Page 9 - AIT0624_E-Paper
P. 9
Eiterquellen
von • by Stefan Fürtbauer
www.stefanfuertbauer.com
„Eiterquellen“ ... Der Name der Fotoserie von Stefan Fürtbauer hört
sich für Auswärtige nicht gerade appetitlich an – der echten Wiene-
rin und dem echten Wiener dürften bei der Bestellung einer „Eitri-
gen mit an Schoafn und an Bugl“ hingegen das Wasser im Mund zu-
sammenlaufen. Denn die wissen, was gemeint ist: Eine Käsekrainer
mit scharfem Senf und Brot. Und wer schon einmal hungrig durch
die schlafende Stadt spaziert ist, der weiß, welche Wonne der An-
blick eines geöffneten Imbisses auszulösen vermag. Lichtblicke im
Dunkel der Straße – genau als das inszeniert Fürtbauer die Wiener
Würstelstände. Besonders bei Nacht verwandeln sich die kleinen,
freistehenden Buden in ikonische Verkaufspavillons. Durch das ge-
schickte Spiel mit Licht und Schatten erzeugt der Fotokünstler eine
mysteriöse und zugleich verlockende Ästhetik und lenkt den Fokus
des Betrachters unweigerlich auf die architektonischen Details der
Stände im Mittelpunkt seiner Kompositionen; auf die leuchtende
Neonreklame, auf die heterogenen Oberflächen, auf das bunte,
kompakte Viel und auf die Menschen und die Gespräche, die sie
womöglich führen. Als fester Bestandteil des kulinarischen Kultur-
guts Wiens dient der Würstelstand oft als Ort für humorvolle und
schlagfertige Gespräche, in denen der Schmäh eine zentrale Rolle
spielt und die Interaktion zwischen Kunden und Standbetreibern
prägt. Diese wienerische, sprachliche Umgangsform und Art des
Humors bildet – wie der Titel der Serie bereits verrät – einen wich-
tigen Teil der künstlerischen Darstellung: Durch die Fokussierung
der lustigen Namen der Stände auf den Leuchtschildern wie etwa
„Zum scharfen René“ oder „Würstelmausi“ ist der Wiener Schmäh
Teil des Sujets. Stefan Fürtbauer wurde 1976 geboren und wuchs in
Oberösterreich auf. Seit 1997 lebt und arbeitet er in Wien.