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r SANTA BARBARA                                              r BERLIN


                   bis 08.12.19 J. R. Davidson: A European Contribution to California Modernism.  bis 27.01.20 original bauhaus. die jubiläumsausstellung. Die Geschichte des
                   Die Ausstellung zeigt erstmals das Werk des deutschen Architekten Julius  Bauhauses anders zeigen? Im Jahr des großen Jubiläums klingt das ziemlich un-
                   Ralph Davidson (1889–1977), der 1923 von Berlin nach Los Angeles ausgewan-  möglich. Gefühlt ist schon alles erzählt worden über die kurzlebige Hochschule
                   dert ist. Wiederentdeckt wurde er durch das Haus für Thomas Mann 1941, das  mit dem großen Nachleben. Und das nicht nur in Ausstellungen, Büchern oder
                   vor zwei Jahren von der deutschen Bundesregierung gekauft wurde. Er ist aber  Konferenzen, sondern auch in Filmen und einer Fernsehserie, die anlässlich  des
                   auch als Case-Study-House-Architekt mit drei Häusern (CSH 1, CSH 11, CSH 15)  100. Geburtstags produziert worden sind. Bauhaus auf allen Kanälen. Trotzdem
                   in die Geschichte eingegangen, zumal er als Einziger den Grundriss dupli-  gelingt der Ausstellung „original bauhaus“ gegen Ende des Jubiläumsjahres
                   zierte. Davon war bisher wenig bekannt, obwohl das Archiv des Architekten  genau das: ein frischer Blick. Dabei ist die Schau eher eine Verlegenheitslösung.
                   seit 1977 in Santa Barbara lagerte. Die kleine Auswahl von 15 Projekten mit  Während Weimar und Dessau pünktlich mit neuen Museumsbauten auftrump-
                   Plänen, farbigen Präsentationszeichnungen und Schwarz-Weiß-Fotos  von   fen können, feiert das Berliner Bauhaus-Archiv auf einer Baustelle. Das Stamm-
                   Julius Shulman wird nun präsentiert. Eine transluzente Wand mit einer Vitrine  haus ist wegen Sanierung geschlossen. Wohin also mit der weltweit umfang-
                   bildet den Anfang und zeigt die wichtigsten Charakteristiken des Architekten,  reichsten Sammlung zum Thema? Die Berlinische Galerie öffnete den Heimatlo-
                   der mit Vorliebe im Eingangsbereich seiner Wohnhäuser eine ebensolche  sen ihre Räume. Rund 1.000 Exponate sind dort nun zu sehen – Bauhaus-Origi-
                   Glaswand als Sichtschutz und Windfang integrierte. Innen und außen sollten  nale, ergänzt durch zeitgenössische Arbeiten. Die um 14 Fallgeschichten herum
                   ineinander übergehen und die Möbel zum integralen Bestandteil seiner Archi-  konzipierte Schau wirkt so frisch, weil sich Kuratorin Nina Wiedemeyer die üb-
                   tektur werden. Die Vitrine enthält einige der wieder aufgefundenen Skizzen-  liche Heldenerzählung verkniffen hat. Also nicht Gropius, Meyer, Mies, Farb-
                   bücher, die es ermöglichen, die europäischen Einflüsse zu rekonstruieren. Da-  kreis, Meisterhaus. Sondern kleine Ausstellungen in der Ausstellung, entwickelt
                   vidson brachte sich im Selbststudium und als Lehrling in Berlin, London und  aus dem Oberthema, Produktion und Reproduktion, Original und Kopie, Unikat
                   Paris bei verschiedenen Möbelherstellern seine Kenntnisse über Architektur  und Serie. In der großen Treppenhalle empfängt Oskar Schlemmers Bild „Bau-
                   bei und machte sich 1919 in Berlin als Architekt selbstständig. In der ersten  haustreppe“ – eine Kopie für die Familie aus der Hand seines Bruders. Ein Film
                   Zeit in Los Angeles arbeitete er als Kulissenbauer und realisierte zwei erste La-  ergründet das Geheimnis von Landhaus Ilse, einem jüngst entdeckten, unglei-
                   denzeilen. Während der Rezession renovierte Davidson Restaurants und be-  chen Zwilling vom Haus am Horn. Marianne Brandts Tee-Extraktkännchen wird
                   gann ab den 1930er-Jahren, Wohnhäuser zu planen, die dem Inter national  nicht wie ein singuläres Meisterwerk inszeniert, sondern den elektrischen Was-
                   Style  zugerechnet  werden können, im Inneren aber einem bürger lichen  serkesseln von Peter Behrens gegenübergestellt. Vieles wird unkonventionell
                   Grundriss folgen. In der Folgezeit wurde seine moderne Architektursprache  vermittelt. Jeder darf, wie die unbekannte Frau auf dem berühmten Foto, mit
                   „softer“, die Dächer geneigt, die offenen Grundrisse zugunsten von einzelnen  einer Metallmaske in einem Wassily Chair Platz nehmen. An interaktiven Ar-
                   Räumen aufgegeben und ganze Gebäudetrakte vom Wohnraum abgewinkelt,  beitstischen können einzelne Vorkurs-Aufgaben digital nachempfunden werden.
                   um Privatsphäre zu garantieren. Dieser Wandel ging so weit, dass er lokale  So zeichnet „original bauhaus“ eine durchweg ehrfurchtsfreie, verspielte Hal-
                   Materialien, Bautraditionen und Bautypen adaptierte und damit seine Häuser  tung aus und kommt dem viel beschworenen Geist der Hochschule damit sicher
                   vollkommen in die Umgebung Kaliforniens integrierte.  Lilian Pfaff  näher als viele andere Huldigungen dieses Jubeljahres.  Jasmin Jouhar

                   Art, Design & Architecture Museum                            Bauhaus-Archiv Berlin in der Berlinischen Galerie
                   UC Santa Barbara                                             Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
                   Santa Barbara, CA 93106-7130                                 Alte Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin
                   www.museum.ucsb.edu                                          www.bauhaus.de, www.berlinischegalerie.de




















                Foto: Lilian Pfaff                                            Foto: Catrin Schmitt





                                                                                                                              AIT 11.2019  •  021
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