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Entwurf • Design exitecture architekten, Frankfurt am Main
Matthias Hohl Bauherr • Client T18 Projekt GmbH, Mainz
Standort • Location Kupferberg Terrassenstraße 18, Mainz
1969 geboren in Reutlingen 1985 — 1988 Ausbildung zum Zimmerer 1991 — 1992 Berufstätigkeit als Zimmerer Nutzfläche • Floor space 720 m 2
in CH-Zug und Mainz 1992 — 1998 Architekturstudium an der FH Mainz 1994 — 2005 Mitarbeit in verschie- Fotos • Photos Heike Rost, Mainz
denen Architekturbüros im In- und Ausland seit 2003 selbstständig mit exitecture architekten Mehr Information auf Seite • More information on page 146
Die Fluchttreppe ist klar als neues Bauteil zu erkennen. • The emergency stair is noticeable as a new element. Ausgewählte Weine stehen am zentralen Tresen bereit. • Select wines are ready at the central counter.
D ie Winebank bietet ihren Kunden eine etwas andere Art der Einlagerung ihrer Wert - modernen Bauteile sollen sich formal harmonisch einfügen und sich gleichzeitig in ihrer
anlagen. Wie der Name schon sagt, werden hier nicht etwa Diamanten und Gold -
Materialität vom Bestand absetzen. Beispielsweise windet sich die Untersicht der ge -
barren sicher verwahrt, sondern besonders edle Tropfen, die unter optimalen klimati- schwungenen Fluchttreppe aus Stahlbeton entsprechend der Formensprache der Ge wöl -
schen Bedingungen im Tresor liegen. Seit der Gründung durch Winzer Christian Ress be aus Bruchsteinmauerwerk nach oben und bildet in ihrer rohen Materialität den ge -
2009 im Rheingau folgten Niederlassungen in Wien, Basel, Hamburg, Frankfurt, der Pfalz, wün schten Gegensatz zum Bestand. Die vormalige Treppenanlage in Form einer schma-
Köln, Palma und nun auch in Mainz. Zusammen mit dem umliegenden Weinbaugebiet len Spindeltreppe blieb zwar erhalten, der Zugang wurde jedoch mit Glas verschlossen,
Rheinhessen gehört die rheinland-pfälzische Hauptstadt zum internationalen Wein mar - wodurch ein hinterleuchtetes Schaufenster entstanden ist. Die eigentliche Erschließung
ke ting-Verbund Great Wine Capitals, in dem jeweils ein charakteristisches Weinbau gebiet erfolgt über eine neue Aufzugsanlage, für die der bereits vorhandene Schacht aktiviert
pro Land vertreten ist. Mit gutem Grund: Der Weinbau reicht rund 2.000 Jahre zu rück, werden konnte. Zur Bespielung der verwinkelten Gewölbekelleranlage ist eine abstra-
als die Römer begannen, Weinreben zu pflanzen, und ist bis heute allgegenwärtig. Die hierte Stadtstruktur entwickelt worden. Die vor Ort massiv aus Bimsbeton gebauten
Winebank Mainz ist auf dem Areal der ehemaligen Altmünsterbrauerei entstanden, das Wein tresore fungieren dabei als „Typenbau“ und lassen in ihrer zweistufigen Höhen -
zusammen mit dem ortsansässigen Architekt Axel Efferth übergreifend mit Wohnungen staffelung stadträumliche Qualitäten entstehen. Die strenge geometrische Ord nung, eine
und ge werblicher Nutzung entwickelt wurde. Während also die vorhandene Bebauung klare Linienführung und das Freihalten von Blickbezügen erzeugten eine kontrastierende
inmitten der Altstadt dem Wohn- und Gewerbe neu bau Alt münster hof weichen musste, Beziehung zum historischen Gewölberaum, dessen Identität und Raum kontur eigenstän-
gelten die im Hang eingegrabenen Katakomben und Ge wöl be aus den 1850er-Jahren als dig bleibt und dank der frei stehenden Weintresore und Möbel sogar noch verstärkt wird.
Kultur denk mal und blieben erhalten. Nach deren Ent ker nung ist auf zwei Ebenen und 296 Weinfächer und elf Privatkeller zwischen 13 und 40 Quadrat meter stehen zur
rund 720 Quadratmetern die Winebank Mainz entstanden. Verfügung, insgesamt 56.505 Flaschen finden darin Platz. In jedem Keller befindet sich
ein eigener Tresen zur Verköstigung in privatem Ambiente. Darin stehen Gläser und
Spiel mit Gegensätzen in historischem Gemäuer Wasser flaschen parat. Passend zu den Tresoren ist deren Kubatur aus Bimsbeton gefer-
tigt, im Kontrast dazu ist der Tresen aus massiver Eiche, wodurch der gewünschte
Allen Winebanken gemein sind die kubischen Weintresore, geschlossen mit Stahlgittern, Charakter als Ort zum geselligen Beisammensein weiter unterstrichen wird.
die es in ein individuelles architektonisches Konzept einzubinden galt. Neben ihrer prak-
tischen Funktion als Lager stehen die repräsentativen Räume den sogenannten Wine - Inszenierung auf ganzer Linie
bankern rund um die Uhr für den Besuch, Weinverkostungen und exklusive Ver an -
staltungen mit ihren Gästen zur Verfügung. Dies gilt wohlbemerkt für sämtliche Wine - Im Gegensatz zum schwarzen Gussasphalt am Boden der Erschließungsbereiche beste-
banken weltweit. Im Zuge der Entkernung wurde das Gewölbe von nachträglich aufge- hen die Bewegungsflächen innerhalb der Gewölbe aus Faserbeton mit Besenstrich und
brachtem Kalkanstrich befreit und gereinigt. Um das natürliche Klima zu erhalten und so sind durch losen Basalt-Kies klar vom Bruchsteinmauerwerk der Wände, den ausgestell-
den notwendigen Feuchteaustausch für die Lagerung von Weinflaschen zu gewähren, ten Bronze-Skulpturen der Künstler Reinhold Petermann und Jörg Baltes und den Fun da -
blieb der Boden roh. Mit der Denkmalpflege galt es zudem, die baulichen Maßnahmen, menten der Weintresore abgesetzt. Die Kanten der Wege sind so klar als übergeordnete
wie die Erschließung und erforderliche Trennwände aus KS-Mauerwerk, abzustimmen. Linien durch den Raum gewoben. Am Boden unter dem Kiesbett verlaufen außerdem
Neu eingebrachte Mauern wurden geschlemmt und mit einem anthrazit farbenen An - sämtliche Kabel, wodurch der Bestand frei von Installationen bleibt. Für die allgemeine
strich versehen. Stahlbetonbauteile blieben hingegen roh. Das Konzept sieht ein Orientierung wurde zusammen mit dem Mainzer Designstudio Headquarter ein Wege -
Wechsel spiel aus Angleichung und Kontrastierung zwischen Alt und Neu vor. Die neuen, leitsystem entwickelt. Piktogramme und textliche Erläuterungen geben dem Nutzer
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