Page 114 - AIT0921_E-Paper
P. 114

V E RK A U F U N D  P R Ä S E NT A TI O N    •    RE T A I L  A N D  P RE S E NT A TI O N  T H E O RI E  •    T H E O R Y
            VERKAUF UND PRÄSENTATION  •  RETAIL AND PRESENTATION THEORIE •  THEORY


                                                                          samkeitsspanne immer kürzer wird, sondern darum, etwas anzubieten, das die
                                                                          Menschen zum Reden und Teilen im Internet bringt. Schließlich sind die sozialen
                                                                          Medien die neue Mund-zu-Mund-Propaganda. Pop-up-Installationen an Orten, die
                                                                          zuvor noch nicht oder nicht für jeden zugänglich waren, mobile Museen oder Expo-
                                                                          nate, visuell starke Raumbilder, neuartige Inszenierungen neuer und auch altbe-
                                                                          kannter Objekte, taktile oder immersive Erfahrungen, reaktive Medienformate, ein
                                                                          innovativer Umgang mit Storytelling, eine Einbindung von Performance-Kunst, eine
                                                                          direkte Partizipation der Besucher sowie experimentelle Herangehensweisen oder
            Foto: Oana Popa-Costea/Kulturprojekte Berlin und Stadtmuseum Berlin  Kultureinrichtungen können sie schaffen oder sogar Leerstand aktivieren. Sie kön-
                                                                          ungewöhnliche Kooperationen können demnach nicht nur Vorgeschmack sein. Auch
                                                                          Zugang zu neuen Inhalten, Themen und Werten genauso wie Bildungsstätten und

                                                                          nen die Tür öffnen in den inhaltsstarken Kosmos, der sich hinter der niederschwel-
                                                                          ligen Inszenierung verbirgt, und damit Nicht-Besucher zu begeisterten Fans machen.

                                                                          Raum für Substanz schaffen


                                                                          ditionelle Museen dar. Im Gegenteil: Als ergänzendes Element gut integriert, können
                                                                          sie das Ausstellungserlebnis durchaus verbessern und dazu führen, dass ein Mu-
                                                                          seum die Erwartungen der Besucher übertrifft. Wenn verstanden wird, dass „insta-
            Instagrammable: „Berlin Global“ (2021) im Humboldt Forum, ... • Berlin Global (2021) in the Humboldt Forum, ...   Dementsprechend stellen Selfie-Museen auch keine existenzielle Bedrohung für tra-
                                                                          grammable moments“ in Kultureinrichtungen mehr (Influencer-)Marketing-Werk-
                                                                          zeuge sind, als dass sie dafür da sind, einen konkreten Bildungsauftrag zu erfüllen,
                                                                          dann lässt sich das Phänomen auch leichter legitimieren. Mit dieser Art der Insze-
                                                                          nierung kann ein neuer Blickwinkel eingenommen und der Ort des Museums neu
                                                                          verhandelt werden: Was ist eigentlich ein Museum? Welche Themen werden hier
                                                                          diskutiert? Wie binde ich Besucher und Gesellschaft gleichermaßen ein? Wie akti-
                                                                          viere ich Nicht-Besucher? Wie mache ich meine Einrichtung zu einem relevanten
                                                                          Dritten Ort? Selfie Spots können eine wertvolle Chance sein, die altehrwürdigen Ver-
                                                                          mittlungsformate zu verjüngen und wieder für mehr Aufmerksamkeit in der Bevöl-
                                                                          kerung zu sorgen – ja, sogar Debatten anstoßen, die in den sozialen Netzwerken weit
                                                                          über die Museumsgrenzen hinausgehen, da sie Menschen involvieren, die (noch)
                                                                          keine traditionellen Museumsgänger sind. Bei allen positiven Aspekten die Aufmerk-
                                                                          samkeit betreffend ist natürlich dennoch zu wünschen, dass das Museum ein Ort
                                                                          der Bildung bleibt – ein Ort des Lernens, der Kontemplation und des Staunens. Ein
            Fotos: Grande Exhibitions, AU-Melbourne                       steht, Objekte erwirbt, bewahrt, beforscht, präsentiert und vermittelt. Und, dass
                                                                          Ort, der öffentlich zugänglich ist, im Dienste der Gesellschaft und deren Entwicklung

                                                                          auch die Begrifflichkeit „Museum“ in diesem Sinne „geschützt“ bleibt. Denn schluss-
                                                                          endlich sind „Selfie-Museen“ keine echten Museen, sondern vielmehr artifizielle In-
                                                                          stallationen, die zwischen kunstvollem Spielplatz und künstlicher Erlebniswelt tran-
                                                                          szendieren. Dabei lösen sie anscheinend oft größere Begeisterung aus als so man-

            ... und „Van Gogh Alive“ (2020) in Qingdao und Zürich ... • ... and Van Gogh Alive in Qingdao and Zurich ...  cher Kulturtempel – damit, oder auch daran sollten wir arbeiten ...

                                                                          S  elfies are no doubt one of the most important cultural phenomena of the 21 st
            ... erzeug(t)en publikumswirksame „shareable moments“. • ... produce(d) appealing “shareable moments”.  century: Every day, 93 million self-portraits are taken and over a million of them
                                                                          shared in the social media. This means that, until the end of their lives, average mill-
                                                                          ennials will have taken about 30,000 selfies. The genre of self-presentation is an-
                                                                          cient, even found in cave paintings. Although, in many cases, the takers of these sta-
                                                                          ged snapshots are accused of egocentric self-presentation, unashamed hedonism or
                                                                          even a large measure of narcissism, the colourful images can also be art, resistance,
                                                                          and statements.

                                                                          Knowing success factors

                                                                          In any case, selfies are omnipresent, they are changing society and thus design as
                                                                          well: The concept of “instagrammable spots” in the sectors of retail, hospitality and
                                                                          tourism has meanwhile become part of the (interior)architectural briefings and the
                                                                          marketing departments of numerous companies have also found a way to profit from
                                                                          the rapid rise of the self-portrait. It is thus no wonder that this mechanism will even
                                                                          continue to show up in the time-honoured world of museums. In July 2016, when
                                                                          the Museum of Ice Cream opened its gates in New York as the first selfie museum,
                                                                          its days until the closing had already been numbered: The pop-up production could
                                                                          be visited for just one month although the 30,000 tickets available had already been

             1
             1
                     02
                    2
                    2
                     02
            1 1 1 114 •  AIT 9.2021 1 1 1
             1
                     02
                   9
                   9
                   9
                   .
                    2
                   .
                   .
                 I
                 A
                 A
                 A
                 T
                 T
                 T
                 I
               •
               •
               •
             4
                 I
             4
             4
   109   110   111   112   113   114   115   116   117   118   119