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Entwurf • Design Dr. Matthias Castorph/Goetz Castorph, München
Bauherr • Client Dr. Matthias Castorph, München
Standort • Location Elvirastraße 27, München
Nutzfläche • Floor space 54 m 2
Fotos • Photos Michael Heinrich, München
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Das neue Eichenholzparkett wirkt wie selbstverständlich. • The oak parquet looks completely self-evident. Viele Details lehnen sich an historische Vorbilder an. • Many details are inspired by historic models.
von • by Uwe Bresan
Z u den Mitteln unserer Zeit gehören auch die der Vergangenheit“, verkündete der Ar - sen der von Theodor Fischer entworfenen Tür beschläge des 1927 errichteten Münchner Le -
di genheimes. Der Bau zählt zu den Spät werken Fi schers und wird aktuell von Castorph
chi tekt Hans Kollhoff vor gut zwei Jahrzehnten in einem viel zitierten Aufsatz zum
The ma „Woh nen“ und befreite sich und seine Profession damit vom stetigen In nova tions - und seinem Büropartner Marco Goetz saniert. Seine Begeis terung für Fi scher erklärt Cas -
druck, der die Archi tektur seit der Mo der ne beherrscht. Wäh rend er mit seiner Position torph mit dessen feinem Gespür für Details. „Fischers Sachen“, so Castorph „sehen ei -
in der Schweiz, wo Kollhoff damals als Pro fessor an der ETH Zürich lehrte, schnell auf of - gent lich ganz normal aus. Bei ge nauerem Hinsehen oder in die Hand genommen, merkt
fene Ohren stieß, waren seine Ansichten innerhalb der deutschen Architek ten schaft lange man allerdings, dass sie immer einen Tick besser gemacht sind als normal. Sie fühlen
Zeit um stritten. Erst seit einigen Jahren wird Kollhoffs Hal tung – nicht unbedingt sein seit- sich besser an, sind formal präziser gelöst, konsequenter, haptischer. Man spürt einfach
her entwickeltes Formen vokabular! – auch von einer jüngeren Generation deutscher Fischers Händchen für die Dinge des täglichen Gebrauchs.“
Archi tek ten mitgetragen. Zu den Vor rei tern in dieser Richtung zählt ohne Zweifel auch der
Münchner Archi tekt Matt hias Cas torph. Sein Werk ist von der intensiven Ausein an der - Die Neuinterpretation bekannter und bewährter Elemente
setzung mit den prak tischen und theoretischen Arbeiten Theo dor Fischers (1862–1938)
geprägt, der als reformorien tierter Architekt, Werkbundgründer, Stadtplaner und Hoch - Auch die neue, von Castorph entworfene Küchenzeile entspricht ganz seinem an Fischer
schul lehrer maß geblich die Gestalt Münchens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschulten, auf Handwerk, Dauer und leichte Reparaturfähigkeit angelegten Ideal. Die
mitbestimmte. Ganz im Sinne Fischers entstand auch der hier vorgestellte Umbau einer, Schränke sind aus Massivholz gefertigt und nur an der Außenseite lackiert. Die Türen öff -
wie der Architekt es ausdrückt, „bis zur Un kennt lichkeit verbastelten“ Gründer zeit woh - nen sich über einfache Scharniere statt der heute üblichen Topfbänder und Zahnleis ten in
nung im Münchner Stadtteil Neuhausen. Castorphs Anspruch war es, aus dem schwieri- den Schränken erlauben es, Regal böden in jeder gewünschten Höhe zu installieren. Alle
gen Be stand eine „einfache Altmünchner Wohnung“ zu erschaffen, „die vielleicht schon Schrankgriffe sind historischen Vorlagen Fischers nachempfunden und in Eben holz ge -
im mer so hätte gewesen sein können.“ Erst bei genauerem Hinsehen, so Cas torphs Idee, drech selt. Die aus bayerischem Jurakalk geschnittene Arbeitsplatte wiederum kommt
sollte sich mit einem Augenzwinkern das vermeintlich Authen tische als zeitgemäße und ohne Lochausschnitte aus. Herd und Spüle sind separat eingestellt. Wasser kommt aus der
wei terentwickelte Interpretation des Historischen offenbaren. Wand und handgemachte holländische Fliesen wurden ohne Abstand bündig in die Wand
eingeputzt. Der aufwendigste Eingriff allerdings fand im Essbereich statt: Früher beherrsch-
Das Ideal einer einfachen Altmünchner Wohnung te ein großer Betonunterzug den Raum. Er lag direkt über dem Essplatz und sorgte für ein
unangenehmes Raumgefühl. Er verschwand jetzt hinter einer abgehängten Decke. Statt -
Betrachtet man die Baustellenbilder, wird klar, wie umfassend Castorph seinem An spruch dessen entstand ein „gefakter“ Unterzug, der den Raum nun an der richtigen Stelle zo -
gerecht zu werden versuchte. Nichts von dem, was heute in der Wohnung auf den ersten niert. Kurze Wandvorsprünge sowie eine eigene Farbgebung des Bereichs unterstützen
Blick so natürlich und selbstverständlich erscheint, war vor dem Umbau vorhanden – den Effekt. Innerhalb der Essnische wurden die Längswände zudem symmetrisch aufge-
nicht das diagonal verlegte Eichenholzparkett mit seinem klassisch schönen Speck glanz; doppelt. So verschwand einerseits die vorspringende Kamin kante, andererseits entstand
nicht die halbhohe Holzvertäfelung der Küchenwand; nicht die vielen praktischen, kleinen da durch Raum für unterschiedliche Wandnischen – etwa um den Heizkörper geschickt in
und großen Wandnischen in allen Räumen; nicht die sanften Stucka turen der Zim - die Gestaltung zu integrieren. Die darüber liegende „Kartoffelnische“ nimmt wiederum
merdecken; und auch nicht die schweren, kassettierten Türen aus massivem Fich ten holz einen formalen Bezug zur Tischform sowie zu dem an der gegenüberliegenden Wand auf -
mit ihren eingelassenen Kathedralglas scheiben, die von einem kleinen Schreinerbe trieb gestellten Siebdruck des Künstler Rupprecht Geiger auf. Es ist diese Form der spielerischen
auf dem Land gefertigt wurden, der, so Castorph, „noch genauso arbeitet, wie es Schreiner Wie der aneignung bekannter und vielfach bewährter Elemente und Stilmittel, die der
können.“ Eine Sonderanfertigung bilden auch die Türdrücker: Sie entstanden nach Ab güs - Münch ner Wohnung einen ebenso zeitlosen wie heiteren Charakter verleihen.
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