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Eiterquellen
                                                                            von • by Stefan Fürtbauer
                                                                            www.stefanfuertbauer.com



                                                                          „Eiterquellen“ ... Der Name der Fotoserie von Stefan Fürtbauer hört

                                                                          sich für Auswärtige nicht gerade appetitlich an – der echten Wiene-

                                                                          rin und dem echten Wiener dürften bei der Bestellung einer „Eitri-

                                                                          gen mit an Schoafn und an Bugl“ hingegen das Wasser im Mund zu-

                                                                          sammenlaufen. Denn die wissen, was gemeint ist: Eine Käsekrainer

                                                                          mit scharfem Senf und Brot. Und wer schon einmal hungrig durch

                                                                          die schlafende Stadt spaziert ist, der weiß, welche Wonne der An-

                                                                          blick eines geöffneten Imbisses auszulösen vermag. Lichtblicke im


                                                                          Dunkel der Straße – genau als das inszeniert Fürtbauer die Wiener
                                                                          Würstelstände. Besonders bei Nacht verwandeln sich die kleinen,


                                                                          freistehenden Buden in ikonische Verkaufspavillons. Durch das ge-

                                                                          schickte Spiel mit Licht und Schatten erzeugt der Fotokünstler eine

                                                                          mysteriöse und zugleich verlockende Ästhetik und lenkt den Fokus

                                                                          des Betrachters unweigerlich auf die architektonischen Details der

                                                                          Stände im Mittelpunkt seiner Kompositionen; auf die leuchtende

                                                                          Neonreklame,  auf  die  heterogenen  Oberflächen,  auf  das  bunte,

                                                                          kompakte Viel und auf die Menschen und die Gespräche, die sie

                                                                          womöglich führen. Als fester Bestandteil des kulinarischen Kultur-

                                                                          guts Wiens dient der Würstelstand oft als Ort für humorvolle und

                                                                          schlagfertige Gespräche, in denen der Schmäh eine zentrale Rolle

                                                                          spielt und die Interaktion zwischen Kunden und Standbetreibern

                                                                          prägt. Diese wienerische, sprachliche Umgangsform und Art des

                                                                          Humors bildet – wie der Titel der Serie bereits verrät – einen wich-

                                                                          tigen Teil der künstlerischen Darstellung: Durch die Fokussierung

                                                                          der lustigen Namen der Stände auf den Leuchtschildern wie etwa

                                                                          „Zum scharfen René“ oder „Würstelmausi“ ist der Wiener Schmäh

                                                                          Teil des Sujets. Stefan Fürtbauer wurde 1976 geboren und wuchs in

                                                                          Oberösterreich auf. Seit 1997 lebt und arbeitet er in Wien.
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