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BANKEN UND BEHÖRDEN  •  BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS THEORIE • THEORY

                                                        dem Wohnraum und einer Nasszelle. Die zuneh mende Bewusstwerdung der unzurei chenden Haftraumgrößen
                                                        bringt auch die Möglichkeit des Über denkens der Haftraum form mit sich. In der Strafvollzugsarchitektur kann
                                                        man sich in den einzelnen Bereichen (Wohnen, Arbei ten etc.) an die üblichen Vorschriften und Normen, die in
                                                        Freiheit gelten, halten. Ein wesentlicher Aspekt ergibt sich durch den Freiheits entzug. Jede noch so geringe
                                                        Abwechs lung – und sei es nur ein wanderndes Sonnenlicht – bringt eine erhebliche Besse rung der strafvol-
                                                        lzugsspezifischen Atmosphäre, die sich nicht zuletzt durch Monotonie und Depri vation auszei chnet, mit sich.
                                                        Sollte ein Nutzer für längere  Zeit dem künstlichen Licht ausgesetzt  werden müssen, dann kann durch die
                                                        Möglichkeit  von Distanzblicken durch ein Fenster ins Freie oder Räume unterschiedlicher Größe und
                                                        Beleuchtung Abhilfe geschaffen werden.

                                                        Der Wunsch nach Individualität und gestalterischer Aufwertung

                                                        Bei einer Haftanstaltsbesichtigung fallen einem immer wieder individuelle, oft sehr unprofessionell gestaltete
                                                        Berei che auf, die bei näherer Betrachtung viel über die Bedürfnisse und die spezifische Atmosphäre aussagen.
                                                        Die ungeeigneten und schon in ihrer Konzeption  veralteten,  meist beengten räumlichen Bedingungen des
                                                        Strafvollzuges sowie eine systemimmanente Machtlosigkeit führen bei den Insassen (Etienne Monier, Strafarten
                                                        im Straf vollzug, S. 37) wie auch beim Personal zu einer gewissen Frustration. Der Frustration wird durch die
                                                        Markierung des eigenen Bereiches (Territoriums) entgegengewirkt. Die Markierung reicht  von: Behübschen
                                                        beziehungsweise Aus schmücken über Zurschaustellung eigener Verdienste oder der besonders gelungenen „Art-
               Aneignung durch die Bewohner: Der Wunsch nach Individualität ist groß.  Therapie-Produkte“, das Umfunktionieren von Alltagsgegenständen bis zum Vandalismus. Den Impuls liefert
                                                        immer das Erreichen eines be-stimmten Frustrationsgrades. Meist auf Initiative des Personals wird ein kleiner
                                                        Teilbereich in Zusammenarbeit mit den Insassen, mit mehr oder weniger „künstlerischen“ Absichten „behüb-
                                                        scht“. Es gilt zahlreiche Beispiele der sicherlich mit den besten  Absichten gewählten Farbgestaltungen, die
                                                        jedoch ihren  Zweck (Schaffen einer ange nehmen  Atmosphäre) total  verfehlt haben. Das Bedürfnis, seinen
               Hafträume, die nur zum Fernsehen im Bett einladen, führen nach wenigen ...
                                                        Lebensraum zu gestalten, ist in einer Strafvoll zugsanstalt durch folgende Faktoren beeinflussbar:
                                                        Überschneidung Wohnraum der Insassen und  Arbeitsbereich des Personals,  Anzahl der Personen pro
                                                        Quadratmeter und systemimmanent abgeschlossenes System, dem positive Impulse von außen fehlen. Um für
                                                        diese  schwierige  Situation  adäquate  Lösungen  zu  finden,  muss  man  sich  mit  der  Nach hal tigkeit  der
                                                        Innenraumgestaltung auseinandersetzen. Nur ein Konzept, das alle oben genannten Faktoren berücksichtigt und
                                                        zudem noch eine Abwechslung, Veränderung und Adaption an sich wandelnde Trends zulässt, gleichzeitig nicht
                                                        zu pflegeintensiv ist, kann sich bewähren. Diese Aufgabe sollte unbedingt in Zusammenarbeit mit Architekten,
                                                        dem  Anstaltspersonal und bildenden Künstlern entstehen. Die Nachhaltigkeit kann durch die regelmäßige
                                                        Betreuung des Konzeptes durch die bildenden Künstler und Architekten gefördert werden.

                                                        M    ore than 150 years ago, the construction of prisons was removed from the curriculum of architectural
                                                             schools in Europe. In contrast to the enormous development in other forensic disciplines, the contin-
                                                        uous education of prison construction experts and a further development of prison architecture were thus
                                                        interrupted. Hardly any of the lecturers dare to take on the task of a prison as part of a semester project.
                                                        The complexity of the topic exceeds the individual departments and can only be mastered with an interdis-
                                                        ciplinary approach. Prisons, however, will continue to be built and reconstructed and the winning projects
                                                        of architectural competitions are not necessarily those that are characterised by a deep knowledge or under-
                                                        standing of the problems of the penal system and prison processes. In the last 20 years in particular, prison
                                                        buildings have been built which, on closer inspection, do not take the current demands of the prison system
                                                        as a starting point, but rather reflect the architectural solutions of centuries-old buildings that have been
                                                        successful in the past. Many contemporary buildings are tiring and boring, either because beauty is no
               ... Tagen zur Deprivation und damit zur Verhinderung einer Resozialisierung.
                                                        longer taken seriously - or because it is understood in a superficial and unobjective way. The ancient con-
                                                        ception of beauty as a unity in diversity is still plausible (Gerdes 1994, according to Illera 2003, p. 70).
                                                        Subsequent "beautification" of such buildings often seems out of place. Prisons in particular, whose main
                                                        task is security and safeguarding, offer very few design possibilities due to their strict specifications at first
                                                        glance. This makes it all the more important to deal with design, the actual architecture. This is, however,
                                                        only possible after a detailed analysis of all components (laws, activities, rooms, connections, types of
                                                        imprisonment, inmates, personnel, etc.). In the book "Jugendstrafvollzug - Vorsorge statt Nachsorge"[Youth
                                                        custody - provision instead of aftercare], Licker, Schoenmakers and Sigmund have formulated it this way:
                                                        The existing diversity of types of detention, e. g. closed, semi-open and open prisons as well as the neces-
                                                        sary separation of different levels of detention and genders create organisational and structural problems
                                                        which make the construction of detention facilities a task that is both complex and difficult. In the limited
                                                        space of the available areas, "all" living conditions and habits must be provided - for people who are tem-
                                                        porarily excluded from their social environment. In addition, the legislature has also made the demand that
                                                        the required safety must be ensured with as few personnel as possible and that the operation and manage-
                                                        ment must be organised as rationally as possible (Licker, Schoenmakers and Sigmund 1973, p.71). A prison
                                                        can therefore be imagined as a living organism that consists of many individual components, "organs" (res-
                                                        idential area, work area, security centre, workshops, administration and so on) that have their own peculi-
                                                        arities and are connected with each other - not only spatially through corridors, windows and doors, but
                                                        also functionally (for example living area and kitchen, reception and cloakroom and so on). The connection
                                                        of the individual areas plays an enormous role, as it determines how laboriously it is to supply the individ-



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