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Flucht nach Patagonien Der Fall Rucellai
Jana Revedin – in unserer Serie Perspektiv- Wer dieses Buch in unbekümmerter
wechsel in AIT 6.2021 (ab S. 30) haben wir Nonchalance zur Hand nimmt, um
die vielseitige Architektin, Architekturtheore- sich von einem gemütlichen Leseaben-
tikerin, Professorin und Literatin vorgestellt. teuer berieseln zu lassen, wird schnell
Mit ihren Romanen „Jeder hier nennt mich Haltung annehmen müssen: Bei der
Frau Bauhaus“ (2018) und „Margherita“ Lektüre von „Der Fall Rucellai – Eine
(2020) holte sie zwei herausragende Persön- Spurensuche im 15. Jahrhundert“ ist
lichkeiten der Architekturmoderne der Konzentration gefordert! Denn anders
1920er- und 1930er-Jahre ans Licht der Öf- als der schlagkräftige Titel vermuten
fentlichkeit – Ise Frank, die zweite Frau von lässt, steckt dahinter kein nett gemein-
Walter Gropius, die die Öffentlichkeitsarbeit ter Architekturkrimi, sondern eine mi-
am Bauhaus beherzt in die Hand nahm, nutiös recherchierte und sachlich dar-
sowie Margherita Revedin, die Großmutter gelegte Gebäudestudie. Gegenstand
ihres Mannes Antonio, die den Lido in Vene- die ser ist eines der wohl berühmte sten
dig engagiert zum freizeitkulturellen Zentrum Bauwerke der italienischen Hochre-
jener Epoche entwickelte. Vor wenigen Wo- naissance, nein, der gesamten westli-
chen erschien Jana Revedins jüngster Roman chen Architekturgeschichte: der Pa-
über eine weitere, noch viel zu wenig beach- lazzo Rucellai in Florenz. Um dessen
tete Kunstmäzenin jener Zeit: die aus Patago- Entstehung lässt Günther Fischer nun
nien stammende Silberminenerbin Eugenia zwei wesentliche Forschungsfragen
Errázuriz und ihren Schützling Jean-Michel Frank, der seinerzeit zum bedeutendsten In- kreisen: Wer war der tatsächliche Schöpfer der stilprägenden Palastfassade, die man
nenarchitekten und Möbeldesigner Frankreichs avancierte – bekannt für seinen schlich- lange Zeit Leon Battista Alberti zuschrieb – was übrigens Fischer (Achtung Spoiler!) nicht
ten Stil und luxuriöse Materialien. Betuchte Bauherren machten es ihm möglich, sich für richtig hält – und: Wo liegen die Inspirationsquellen für einen Entwurf dieser Güte-
kreativ zu entfalten. Publik wurde seine Handschrift vor allem durch die Ausstattung klasse? Um den bauhistorischen Fall zu lösen, nimmt der Architekt und Kunsthistoriker
des Domizils des Vicomte und der Vicomtesse de Noailles an der Pariser Place des Etats- Fischer die Leser mit auf eine investigative Reise ins Florenz des 15. Jahrhunderts – in den
Unis. Jana Revedin erzählt so kenntnisreich und lebendig vom europäischen Zirkel der „Maschinenraum der Renaissancearchitektur“ –, einen hart umkämpften Immobilien-
Kunst-, Literatur-, Mode- und Architektur-Avantgarde um Pablo Picasso, Jean Cocteau, markt und Machtkosmos der Medici. Ausgerechnet in deren Wirkungsfeld ließ der junge
Blaise Cendrars, Coco Chanel, Elsa Schiaparelli und Le Corbusier, als wäre sie selbst mit Einzelkämpfer und Emporkömmling Giovanni Rucellai nämlich ab 1451 besagten Palast
dabei gewesen. Jean-Michel Frank – ein Cousin von Ise Frank und der Lieblingsonkel errichten – als Zeichen seiner aufstrebenden Macht gegen die alles beherrschende Fami-
der berühmten Tagebuchschreiberin Anne Frank – hatte als Jude, homosexuell, behin- glia. Dieser Stoff muss nicht mit künstlicher Wortgewalt aufgeblasen werden, denn die
dert und depressiv im zunehmend faschistisch geprägten Europa ab einem gewissen Sachzusammenhänge allein sind Krimi genug! Vor allem in Hinblick auf das akribisch zu-
Zeitpunkt keine Zukunft mehr. Gemeinsam mit Eugenia Errázuriz, die auch eine Freun- sammengetragene Planmaterial verpackt der Autor den Informationsgehalt einer wissen-
din seiner früh verstorbenen Mutter Nanette war, ergreift er die Flucht nach Patagonien, schaftlichen Studie in ein gut verständliches Lesebuch mit kurzen Kapiteln. Eine klare
um eben dort das erste Grandhotel der Anden zu realisieren ... Ein Lesegenuss! wa Empfehlung für alle, die sich für Bau-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte interessieren! kk
Flucht nach Patagonien Von Jana Revedin. Erschienen 2021 im Aufbau Verlag, Berlin. Der Fall Rucellai. Eine Spurensuche im 15. Jahrhundert Von Günther Fischer. Erschienen 2021 im Verlag Birkhäuser, Berlin.
Deutsch. 415 Seiten. Hardcover. Format: 22 x 13 cm. 22,00 EUR. ISBN 978-3-351-03809-0 Deutsch. 160 Seiten. Hardcover. Format: 14,5 x 21,5 cm. 28,00 EUR. ISBN 978-3-0356-2390-1
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