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Entwurf • Design Pool Leber Architekten, München
Bauherr • Client Privat
Standort • Location Maxvorstadt, München
Nutzfläche • Floor space 568 m 2
Foto: Filip Gorski
Fotos • Photos Brigida González, Stuttgart
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Helle, flexible und stilvolle Wohnflächenmehrung • Bright, flexible and stylish extension of living space Ein 20 Meter langes Sitzelement aus Jurakalk • An 20 metres long seat element of Jurassic limestone
von • by Prof. Isabella Leber
D ie Dachaufstockung auf ein bestehendes Wohn- und Geschäftshaus aus den die Zukunft auch flexible Wohnsituationen für eine sich verkleinernde Kernfamilie ge-
1980er-Jahren, dessen gestalterische Qualität nicht augenscheinlich war, ermög-
schaffen werden, in der sowohl allen Kindern unabhängiger Wohnraum zur Verfü-
lichte nicht nur den Erhalt, sondern auch eine Aufwertung des Bestandsgebäudes, gung gestellt wird als auch vermietbare Einheiten geschaffen werden können.
ohne dieses zu dominieren. Neben der großen Wohnraumerweiterung und der Nach-
verdichtung in Innenstadtlage, ohne zusätzlichen Flächenverbrauch oder Versiegelung Flexibler Raum – diverse Wohnmodelle
ist auch die Materialwahl der Aufstockung von Nachhaltigkeit geprägt. Massivholz an
Wänden und Decken, Mineralwolldämmung und Edelstahlverkleidung statt einer Alu- Die komplexen Verschränkungen von Außen- und Innenraum, ebenso wie die
miniumlösung kennzeichnen ein von nachwachsenden Rohstoffen, vergleichsweise Schnittstelle der freien Geometrie des Neubaus mit dem Fassaden- und Tragwerks-
niedriger Herstellungsenergie und guter Rückbaubarkeit geprägtes Materialkonzept. raster des Bestandes, erforderten eine intensive dreidimensionale Auseinanderset-
Straßenseitig bindet sich der Dachaufbau mit seiner Stehfalzverkleidung ganz zurück- zung mit Licht, Raum und Konstruktion, um all den gestellten Anforderungen ge-
haltend in die Häuserfront ein, während die nach Süden gerichtete Hofseite be- recht zu werden. Das weit verzweigte Rohrsystem des Bestandes, das über Dach
schwingt über dem Bestand schwebt. Diese Zurückhaltung nach außen entspricht entlüftet werden musste, war zwar für die Raumgestaltung des Neubaus eine große
auch dem Bedürfnis nach Diskretion auf Bauherrenseite. Dennoch suchten die Bau- Herausforderung, ermöglicht hingegen für eine spätere flexible Aufteilung der
herren nicht nach einer klassischen Erweiterung, mit dem Ziel der reinen Wohnflä- Wohneinheiten viel Spielraum. Hierdurch wurde, mit nur wenigen Eingriffen, eine
chenmehrung und einer Vielzahl an moderaten Raumgrößen, sondern man wollte in Zuordnung der Wohnflächen von drei Einheiten in bis zu fünf Wohneinheiten un-
zentraler Innenstadtlage den eigenen Wohnraum vergrößern sowie fließende, groß- terschiedlicher Größe möglich. Das Entwurfskonzept erfüllt dabei auch den An-
zügige und ausdrucksstarke Innenräume schaffen. Das Bedürfnis nach weitläufigen spruch, jeder der bis zu fünf separaten Wohneinheiten einen eigen privaten Außen-
Außenbereichen, mit Ausblicken in alle Himmelsrichtungen und nach einer Ver- raum zu bieten. So wurde Richtung Süden, zum Hof, die Belichtung und die Öff-
schränkung von Außen und Innen war ebenso ein wichtiger Bauherrenwunsch. Die- nung des Raumes zum Außenraum durch ein bewegtes Fensterband realisiert, des-
ses Thema der Dachlandschaft drückt sich in den leicht versetzt nach außen und sen Skulpturalität durch die sich aufweitenden und verjüngenden Sturz- und Brü-
innen schwingenden Balkonen und Terrassen besonders gut aus. Sie überlagern sich stungsbänder geprägt ist, die auch die Terrassen und Balkone in den Gesamtkörper
wie Wellen mit den Bestandsbalkonen und bieten so Schutz, Überdachung und Frei- mit einbeziehen. Richtung Norden sollte sich die Aufstockung ruhig in die Reihe an
raum zugleich. Das Schwingen setzt sich im Innenraum fort, dort umspült das Raum- Bestandsbauten der 1980er-Jahren einfügen. Hier werden die Räume durch Dach-
kontinuum die Wandscheiben, den Treppenkern und die Kücheninsel gleichermaßen, flächenfenster belichtet, wodurch eine ganz eigene, platonische Atmosphäre ent-
während raumhohe Schiebeelemente das Abtrennen von Funktionsbereichen wie der steht, die in den von Norden nach Süden durchbindenden Räumen ein interessan-
Küche erlauben. Neben dem räumlich-atmosphärischen Entwurfskonzept sollten für tes Spannungsfeld aus gleißendem Südlicht und sanftem Nordlicht hervorbringt
AIT 3.2022 • 113