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Die Länderbeiträge widmen sich in Anlehnung an das Bienna-  Mit „Lares and Penates: On
                  le-Motto Themen wie Ressourcenknappheit und Umgang mit   Building a Sense of Security in
                  dem Klimawandel, Identität und Gemeinschaft, Wohnen und   Architecture“ widmet  Polen
                  vielen anderen Themen. Einige Beiträge sind herauszuheben:  seine  Ausstellung  dem Thema
                                                                      Sicherheit  und dem  Bedürfnis
                  Die zunehmende Hitze und ihre Folgen thematisieren gleich   nach Schutz im gebauten Raum.
                  mehrere Pavillons. Der Länderpavillon des Königreichs Bahrain   Stichwort „Schilderwut“: Humo-
                  wurde dafür mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Kuratiert   ristische Installationen zeigen
                  vom Architekten Andrea Faraguna, präsentiert die Ausstellung   beispielsweise, wie Regulierung
                  unter dem Titel „Heatwave“ konkrete Lösungsansätze für den   ad absurdum geführt wird.
                  Umgang mit extremer Hitze. Der Pavillon widmet sich diesem
                  Thema mit einem besonderen Fokus auf passive Kühl- und   In Spanien dreht sich alles um
                  Beschattungstechniken, die helfen sollen, die Hitze in öffentli-  einen neuen Begriff: „Internali-
                  chen Räumen wirksam zu reduzieren: Ein kantiges Stahlgitter-  ties“. Dieser steht im Gegensatz
                  dach schafft einen Raum, der durch Geothermie gekühlt wird.   zum bekannten Begriff „Exter-                       Beitrag Polen
                  Die Sitzkissen bieten Aufenthaltsqualität für die Besuchenden   nalitäten“, der Umweltschäden
                  und laden dazu ein, einen Moment zu verweilen. Die Möblie-  meint, die bei der Produktion
                  rung bricht die Schroffheit auf einen menschlichen und adap-  entstehen, aber nicht direkt mitbezahlt oder -bedacht werden
                  tierbaren Maßstab. Als Gegenmodell  widmet sich Marokko   – wie Abgase, Abfall oder CO₂-Ausstoß beim Bauen. „Interna-
                  dem gleichen Thema wie das in Venedig benachbarte Bahrain:   lities“ bedeutet dagegen, dass  Architektur diese negativen
                  Lehmbau. Die Ausstellung kombiniert traditionelle marokkani-  Folgen nicht nur berücksichtigt, sondern aktiv Lösungen dafür
                  sche Lehmbautechniken mit heutigen digitalen Tools – weniger   sucht. Der Pavillon zeigt, wie Planer*innen mit lokalen Mitteln
                  spektakulär, dafür aber bodenständig und authentisch. Und   arbeiten und ökologische sowie wirtschaftliche Aspekte besser
                  zeigt, wie zukunftsfähig tradierte Bauweisen sein können.   miteinander verbinden – und nicht zuletzt, wie es aussieht, wenn
                                                                      der Staat mit entsprechendem Budget die Architektur in ihrer
                  Im Deutschen Pavillon hat man endlich auch das Fühlen ent-  ganzen Bandbreite wertschätzt und protegiert.
                  deckt und die zweijährliche staatliche Pädagogik in die Neben-
                  räume verbannt. Unter dem Titel STRESSTEST hat das Team der   Die Schweiz lädt die Besuchenden ein, selbst Raum zu schaffen.
                  deutschen Kurator*innen eine Unterteilung in zwei Bereiche   In der Ausstellung „Endgültige Form wird von der Architektin am
                  unternommen: STRESS und DESTRESS. Im stark geheizten Raum   Bau bestimmt“ können Raumstrukturen durch flexible Auftei-
                  erleben die Besuchenden am eigenen Leib, wie Hitze wirkt,   lungen in kurzer Zeit aufgelöst und neu festgelegt werden: Gar-
                  und gleichzeitig wird dies auf Wärmebildern visualisiert. In den   dinen auf, Gardinen zu. Der Innenraum ist kein fertiges Werk,
                  DESTRESS-Räumen hingegen wird gezeigt, wie dem entgegen-  sondern wird von den Besuchenden bestimmt, verändert und
                  gearbeitet werden kann: Bäume im Sinne eines biophilic design   führt zwangsläufig zur Interaktion der Menschen.
