Page 115 - AIT0924_E-Paper
P. 115
Anja Sieber-Albers Joachim Sieber
1965 geboren in Mülheim 1986–1990 Architekturstudium FH Dortmund 1962 geboren in Konstanz 1983 Architekturstudium FH Düsseldorf
1991–2007 persönliche Referentin O.M. Ungers 1996 Büroeröffnung Sieber 1985 MA Haus-Rucker-Co und O.M. Ungers 1996 Büroeröffnung Sieber
Architekten 2001 Kooperation forum architecten & planners, Tilburg 2007 Architekten 2001 Kooperation forum architecten & planners, Tilburg 2010
wissensch. Leitung Ungers-Archiv, zahlreiche Auszeichnungen und Preise Gastprofessur Bologna, zahlreiche Auszeichnungen und Preise
Sichtbarkeit und Präsenz für das verglaste Palast-Studio • Visibility and presence for the glazed Palast Studio Alle Türen innerhalb des Rundgangs sind dauerhaft geöffnet. • All doors on the tour route are permanently open.
von • by Anja Sieber-Albers und Joachim Sieber, Düsseldorf
V on Wilhelm Kreis (1873–1955) nach umfangreichen, bis in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg ursprünglichen Kunstpalastes im Osten und dem folgenden Neubau durch Ungers in den
frühen Nullerjahren zwischen dem Ausstellungsflügel im Osten und dem Sammlungsflü-
zurückreichenden Planungen 1925/1926 innerhalb von weniger als einem Jahr errich-
tet, ist der Ehrenhof Teil der sogenannten Dauerbauten der Ausstellung „Gesolei“, Gesund- gel im Westen entstandene Ungleichgewicht im Ausbau wurde durch die Tatsache, dass
heitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Die Dauerbauten und die temporäre große Bereiche des Sammlungsflügels wegen Wasserschäden und statischer Probleme
Ausstellung waren darauf ausgelegt, ein umfassendes Panorama der kulturellen Leistun- nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich waren, noch verschärft. Mit der zusätzlichen
gen „von den hohen Kunstgattungen über die Präsentation technischer Innovationen bis Orientierung des Ausstellungsflügels im neuen, unteren Foyer nach Osten und der in
zur Unterhaltungskultur“ zu präsentieren. Die Dauerbauten gelten als eines der größten Teilen wieder zurückgebauten Verbindung zwischen Sammlung und Wechselausstellung
und anspruchsvollsten Repräsentationsensembles der Weimarer Republik. Sie bestehen waren die beiden Flügel des Hauses in der Wahrnehmung nicht mehr als Einheit prä-
aus dem Planetarium – der heutigen Tonhalle –, dem Reichsmuseum für Gesellschafts- und sent. Ziel unserer Planung war es, den Kunstpalast mit seinen unterschiedlichen Berei-
Wirtschaftskunde – heute NRW-Forum –, sowie zwei sich gegenüberstehenden Museums- chen Sammlung, Wechselausstellung, Gastronomie, Robert-Schumann-Saal, Verwaltung,
bauten: im Westen, zum Rhein hin gelegen das Kunstmuseum, der „Neubau“ von 1926, Palast-Studio etc. wieder als eine zusammengehörende Institution wahrnehmbar und den
im Osten, der Kunstpalast, der auf einen älteren, neobarocken Bau zurückging. Dieser aus Ehrenhof zu einem belebten urbanen Raum zu machen.
der Jahrhundertwende stammende und bereits damals als „Kunst-Palast“ bezeichnete Bau
erhielt im Rahmen des Bauprogramms der Gesolei eine neue Fassade, wurde im Inneren Vorgegebene Struktur bietet Raum für zukünftige Entwicklungen
erheblich verändert und auf diese Art und Weise in das Gesamtensemble integriert. Zum
Rheinufer hin wird die Anlage durch das Großrestaurant Rheinterrassen ergänzt. Die bei- Die genannten Bereiche sollten einen angemessenen Ort innerhalb des Gebäudes finden.
den sich gegenüberstehenden Museen Kunstpalast und Kunstmuseum wurden im Norden Die räumliche Qualität des Ehrenhofs sollte verbessert werden, um Museumsbesucher
durch einen offenen Querriegel verbunden, der mit dem Motiv eines Triumphbogens den und Passanten gleichermaßen einzuladen. Das innere Erscheinungsbild des Gebäudes
Auftakt und Eingang zum Ausstellungsgelände der Gesolei bildete, das sich über zwei sollte wieder zu einer Einheit finden, die dem Gesamtensemble angemessen ist, ohne
Kilometer ungefähr bis zur heutigen Position der Theodor-Heuss-Brücke erstreckte. jedoch die Spuren und Schichten der Zeit zu zerstören. In der Folge wurde zunächst der
Eingang für die beiden Teile des Museums, Sammlungsrundgang und Wechselausstel-
Museumsgebäude als Wegbereiter der klassischen Moderne lungen, an das gemeinsame Foyer im Ostflügel des Gebäudes gelegt. Hier, an zentraler
Stelle, betritt man das Museum. Egal, ob man die Wechselausstellungen, die Sammlung
Im Gegensatz zur historisierenden Museumsarchitektur der vorausgegangenen 150 Jahre oder den Robert-Schumann-Saal besuchen möchte, hier befinden sich der Eingang, die
galt Kreis’ Kunstmuseum als das bis dahin modernste Museumsgebäude und als Weg- Kasse, der Museumsshop und die Garderobe. Der Rundgang beginnt und endet hier. Auf
bereiter der klassischen Moderne im Museumsbau. Die langgestreckten, durch Stützen der Grundlage des durch Wilhelm Kreis vorgegebenen, in Fassade und Stützenstellung
gegliederten Museumsräume strahlten eine für Kulturbauten bis dahin nicht übliche übereinstimmenden Gebäuderasters wurde die Raumfolge für den über zwei Etagen füh-
Nüchternheit aus. Wie im modernen Bürobau war der Grundriss flexibel teilbar. Von renden Rundgang durch die Sammlung entwickelt. Kreis‘ Museumsbau folgt einer tra-
Zeitzeugen wurden die Räume als eher an eine Fabrikhalle als ein Museum erinnernd ditionellen Typologie, die sich aus den beiden historischen Grundtypen „Galerie“ und
beschrieben. Die Ausstellungsbereiche im 1. Obergeschoss wurden dann auch durch Ober- „Wunderkammer“ oder „Studiolo“ herleitet und die, im 19. Jahrhundert festgeschrieben
lichter belichtet, deren Konstruktion tatsächlich dem Fabrikbau entstammte. Aus den bei- und entwickelt, bis heute Gültigkeit hat. Es ging keinesfalls darum, gegen dieses System zu
den sich gegenüberstehenden Museen wurde spätestens mit dem Umbau durch Helmut arbeiten, es aufzubrechen oder eine neue Typologie einzuführen. Die vorgegebene Struk-
Hentrich (1905-2001) in den 1980er-Jahren ein unter einem Namen verbundenes Haus. tur ist gut dimensioniert und bietet den Vorteil, dass sie Raum für zukünftige Entwicklun-
Das mit dem Abriss des hinter der Kreisschen Fassade bis dahin immer noch erhaltenen gen lässt. Bleibt man innerhalb der strukturellen Vorgaben, hat man jede Freiheit, Räume
AIT 9.2024 • 115