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WOHNEN  •  LIVING

































           EINFAMILIENHAUS

           IN VÉSENAZ


           Entwurf • Design Lacroix Chessex, CH-Genf



           Den Bestand aktivieren und ihn zukunftsfähig machen – das haben
           Lacroix Chessex Architekten in behutsamer, aber doch kraftvoller
           Weise getan. Straßenseitig wahrt das Haus seine ortstypische Cha-
           rakteristik, die gartenseitige zweigeschossige Erweiterung holt – mit
           Blick auf den Genfer See – Weite in die Tiefe des Raumes. Entstanden
           ist ein warmer, lichter Rückzugsort mit doppeltem Charaktergesicht.



           von • by Daniela Keck, Stuttgart
           G   elegen in Vésenaz, einem Dorf der Gemeinde Collonge-Bellerive, steht das Wohn-
               haus nur wenige Minuten vom Zentrum von Genf entfernt. Das streifenförmige
           Grundstück ist typisch für Parzellen in der Gegend und zirka 60 Meter lang und acht
           Meter breit. Das von Südosten nach Nordwesten mit beachtlichen acht Metern abfallende
           Grundstück bietet vom höchsten Punkt aus freie Sicht auf den See und die dicht bewalde-
           ten Hänge des Juragebirges. Die straßenseitige Fassade ist Teil eines vielfältigen, historisch
           gewachsenen Straßenzuges, dicht schmiegen sich die beiden so unterschiedlichen Nach-
           bargebäude an, und doch scheint das Haus in der Route de la Capite 159 ganz autark zu
           sein. Mit der zweigeschossigen gartenseitigen Erweiterung gewinnt das Haus nicht nur
           Wohnfläche, sondern auch an lichter Eleganz in zarten Tönen. Ehemals recht disparat und
           unschön verbaut, wird das Gartengesicht des Hauses einer Schönheitsoperation unter-
           zogen und verwandelt sich mit dem Anbau in eine nun strahlende und offenfreundliche
           Persönlichkeit. Im mit feinen Maßnahmen sanierten dreigeschossigen Bestandsgebäude
           bleibt dagegen die Reife und Charakteristik des baulichen Ursprungs weiterhin spürbar.
           Alt und Neu verbinden sich dabei selbstverständlich, es gibt keinen räumlichen Bruch,
           keine Künstlichkeit, auch wenn die Schwelle in die neue Welt wahrnehmbar bleibt. Der
           Raum und seine Elemente begleiten und führen seine Bewohner dabei immer auf kon-
           tinuierliche Weise. Im Erdgeschoss läuft die Holzbalkendecke von Alt nach Neu durch,
           die eine Stufe an der Fuge allerdings erinnert weiterhin an die Nahtstelle. Materialien
           und Farben sind homogen durch das Haus gelegt, Spezifischem wie der Faltkonstruktion
           des bestehenden Daches wird in der Renovierung große handwerkliche Aufmerksamkeit
           geschenkt. Mit dieser spürbar wertschätzenden Haltung gegenüber dem Bestand und sei-
           nen innewohnenden Geschichten sind Lacroix Chessex Architekten zwar glücklicherweise
           nicht mehr allein auf weiter Flur, dennoch kann nicht genügend darauf hingewiesen wer-
           den, dass die Frage, wie der europaweit fehlende Wohnraum klimaschonend geschaffen
           werden kann, nur mit der Aktivierung des Bestands beantwortet werden kann.

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