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VERKAUF UND PRÄSENTATION • RETAIL AND PRESENTATION

































            FRISEURSALON KERTU STUDIO

            IN STUTTGART



            Entwurf • Design Cyrus Ghanai, Interior Architecture & Design, Stuttgart


            Tradition und Zeitgeist ohne falsche Kompromisse zu verbinden, ist
            eine Herausforderung. Es bedeutet, das Alte zu schätzen, ohne in Ehr-
            furcht zu erstarren, und das Neue zu suchen, ohne einem Trend zu er-
            liegen. Dem Stuttgarter Innenarchitekten Cyrus Ghanai ist genau die-
            ses Kunststück in seiner Heimatstadt gelungen. Behutsam hat er ein
            mehr als 40 Jahre altes Friseurgeschäft in die Gegenwart geholt.



            von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
            D   er Friseursalon Klinger entstand in den späten 1970er-Jahren, als Heinz Klinger ein
                Autogeschäft im Stuttgarter Süden übernimmt und die im Erdgeschoss eines Mehr-
            familienhauses gelegenen Räume für seine Zwecke umbauen lässt. Sein Architekt ist der
            damals noch junge Heinz Legler, der später als Set-Designer reüssiert. Er stattet die
            Räume im Stil der Zeit aus: Kaltweißes Licht umspielt die eigens entworfenen und mit
            schwarzem Leder bezogenen Friseurstühle; vor den weißen Wänden ragen scharfkan-
            tige Spiegel in die Höhe; und auf blanken Edelstahlfüßen ruhen schmale Glasplatten als
            Ablagen. Für Stuttgart ist Klingers Salon damals eine kleine Sensation. Das Geschäft
            wird über Nacht zum Erfolg! Bis heute kümmert sich Klinger persönlich um die Stamm-
            kundschaft. Seit Januar 2021 tut er das allerdings nicht mehr als Chef, sondern als An-
            gestellter. Mit über 70 Jahren hat er den Salon an David Pflüger übergeben, der sein
            Handwerk in der von Klinger mitgegründeten Stuttgarter Friseurakademie gelernt hat.
            Den Inhaber- und Generationenwechsel hat der Nachfolger jetzt für ein Make-over der
            Räume genutzt. Dass er sich dafür Cyrus Ghanai zur Seite geholt hat, darf als Glücksfall
            gelten. Denn dem Innenarchitekten ist es gelungen, das Werk seines Vorgängers sanft
            ins Hier und Heute zu überführen. Begeistert war Ghanai von Anfang an über die Qua-
            lität des ursprünglichen Ausbaus – den edlen Steinboden aus Solnhofer Platten und die
            eleganten, maßgefertigten Friseurstühle. Nur mit dem Licht haderte der Innenarchitekt.
            Gemeinsam mit dem Lichtplaner Michele Rami hat er ein warmes, golden strahlendes
            Lichtkonzept entwickelt, das den natürlichen Farbton der Bodenplatten zur Geltung
            bringt. Darauf abgestimmt entstanden neue, mit Echt-Messing-Laminat verkleidete Aus-
            bauten, und die ehemals schwarzen Stühle erhielten cremefarbene Bezüge. Der Emp-
            fangstresen, die Bar und die neuen Ablagen entstanden aus einem dunklen Terrazzo-
            stein, der die edle Note des Interieurs betont. Die schmalen und hohen Spiegel wie-
            derum wurden durch ovale und runde Modelle nach Entwürfen von Ghanai ersetzt,
            dem mit dem alt-neuen Interieur ein rundherum stimmiges Ganzes geglückt ist.

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