Page 151 - AIT0419_E-Paper
P. 151
Entwurf • Design Going East, BE-Antwerpen
Bauherr • Client Fosbury & Sons, BE-Brüssel
Standort • Location BE-Watermael-Boitsfort
Nutzfläche • Floor space 7.000 m 2
Fotos • Photos Jeroen Verrecht
Mehr Informationen auf Seite • More information on page 166
Der Originalbestand bot viel Potenzial. • The original stock had a lot of potential. „Feel at home“: Wohnzimmeratmosphäre • “Feel at home”: living-room atmosphere
von • by Annette Weckesser
D er Firmenname Fosbury & Sons ist eine Hommage an Dick Fosbury. 1968 schen Architekten lud das MoMA Brodzki 1979 dazu ein, an der Ausstellung „Trans-
erzielte der US-amerikanische Hochspringer in Mexico City mit seinem selbst
formations in Modern Architecture“ teilzunehmen. Das neungeschossige Zwei-
entwickelten Fosbury Flop einen neuen olympischen Rekord. 2,24 Meter! So hoch Scheiben-Hochhaus ist eine Landmarke und steht am Sonienwald. Auf insgesamt
lag die Latte noch nie! Noch heute ist die von ihm entwickelte Technik in abgewan- 7.000 Quadratmetern, verteilt auf sieben der neun Geschosse, realisierten Going
delter Form Standard im Hochsprung. Analog zu diesem sportlichen Vorbild will East jetzt privat und gemeinschaftlich nutzbare Büros für Fosbury & Sons. Das von
Fosbury & Sons Unkonventionelles wagen und damit neue Wege in der Arbeitswelt den Innenarchitekten Anaïs Torfs und Michiel Mertens gegründete Büro griff in die
gehen. Der belgische Anbieter von Coworking Spaces und Served Offices hat sich vorhandene Bausubstanz so wenig wie möglich ein, denn Brodzkis Erbe brachte
intensiv mit dem Thema Arbeitsplatz auseinandergesetzt. Die drei Gründer Stijn einen beeeindruckenden Detailreichtum im Innenraum mit. Tische, Sideboards
Geeraets, Maarten Van Gool and Serge Hannecart gelangten zu dem Ergebnis, dass und Regale aus Holz bilden nun zusammen mit den fein strukturierten Betonober-
viele Büros immer noch der grauen, traditionellen Arbeitsatmosphäre der 1960er- flächen ein sehr hochwertiges Büroambiente. „Ausgereift und warm“, so das Kon-
Jahre verhaftet sind. Organisatorisch und atmosphärisch längst überholt und un- zept der Innenarchitekten. Über die zahlreichen hohen Fenstermodule dringt viel
produktiv seien diese, anstatt motivierend und inspirierend zu wirken. Und das, Licht in die Räume. Die Struktur und Körnung der Betons und die Maserungen des
obwohl für 78 Prozent der Millennials – geboren in den 1980er- und 1990er-Jahren Holzes kommen so bestens zur Geltung. Ingesamt herrscht eine sehr lichte, heitere
– die Qualität des Büros eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers Arbeitsatmosphäre.
spielt. Fosbury & Sons nennt Arbeits- und Lebensqualität in einem Atmenzug. Mit
seinen Service-Büros und Coworking Spaces in Antwerpen und Watermael-Boits- Privat, halbprivat, gemeinschaftlich
fort bei Brüssel verfolgt der Offfice-Anbieter das Ziel, für Einzelkämpfer, Start-ups,
Unternehmer sowie große und kleine Firmen eine „Renaissance der Arbeit“ zu Platz gibt es in Boitsfort-Watermael für 600 Mitarbeiter und 250 Firmen. Neben
schaffen. Wer Teil der F&S Community ist, profitiert von voll ausgestatteten Ar- den „Suites“, den privaten Büros, werden mit den „Ateliers“ gemeinsam nutzbare
beitsplätzen, kann auf Serviceleistungen zurückgreifen und an netzwerkinternen Büros angeboten. Gelegenheiten zum Treffen und Arbeiten in ungezwungener At-
Veranstaltungen teilnehmen. mosphäre bieten die Lobby mit Bar im Erdgeschoss, ein Restaurant sowie die Bar
Giorgio im 8. Obergeschoss mit Blick in den Wald. Auch Nicht-Mitglieder können
Büros in Brodzkis Beton-Brutalismus die 15 technisch voll ausgestatteten Besprechungszimmer, die Lobby als Eventbe-
reich oder das Auditorium mieten. Die Zusammenarbeit soll Synergieeffekte zwi-
Südlich von Brüssel, in der rund 25.000 Einwohner zählenden Gemeinde Water- schen den Nutzern herstellen, nicht nur durch das Arbeiten am selben Ort, son-
mael-Boitsfort, welche Teil der Brüsseler Hauptstadt-Region ist, entdeckte Fosbury dern auch durch soziale Events: Lesungen, Ausstellungen, Brainstormings, Wohn-
& Sons einen Altbau mit enorm viel Potenzial, nämlich den 1970 erbauten Haupt- zimmerkonzerte ... Eine Fosbury & Sons App soll die Vernetzung zudem erleich-
sitz des Zementherstellers CBR. Constantin Brodzki entwarf das skulpturale Büro- tern: Mitglieder kontaktieren, Räume buchen, das Menue und Veranstaltungen ein-
gebäude seinerzeit selbstredend in Beton. Charakteristisch sind die 756 plastisch sehen – all das soll mit der Netzwerk-App möglich sein. Der Komfort-Gedanke wird
modellierten Betonfertigteile der Fassade mit ihren großen abgerundeten Fenster- großgeschrieben! Deshalb gehören auch ein Shuttle-Service zum Flughafen, ein
elementen. Wellenförmig greifen die Module ineinander. Die Aura des Gebäudes Car-Pool und Pedelecs zum Mobilitäts- und Servicekonzept von Fosbury & Sons.
beruht auf ebendieser so simplen wie markanten Fassadenstruktur. Heute wirkt Offensichtlich haben die Macher den Büro-Zeitgeist getroffen. Die Nachfrage
die Bauskulptur noch immer so modern wie damals. Auch das New Yorker Mu- scheint gegeben zu sein. Das Konzept scheint aufzugehen. Noch in diesem Jahr
seum of Modern Art zeigte sich seinerzeit beeindruckt. Denn als einzigen belgi- wollen Fosbury & Sons zwei weitere Standorte in Brüssel eröffnen.
AIT 4.2019 • 151