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Annelen Schmidt-Vollenbroich
2005–2011 Studium der Architektur an der TH Karlsruhe und ETH Zürich 2008–2016 Mitarbeit in Architek-
turbüros in Frankfurt, Zürich und Köln 2016–2017 Berufsbegleitendes Studium der Immobilienökonomie
2016/2019 Gründung Nidus & Nidus Studio GmbH seit 2017 Wissenschaftliche Mitarbeit und Lehrauftrag,
Universität Siegen
Das Feld der Architektur und erst Recht das Feld der Immobilienentwicklung gelten schichte eines Ortes zu verstehen und diese Geschichte weiterzuschreiben. Das bedeu-
als Männerdomänen. Wie begegnet man Euch als Frauen in der Branche? tet auch, verschüttet gegangene Qualitäten wieder ans Tageslicht zu befördern und eine
Der Anfang war schwer. Aber das ist der Einstieg ins Architektur- und Immobilienge- neue Perspektive darauf zu gewinnen. Hierbei geht es nicht darum, lediglich zu rekon-
schäft wohl immer, auch für männliche Kollegen. Man hat ja noch nichts realisiert, hat struieren, sondern die Brücke zu einer zeitgemäßen Formensprache zu schlagen.
nur Visionen, kann noch nichts vorweisen. Vor allem bei Banken- und Behörden-Termi-
nen haben wir zu Beginn in den Gesichtern gelesen: „Meinen die das ernst?“ Als Frauen Das Einfache besitzt noch eine andere Qualität: Offenheit. Eure Architekturen sind
wurden wir in die „Dekoecke“ gestellt. Viele dachten, es geht uns nur um ein „Produkt“, offen für unterschiedlichste Formen der Aneignung. Sie lassen Raum für alternative
das wir hübsch verpackt verkaufen wollen. Dass wir ernsthafte Ambitionen haben – so- Lebensmodelle. Ihr selbst führt eine Beziehung jenseits des traditionellen Familien-
wohl gestalterisch, gesellschaftlich als auch geschäftlich –, das Bewusstsein hat sich erst bildes. Wie sehr prägt das auch Eure Arbeiten?
mit der Zeit durchgesetzt. Auch über unsere eigenen Erfahrungen hinaus spüren wir natürlich, dass sich in der
Gesellschaft Lebensstile diversifizieren. Selbst die klassische Familie – Vater, Mutter,
Wenn Ihr über den Umgang mit Bestands- und Denkmalsimmobilien sprecht, fällt Kind – sucht heute nach anderen Grundrissen und flexibleren Räumen als noch in der
oft der Begriff „Rebirth“. Was versteht Ihr darunter? letzten Generation. Mit unserer Architektur wollen wir ein Angebot an alle machen.
Wir arbeiten gern mit dem Kontext, mit dem konkreten Bestand und der lokalen Bau-
geschichte, aus der wir Typen, Zitate und Referenzen entnehmen. Wir versuchen die Ge- Die Fragen stellte Dr. Uwe Bresan, Architekturjournalist, Stuttgart