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Dr. Natascha Meuser Dr. Philipp Meuser
1987–91 Studium: Innenarchitektur, Rosenheim 1991–93 Architektur, Chi- 1991–96 Studium Architektur, Berlin/Zürich 2015 Diss. (Sowjet. Wohnungs-
cago 2000–2005 WiMi, TU Berlin 2016 Diss. (Zoobauten) 2020 Gründung bau) 2017 Bundesverdienstkreuz: baukultureller Austausch mit Osteuropa
Institut für Zooarchitektur 2016–2023 Professur Hochschule Anhalt, Dessau 2018 Ehrenprofessur, Charkiw 2022 Gastprofessur, Providence/Rhode Island
Das enorm breite Spektrum an Themen spiegelt am besten ein Blick auf die Homepage von DOM publishers wider. Diesen Monat wird „Geschichte und Theorie der Innenarchitektur – Von der Moderne bis heute“ erscheinen.
F rau Dr. Meuser und Herr Dr. Meuser, Sie betreiben als Architektenpaar in Berlin haben dieses Buchgenre weiterentwickelt. Über den jährlich erscheinenden Architektur-
Ihr gemeinsames Büro Meuser Architekten. Darüber hinaus sind Sie Verleger.
führer Deutschland hat der Spiegel mal geschrieben, das sei der Guide Michelin der deut-
2005 gründeten Sie DOM publishers. Wie und mit welchem Buch fing alles an? schen Architektur. Das hat uns in unserer Arbeit bestätigt.
Philipp Meuser (PM): Wir hatten Anfang der 2000er-Jahre mit dem Grafikbüro adler-
schmidt einen Wettbewerb für ein Leit- und Orientierungssystem für die staatlichen Bur- r In der Reihe Grundlagen geben Sie AutorInnen und NachwuchswissenschaftlerIn-
gen und Schlösser in Rheinland-Pfalz gewonnen. Da diese Gestaltungsaufgabe in nen die Möglichkeit, auf internationaler Ebene höchst diverse Themen zu Architektur
Deutschland vor 20 Jahren nur von wenigen Experten beherrscht wurde, war das Neu- und Städtebau in Buchform zu bringen. Was müssen ein Autor und ein Manuskript
land für uns. Die Recherche nach guten Beispielen gestaltete sich äußerst schwierig. Als „mitbringen“, um bei DOM publishers verlegt zu werden?
es in die Umsetzung ging, hatten wir ein ganzes Archiv der Signaletik aufgebaut. Da lag PM: Unsere AutorInnen müssen für ihr Thema brennen. Das ist eine wichtige Vorausset-
es auf der Hand, daraus ein Buch zu machen. Und das erfolgte im eigenen Verlag. zung, um einen akademischen Text zwischen zwei Buchdeckeln zu veröffentlichen. Leider
stellen wir fest, dass das Publizieren von Online-Titeln zu einer Verflachung der Inhalte
r Wie haben sich Verlag und Architekturbüro in der Folge parallel entwickelt? geführt hat. Den Wert eines gedruckten Buchs zu erkennen und dieses Buch auch wert-
Natascha Meuser (NM): Das gleichzeitige Arbeiten an Büchern und Planungsprojekten zuschätzen – dafür wollen wir mit unserem Verlag stehen. Wichtig ist aber auch, dass
befruchtet sich. Blicken wir heute zurück, so haben wir viele Bücher verlegt, die auch eine Buchidee thematisch in unser Verlagsprogramm passt. Oft schicken wir AutorInnen
unser architektonisches Werk dokumentieren – sei es ein Handbuch zum barrierefreien wieder weg, weil sie bei einem anderen Verlag mit ihrem Thema besser aufgehoben sind.
Bauen oder zahlreiche Publikationen zu Sicherheitsthemen in der Architektur. Da wir un-
sere Planungs- und Bauprojekte fast ausschließlich außerhalb von Europa abwickeln, r Wie schaffen Sie es, Ihre unterschiedlichen Aufgaben im Verlag, im Architekturbüro
haben wir uns immer wieder mit anderen Kulturkreisen befassen müssen. Dabei haben und Ihre Professuren zeitlich unter einen Hut zu bringen? Welche Synergien nutzen
wir oft erlebt, dass ein gedrucktes Buch als eine Art Türöffner für den Dialog mit anderen Sie, und wie viel Teampower steckt hinter Ihren beruflichen Aktivitäten?
Kollegen oder Auftraggebern dienen kann. Ehrlich gesagt unterscheiden wir bei unseren NM: Unsere Mission ist anspruchsvoll. Zu unserer Unternehmenskultur gehört es daher
Projekten nicht zwischen Bau- und Buchkunst. Wir denken Architektur ganzheitlich. von Anfang an, mit einem guten, engagierten, herausragenden Team zusammenzuarbei-
ten, das diesen Weg mit Überzeugung und Engagement gemeinsam mit uns geht. Einige
r Reisefreudige ArchitektInnen kennen Ihre schmalen monochromen Architekturfüh- MitarbeiterInnen begleiten uns bereits seit 15, manche sogar seit 20 Jahren. Wir vertrauen
rer, die vom Sauerland über Stockholm bis in die Sub-Sahara reichen. Mittlerweile einander, müssen nicht jeden Schritt dreimal diskutieren und delegieren Verantwortung.
gibt es über 200. Einer der jüngsten ist der mintfarbene „Architekturführer Deutsch- Anders geht es nicht. Nur so haben wir auch Zeit für eigene Forschungsthemen oder die
land 2023“. Was wollten Sie mit Ihrer Reihe anders machen? Lehre. Wir lieben, was wir tun. Das ist der Schlüssel zu vielen schönen Projekten.
PM: Das Reisen und das Sammeln von Artefakten liegen uns Architekten doch im Blut.
Wir sammeln, ordnen, setzen Dinge in einen Kontext. So entsteht ein Gebäudeentwurf. r Meuser Architekten hat sich auf „sondergeschützte Bauten im In- und Ausland“
Ein Architekturführer ist ein Abbild dessen. Die Autoren treffen eine Auswahl von typi- spezialisiert, darunter fallen allen voran Botschaften. Sie, Herr Dr. Meuser, haben ge-
schen Bauten einer Region, ordnen diese nach Chronologie, Typologie oder Geografie und meinsamen mit Jörn Düwel in „Architektur und Diplomatie“ die Geschichte der deut-
vermitteln in ihren Texten Hintergrundwissen. Wer sich mit unseren Architekturführern schen Diplomatie dokumentiert. Wie profitieren Theorie und Praxis voneinander?
auf den Weg macht, kann eine Stadt oder ein Land in all seinen baulichen Facetten ken- PM: Ja, dieses Buch ist vor drei Jahren erschienen und führt uns auch wieder zu den An-
nenlernen. Das gilt auch für Orte, die sich nicht oder derzeit nur mit hohem Risiko berei- fängen des Verlags. Über Botschaftsbauten gibt es kaum Übersichtswerke. Die Bauauf-
sen lassen: die Ukraine, der Iran, Pjöngjang. Im Verlagsprogramm finden Sie sogar einen gabe ist zwar selten, aber sie sagt viel über die internationalen Beziehungen der Staaten
Architekturführer Mond. Mit der Reihe wollten wir nichts Neues per se machen. Aber wir aus. Wenn Sie viele Jahre in Krisengebieten unterwegs sind und dort für ein bisschen
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