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WOHNEN • LIVING

































            HAUS S

            IN OBERREUTE



            Entwurf • Design Yonder – Architektur und Design, Stuttgart


            Seit vielen Jahren zieht es die Bauherren ins Allgäu – raus aus dem
            hektischen Berlin, hinein in die ländliche Idylle des deutschen Vor-
            alpenlandes. Nach langer Suche fand sich ein Grundstück in steiler
            Hanglage in Oberreute. Nicht einfach zu bebauen, dafür mit fanta-
            stischer Aussicht! Ein Wochenend- und Ferienhaus, perspektivisch
            ein Altersruhesitz, das war 2017 der Auftrag an Studio Yonder.



            von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
            K   atja Knaus lehrt als Professorin an der Münchner Akademie für bildende Künste;
                Benedikt Bosch als Professor an der Hochschule Biberach; gemeinsam führen sie
            seit zehn Jahren das Stuttgarter Architekturbüro Studio Yonder. Viele preisgekrönte Bau-
            ten des Büros sind in den vergangenen Jahren im Allgäu, im benachbarten Vorarlberg
            und im Schwarzwald entstanden. Unkonventionelle Grundrisslösungen auf kleinen Flä-
            chen sowie kluge Material- und Konstruktionsentscheidungen prägen die Arbeiten, die
            sich nicht unbedingt formal, aber doch ideell – das heißt sparsam und nachhaltig – in
            die regionalen Bautraditionen einschreiben. Für Oberreute entwickelten Knaus und
            Bosch zunächst den Plan eines „Hochsitzes“: ein kleines Ferienhaus über quadratischem
            Grundriss in luftiger Höhe, darunter eine zweigeschossige Holzkonstruktion, die zu
            einem späteren Zeitpunkt zum veritablen Wohnhaus hätte ausgebaut werden können.
            Doch der Gemeinderat stellte sich gegen den turmartigen Bau. Die Architekten mussten
            das zukünftige Ausbauvolumen reduzieren und platzierten die ursprünglich im Gebäude
            vorgesehene Sauna als separaten Baustein auf dem Grundstück. Bis zum Baubeginn
            dauerte es mehr als zwei Jahre, zwei weitere bis zur Fertigstellung. Die ursprüngliche
            „Hochsitz“-Idee ist in der Fassade und der inneren Funktionsaufteilung noch immer ab-
            lesbar. Im Erdgeschoss liegt lediglich ein kleines Gästezimmer, ein Bad sowie der Tech-
            nikraum. Der eigentliche Wohnbereich ist im Stockwerk darüber angeordnet. Wohnzim-
            mer, Essplatz und Küche gehen fließend ineinander über. Unter dem Dach wiederum öff-
            net sich eine große Schlafgalerie, die optisch und akustisch mit dem darunter liegenden
            Wohnraum verbunden ist. Seinen besonderen Reiz erhält das Haus – innen wie außen –
            durch eine raffinierte Verdrehung. Außen ist es der Dachfirst, der von der Orthogonalen
            abweicht, die Dachkanten zum Auf- und Absteigen zwingt und damit die Ansichten des Foto: Henrik Schipper, courtesy of JUNG
            Hauses in Bewegung versetzt. Die Wände im Inneren folgen wiederum im gleichen Win-
            kel und verleihen den eher kleinen, effizient bemessenen Räumen durch die entstehen-
            den Aufweitungen eine eigene Qualität – große Wirkung mit einfachen Mitteln.

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