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WOHNEN  •  LIVING

































           EINFAMILIENHAUS 11 RÄUME

           IN ZERNSDORF BEI BERLIN


           Entwurf • Design Laura und Philipp Luy, Zernsdorf



           In Zernsdorf, im südöstlichen Speckgürtel von Berlin, haben sich Laura
           und Philipp Luy mit ihren Kindern den Traum vom Einfamilienhaus im
           Grünen erfüllt. Mit ihrem Haus positioniert sich das Architekten-Ehe-
           paar in der aufgeheizten Debatte rund um das kleine Vorstadt-Glück
           mit einem überzeugenden Kompromiss. Das Haus ist ebenso intellek-
           tuell wie wohnlich; so traditionell wie zukunftsfähig.



           von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
           E  in bisschen sieht es hier aus wie in Bullerbü. Von Bäumen gesäumte, schmale
              Straßen und Wege; die Grundstücke eingefasst von Zäunen und Hecken; dahinter
           herausgeputzte Einfamilienhäuser; viele mit direktem Zugang zum See: Zernsdorf, im
           Spreewald-Landkreis im südlichen Brandenburg gelegen, wirkt so beschaulich, dass
           man kaum glauben mag, dass die Berliner City nur eine knappe Autostunde entfernt
           liegt. Dass es die Luys nach der Geburt ihrer Kinder und Jahren des Berliner Großstadt-
           lebens hierherzog, ist so klischeehaft wie nachvollziehbar. Dass das Einfamilienhaus
           – zumal als Neubau – heute mindestens problematisch ist, darüber waren sich die Bau-
           herren-Architekten von Anfang an im Klaren. Ihr Ziel deshalb: ein Haus, das möglichst
           ökologisch, preisgünstig und langlebig ist; nicht in einer Neubausiedlung, sondern als
           Nachverdichtung im Bestand; und auch nicht als auffälliger Solitär, sondern bescheiden,
           in Fortschreibung der ländlichen Bautradition. Entstanden ist nun ein kompaktes, zwei-
           geschossiges Wohnhaus mit einem flachen Satteldach. Die Außenwände sind in einer
           Stärke von 36,5 Zentimetern gemauert, ohne Dämmung, und mit Kratzputz verkleidet,
           wie es früher überall in Ostdeutschland üblich war. Die Innenwände sind wiederum
           in Kalksandstein ausgeführt und weiß verputzt; Decken und Unterzüge betoniert. Die
           simple Konstruktion erlaubte den Bauherren, Eigenleistungen in erheblichem Umfang
           einzubringen. Anders wäre der Traum nicht zu realisieren gewesen! Der größte Reiz des
           Hauses liegt allerdings in seiner Grundrissstruktur. Angelehnt an Schinkels Neuen Pavil-
           lon und Ungers´ Haus ohne Eigenschaften, entwickelten die Luys über beide Geschosse
           hinweg ein strenges Raster quadratischer Räume mit jeweils knapp 15 Quadratmetern
           Grundfläche. Pro Geschoss sind es sechs Räume; der zentrale Treppenraum zählt nur
           einmal; so leitet sich der Name des Hauses her. Alle Räume sind potenziell gleichwertig
           und können bei sich ändernden Nutzungsanforderungen in immer wieder neue funkti-
           onale Zusammenhänge gebracht werden. Selbst die beiden Geschosse lassen sich bei
           Bedarf separat bewohnen und erschließen. So geht enkelgerechtes Bauen!

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