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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
ARCHITEKTURBÜRO BECHTER
IN HITTISAU
Entwurf • Design Georg Bechter Architektur + Design, AT-Hittisau
Äußerlich könnte man Georg Bechter für einen jungen Wilden aus der
Hauptstadt halten. Erst wenn man ihn und sein Werk besser kennt,
merkt man, wie tief er in der Region Vorarlberg verwurzelt ist. Sein
eigenes Architekturbüro fand nun im elterlichen Stall ein neues Zu-
hause. Die Baustoffe: Holz, Lehm, Stroh und Schafwolle. Nach der Be-
sichtigung, auch das typisch Bechter, gibt es einen Schnaps.
von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
N achhaltigkeit, Respekt gegenüber dem Bestehenden, globales Denken und lokales
Handeln: Das sind beliebte Schlagworte unserer Zeit – auch in der Architektur. Die
Umsetzung gelingt allerdings nur selten und nur wenigen Vertretern der Profession so
konsequent wie dem Hittisauer Architekten und Lichtdesigner Georg Bechter. Stichwort
lokal: Gerade einmal fünf Meter liegen das Zuhause seiner Kindheit und sein neues Büro-
und Werkstättengebäude auseinander. Es ist der alte Stall seines Vaters. Vor drei Jahren
standen darin noch Kühe, heute produziert Bechter hier Architektur und Leuchten für den
internationalen Markt. Seine Mutter wohnt noch nebenan. Mit Respekt, aber ohne fal-
sche Scheu hat sich Bechter den alten Stall angeeignet. Wo nötig, hat er die Fassaden
und das Dach geöffnet, im Großen und Ganzen aber das markante Volumen in der Land-
schaft unangetastet gelassen. Eine diagonal ausgerichtete Lattung steht stellvertretend
für den neuen Inhalt. Das Erdgeschoss und jeweils die Hälfte von Ober- und Dachge-
schoss sind dem Manufakturbetrieb von Bechters kleiner, feiner Leuchtenfirma vorbehal-
ten. Was hier produziert wird, erfreut sich bei Architekten und Innenarchitekten zuneh-
mender Beliebtheit. Nun haben Entwicklung, Produktion und Logistik unter einem Dach
Platz gefunden. Vertrieb und Verwaltung teilen sich die anschließenden Büroflächen mit
dem nicht weniger florierenden, auf kleine private Bauten in der Region spezialisierten
Architekturbetrieb. Insgesamt 15 Mitarbeiter arbeiten hier in familiärer Atmosphäre für
den einen oder den anderen Zweig zusammen. Die Arbeitsplätze verteilen sich über zwei
Ebenen, die durch große Lufträume miteinander verbunden sind. Die eingesetzten Ma-
terialien spiegeln wiederum Bechters Verständnis von Nachhaltigkeit wider: Gedämmt
sind die Räume mit Strohballen, die Wände verputzt mit Lehm aus der eigenen Bau-
grube, und auch der Fußboden ist nicht mehr als gestampfte Erde, geschliffen und ver-
feinert, bis eine Art „Lehmterrazzo“ entstand. Für eine gute Akustik sorgt eine Deckenbe-
plankung aus Schafwolle. Der schönste Raum: Ein zweigeschossiger Wintergarten, der
sich zur Landschaft öffnet und als Pausenraum und Büroküche dient.
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