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BÜRO UND VERWALTUNG  •  OFFICE BUILDINGS   THEORIE  •  THEORY




                                                               Entwurf • Design Markus Ravegård Arkitektur SE-Vällingby
                                                               Bauherr • Client Gordon Delivery, SE-Stockholm
                                                               Standort • Location Hammarbybacken 27, SE-Stockholm
                                                               Nutzfläche • Floor space 720 m 2
                                                               Fotos • Photos Johan Eldrot, SE-Uppsala
                                                               Mehr Infos auf Seite • More infos on page 134



                                                               relevant sind neben einem geringen Energie- und Wasserverbrauch auch eine verbesserte Luftquali-
                                                               tät (unter anderem durch Pflanzen), eine angenehmere Akustik mit minimierten Nachhallzeiten sowie
                                                               Belüftungs- und Beleuchtungsmaßnahmen, die verstärkt auf Natürlichkeit setzen und die Aufenthalts-
                                                               qualität erhöhen – und im Idealfall ein intelligentes After-Life-Konzept, das nicht nur Materialien und Pro-
                                                               dukte einschließt, sondern die gesamte Innen-/Architektur umfasst. Letzteres hat das junge Karlsruher
                                                               Büro Studio Sozia mit seinem Erstlingswerk Tina konsequent in den Planungsprozess integriert und in
           Gordon Delivery: Gebrauchte Möbel und recycelte ... • Used furniture and recycled ...   Breisach am Rhein ein flexibles Gebäude geschaffen, das je nach Bedarf Büro- und/oder Wohngebäude
                                                               sein kann. Die ArchitektInnen reagierten mit ihrem Entwurf auf die Tatsache, dass aufgrund der stark
                                                               gestiegenen Bodenpreise im Großraum Freiburg Mehrfamilienhausgrundstücke bis zu 85 Prozent teurer
           ... Teppichreststücke bekommen eine zweite Chance. • … carpet remants got a second chance.   sind als Gewerbegrundstücke – was eine Bauherrin und das Team um Valerio Calavetta und Lisa Häberle
                                                               zum Umdenken veranlasste und sie in einem Gewerbegebiet ein Bürogebäude entwarfen, das zukünftig
                                                               mit wenigen Eingriffen auf Ausbauebene zu einer variablen Anzahl an Wohnungen umgebaut werden
                                                               kann. Innerhalb des freistehenden, dreigeschossigen Baus ermöglicht das fünf auf fünf Meter große
                                                               Tragraster auf insgesamt 835 Quadratmetern eine flexible Trennung der Nutzungseinheiten. So können –
                                                               auch über die Geschosse hinaus – nach der Büronutzung durch Trockenbauelemente Wohnungen mit ein
                                                               bis drei Zimmern generiert werden. Dank außenliegender Erschließung und einer Architektur, die sich
                                                               von der geschlossenen Wandscheibe im Norden über eine freistehende Wandscheibe im Zentrum hin zu
                                                               einer offenen Stützenstruktur im Süden mit angrenzendem großzügigem Außenbereich öffnet, hat Studio
                                                               Sozia nicht nur eine anpassungsfähige, sondern auch eine ressourceneffiziente Infrastruktur geschaffen,
                                                               die langlebig und damit zukunftsfähig ist.

                                                               Langfristige Ausrichtung mit intergenerationaler Gerechtigkeit

                                                               Für das hehre Ziel, nachhaltig zu gestalten und dabei die Bedürfnisse der heutigen Generation zu erfüllen,
                                                               ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden, gibt es nicht nur die eine Lösung. Im
                                                               Gegenteil: Konzepte für ein ressourcenschonendes und zukunftsfähiges Bauen sind vielfältig! Und schon
           Markus Ravegård konzipierte Rückzugsorte … • Markus Ravegård designed places of retreat ...   kleine Maßnahmen können Großes bewirken. Dabei geht es nicht darum, alles hundertprozentig perfekt
                                                               zu erfüllen, sondern bei der Planung Verantwortung für unsere Umwelt zu übernehmen: Neben der Wahl
                                                               von biobasierten, nachwachsenden Rohstoffen, emissions- und schadstoffarmen Baustoffen, regionalen
                                                               Ressourcen oder natürlichen, unbehandelten Monomaterialien, die sortenrein in den Kreislauf zugeführt
                                                               werden können, spielen Wiederverwendungs- und Cradle-to-Cradle-Konzepte eine wichtige Rolle. Pro-
                                                               duktionsprozesse und Lieferketten zu überprüfen und zu Ende zu denken, vorhandene Substanzen zu
                                                               nutzen, Erhaltenswertes zu bewahren, Altes oder Gebrauchtes zu revitalisieren und weiterzuentwickeln,
                                                               den gesamten Lebenszyklus von Materialien, Produkten und Räumen zu betrachten, trägt dazu bei, die
                                                               Klimabelastung weiter zu reduzieren. Wandelbare und flexible Räume mit reversiblen Konstruktionen
                                                               oder Sharing-Modellen und eine am Menschen orientierte Innen-/Architektur fördern zudem eine resi-
                                                               liente Bauweise. Nachhaltigkeit basiert also auf intelligenten und weitsichtigen Konzepten, die zwar ein
                                                               Umdenken in der Planung erfordern und die Kreativität jedes Einzelnen herausfordern, dafür aber indivi-
                                                               duelle und dennoch langlebige (Büro-)Räume schaffen, die das Leben von morgen positiv beeinflussen.
                                                               Gewiss: Die gestalterische Qualität muss unter dieser Prämisse neu bewertet werden. Eine ökologisch
                                                               sinnvolle Auswahl von Materialien, Produkten und raumbildenden Maßnahmen wird zunehmend das
                                                               Erscheinungsbild unserer Räume bestimmen und unser ästhetisches Empfinden damit nachhaltig durch-
           … sowie Orte der Begegnung und Kommunikation. • ... and places of encounter .   dringen. Denn wir werden verstärkt auf Vorhandenes zurückgreifen sowie unbehandelte Oberflächen und
                                                               leicht demontierbare Strukturen in die Gestaltung integrieren. Wir werden das Unvollständige oder Unper-
                                                               fekte akzeptieren und vor allem Arbeitswelten auch räumlich als „Work in Progress“ begreifen. Ästhetik
                                                               verändert sich, wenn sie recycelt wird! Wenn wir neue Wege einschlagen und alte Ansätze kritisch hin-
                                                               terfragen, lässt sich die Absicht der EU, die Treibhausemissionen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 eine
                                                               vollständige Kreislaufwirtschaft bzw. Klimaneutralität zu etablieren, noch erreichen. Das Ziel ist klar, den
                                                               Weg dorthin müssen wir selbst gestalten. Anfangen ließe sich beim reduzierten Energieverbrauch: Laut
                                                               iwd – Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft – könnten in Deutschland jährlich mehr
                                                               als 176.000 Tonnen CO  (das entspricht in etwa dem jährlichen CO -Fußabdruck von 21.800 Bundes-
                                                                              2
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                                                               bürger:innen) und rund 168 Millionen Euro eingespart werden, wenn in allen Bürogebäuden der sieben
                                                               größten Städte der Stromverbrauch um 6,5 Prozent gesenkt werden würde. Was den Schluss zulässt:
                                                               Nachhaltigkeit ist längst keine Option mehr, sondern eine dringende Notwendigkeit …
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