrundrohrkonstruktion wich. Ein zweiter Durch-
bruch verbindet die Küche mit dem Wohnbereich. Durch Öffnen einer Schiebetür kann
auch das vorgelagerte Esszimmer zugeschaltet werden und profitiert von einem weiteren
wirkungsvollen Eingriff des Büros: Eine große, sprossenlose Fensteröffnung mit niedriger,
tiefer Sitzbrüstung erinnert an frühere Blumenfenster, rahmt den Blick in einen Garten mit
altem Baumbestand und flutet die Räumlichkeiten mit Helligkeit. Farbgebung, Ornamen-
te und Formen - wie das immer wieder auftauchende Kreismotiv - entwickelten Meier
Unger gemeinsam mit der Bauherrenschaft. Glänzend-veredelnde Oberflächen verleihen
den Räumen Eleganz, treten in einen collageartigen Dialog mit dem Bestand und spiegeln
zeitgemäße Vorstellungen von Wohnen wider. Es sind diese präzisen, punktuellen Eingrif-
fe, die dem Bau einen weiteren Layer und eine neue Lesbarkeit hinzufügen.
100 • AIT 7/8.2025