                  zeigen, wie eine angenehme Kühle erschaffen wird – klimage-
                  rechte Architektur ganz simpel. Technik und Landschaft, und
                  nicht der Protagonist Hochbauarchitektur, geben hier den Ton
                  an und werden anschaulich, aber auch fundiert visualisiert.
                  Der klassische informationsreiche und gut gestaltete Katalog
                  ist eine gute Ergänzung, um in Ruhe in die Tiefe zu gehen.

                                         In den Guardini sind weitere indi-
                                         viduelle Inszenierungen sehens-
                                         wert: Serbien schafft ein textiles                                             Tribüne im Arsenale
                                         Gewebe, das am Ende der Bien-
                                         nale verschwunden und fein säu-
                                         berlich wieder aufgerollt sein wird
                                         – mit Hilfe eines Mechanismus,   Zusammenfassend: Die von Carlo Ratti kuratierte Biennale
                                         der solarbetrieben ist. „Unrave-  ist sehenswert, greift globale Themen auf und bricht diese
                                         ling: New Spaces“ ist eine Hom-  zugänglich verständlich, aber auch zukunftsweisend für den
                                         mage an Serbiens Textilindustrie   Besuchenden herunter. Gesellschaftsrelevante Themen der
                                         und  verknüpft diese mit neuen   kompletten architektonischen Bandbreite auszustellen und
                                         Technologien, um das Konzept   zu verhandeln, wäre ohne Innenarchitektur und Raumszeno-
                                         Kreislaufwirtschaft erlebbar zu   grafie nicht möglich und ist auf spektakuläre Weise gelungen.
                                         machen. Die  Spindeln an der   Im Kontext zu den Inhalten besonders, aber auch allein schon
                                         Wand drehen sich langsam bis   sehenswert. Der Wunsch für den nächsten deutschen Bien-
                                        Beitrag Serbien  werden die Fäden der 125 Spulen   für Menschen, für die die gesund gebaute, gut gestaltete und
                                         zum Ende der Biennale. Am Ende
                                                                      nale-Beitrag: wieder mehr architektonischer (Innen-)Raum
                                         als Material für eine neue Verwer-
                                                                      humane Umwelt essenziell sind!
                                         tung zur Verfügung stehen.
                                                                      Und abschließend möchte ich meine Begegnung mit der zu
                  Die nordischen Länder trauen sich zur Eröffnung etwas: außer-  der Zeit erst drei Tage im Amt befindlichen Parlamentarischen
                  gewöhnliche Choreografien von queeren Performer*innen im   Staatssekretärin im Bauministerium Sabine Poschmann mit euch
                  inszenierten Raum, die den Menschen und seinen Körper in den   teilen: Das Gespräch war ermutigend und inhaltlich wichtig, um
                  Mittelpunkt stellen. Der Interaktion müssen sich die Besuchen-  die Umbauwende zu platzieren, aber auch, um zu verdeutlichen,
                  den stellen, diese aushalten und werden so selbst zu einem Teil   dass wir für Menschen und nicht für „Nutzer“ Räume gestalten.
                  von BODYTOPIA: „The architetct, like a doctor, prescriped spa-  Ihr Wording, die „Dinge POSITIV mit aller Kraft anzugehen“,
                  ces that reinforced specific notions of normalcy.“ Performation   kann ich nur unterstreichen. Beim Innenarchitektur-Summit
                  im Raum, die berührt, fasziniert, verwirrt und schockiert. Cool,   im November freuen wir uns dann auf die Bauministerin Verena
                  die Nordländer.                                     Hubertz, die unser Anliegen hoffentlich gleichermaßen teilt.


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