Page 147 - AIT0419_E-Paper
P. 147
Entwurf • Design Atelier van Berlo, Eugelink Architectuur
Entwurf • Design De Bever Architecten
Standort • Location Zwaanstraat 31, NL-Eindhoven
Nutzfläche • Floor space 11.000 m 2
Fotos • Photos Tycho Merijn, NL-Eindhoven
Mehr Informationen auf Seite • More information on page 166
von • by Christine Schröder
E indhoven ist geprägt von Industriebauten, die das 1891 in der niederländi-
schen Stadt gegründete Unternehmen Philips ab 1916 für die Produktion von
Glühbirnen, Haushalts- und medizinischen Geräten errichtet hat. Mit der Verle-
gung des Hauptsitzes nach Amsterdam im Jahr 1997 begann auf dem ehemaligen
Fabrikgelände im Stadtteil Strijp unter dem Motto „Alte Gebäude, neue Ideen“ die
Ansiedlung von Unternehmen aus dem Kreativsektor. Darüber hinaus entsteht seit
2012 in Bestands-, aber auch Neubauten attraktiver Wohnraum, den ein vorwie-
gend junges Publikum bewohnt. Cafés, Restaurants, Geschäfte, Sportmöglichkei-
ten, Kinos, Galerien und Museen runden das Angebot in dem Viertel mit ausgewo-
gener Mischnutzung ab. Einer der letzten, noch nicht mit einer neuen Funktion be-
dachten Zeitzeugen war bis 2018 das weithin sichtbare, stillgelegte Kraftwerk des
Konzerns. Zwischen 1953 und 1972 in vier Stufen errichtet, versorgte der Bau das
gesamte Industrie-Areal bis in die 1990er-Jahre mit Strom – zunächst mithilfe von
Kohle, dann mit Gas und schließlich mit Öl. Auf der Suche nach neuen Räumlich-
keiten für seine stetig wachsende Innovationsagentur VanBerlo war der Designer
Ad van Berlo auf das markante Gebäude gestoßen. Bis dato dem Verfall geweiht
und bereits auf eine Liste abzureißender Bauten geraten, setzte van Berlo sich für
den Erhalt ein. Ganze zwei Jahre dauerte die Überzeugungsarbeit bei Entscheidern
und Behörden, bis schlussendlich die Genehmigung erfolgte. Ad van Berlo fand
einen Investor und die aufwendige Sanierung des mittlerweile unter Denkmal-
schutz gestellten Komplexes konnte beginnen. Janne van Berlo, Architektin aus
Rotterdam und Tochter des engagierten Initiators, wurde zusammen mit den orts-
ansässigen Architekturbüros Eugelink Architectuur und De Bever Architecten mit
der radikalen Umnutzung in ein modernes Multi-Tenant-Bürogebäude betraut.
Vom massiven Industriekomplex zur luftigen Bürowelt
Unter dem Kohleschacht finden heute Besprechungen statt. • Today meetings are held under the coal shaft
Weitere zwei Jahre dauerte es, bis der vorhandene Asbest komplett beseitigt war.
In der zentralen Erschließung treffen alle Mieter zusammen. • All the tenants meet in the central access zone.
Es folgte die eingehende Analyse der bis dato ungedämmten Fassade aus Klinker
und Beton. Jede Wand wurde dabei einzeln betrachtet und jeweils auf der weniger
erhaltenswerten Seite mit einer Dämmung versehen – mal von innen, mal von
außen und immer mit möglichst wenig Veränderung des Vorgefundenen. Zudem
erfolgten ein optisch originalgetreuer, technisch allerdings aktualisierter Tausch
der Verglasung, eine Dämmung des Daches und darauf kaum sichtbar angebrachte
Sonnenkollektoren, wodurch das Gebäude heute die zukunftsweisende Energie -
effizienzklasse A+ erreicht. Der alles überragende, 28 Meter hohe und fünf Meter
schmale Mittel bau, über den die Kohle einst ins Innere gelangte, war aufgrund der
sich damals schon rasant ändernden Technik nie ganz fertiggestellt worden. Das
Architekten-Team vollendete die ursprüngliche Planung nun mittels einer offenen
Stahlkonstruktion und stellte so Jahrzehnte später die von Anfang an gewünschte
Symmetrie her. Darin eingehängt sind neben einem vertikalen Garten eine Flucht-
treppe, gläserne Besprechungsräume und ein ebenfalls gläserner Aufzug. Ganz
oben auf dem Dach markiert der leuchtende Schriftzug „Innovation Powerhouse“
schon von Weitem den Einzug der neuen Nutzung. Die Innenräume mit roh belas-
senem Beton, frei liegenden Doppel-T-Trägern und hohen Räumen sind geprägt
vom Flair der industriellen Vergangenheit. Innerhalb dieser Struktur finden die
kreativen Mieter seit Kurzem großzügige Flächen für ein zeitgemäßes und kommu-
nikatives Arbeiten. Über die gesamte Länge hinweg verläuft im Erdgeschoss
ebenso wie auf den beiden Ebenen darüber eine zentrale Erschließungsachse, auf
der sich die 14 Mietparteien täglich ganz automatisch begegnen. Die einfache We-
geführung, eine farbenfrohe Möblierung und den Grundriss formende Holzkuben
fördern den Austausch untereinander und verwandeln das Haus zugleich in eine
pulsierende Arbeitswelt. Deckendurchbrüche in den beiden oberen Geschossen er-
zeugen in diesem Bereich einmal mehr das Gefühl von Großzügigkeit und gewäh-
ren Blickbezüge über die Ebenen hinweg. Neu eingebrachte Oberlichter, die als
AIT 4.2019 • 147