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Oliver Mack                                                   Jürgen Hess


                1967 geboren in Sindelfingen 1994–1999 Architekturstudium an der Uni Stuttgart 1993–1994 Illinois Institute of  1963 geboren in Reutlingen 1984–1991 Architekturstudium Uni Stuttgart 1991–1998 Mitarbeit bei Arat-Kaiser-Kaiser,
                Technology, Chicago 1989–2000 Mitarbeit in Stuttgart bei ap plan, Brenner & Partner, Bendele & Hess, Atelier  Stuttgart und Brenner & Partner, Stuttgart seit 1998 eigenes Büro in Stuttgart 2003–2009 Arge bizer-herker-hess-mel-
                Brückner; Asymptote, New York und Krueck & Sexton, Chicago 2000 Gründung Architekturbüro Space4 in Stuttgart   ber, Stuttgart 1995–2010 Lehraufträge an der Uni Stuttgart und Uni Mainz seit 2013 Geschäftsführer Space4 GmbH




































                Entspanntes Gleiten zum Haberkasten in Mühldorf. • Relaxed gliding along to the Haberkasten in Mühldorf.  Zu viele verschiedene Oberflächen – less is more. • Too many different surfaces – less is more.


                A   llein im Auto, es ist neblig, wenig Verkehr rollt über die A8, also habe ich auf meiner  Auto mit einer radarartigen Einparkhilfe. Drohnen  gleich  zeigt mir der Around  View
                    ersten Fahrt mit dem Nissan X-Trail Zeit, über unsere kommenden Projekte nachzu-
                                                                              Monitor das Fahrzeug samt seiner Umgebung  von oben, auf den Automodus beim
                denken. Es geht nach Bayern zu unserer jüngst eröffneten Ausstellung „Alltag, Rüstung,  Einparken verzichte ich. Aber ich weiß, wenn es mal ganz eng wird, werde ich die Hände
                Vernichtung – Der Landkreis Mühldorf im Nationalsozialismus“ im Haberkasten in Mühl -  in den Schoß legen und zusehen, wie der Automodus mich in die Parklücke manövriert.
                dorf am Inn. 300 Quadratmeter Fläche bespielen  wir, die Ausstellungsmacher  von  Spätnachmittag, Nordring München, der übliche Stau. Beim andauernden Stop-and-go
                Space4, in diesem mittelalterlichen Getreidespeicher. Wir arbeiten in ganz Deutschland.  wünsche ich mir, ich hätte die Variante mit Automatik getriebe im Test! Zurück in Stuttgart
                Nach Frankfurt, München oder Basel kommt man schnell und bequem mit dem Zug,  hat mich der Stau eine halbe Stunde gekostet. Mit sechseinhalb Stunden Fahrzeit ist das
                nach Berlin mit dem Flugzeug. Bei Projekten im ländlichen Bayern sieht das schon anders  aber immer noch weniger als die schnellste Bahnverbindung.   Oliver Mack
                aus: Nach Mühldorf benötigt man mit dem Zug vier bis fünf Stunden. Da machen Hin-
                und Rückfahrt schon einen ganzen Arbeitstag aus, ohne dass man vor Ort etwas getan  Tag zwei: Work-Life-Drive-Balance
                hätte. Mit dem Auto ist die Strecke deutlich schneller zu bewältigen. Fährt man allein,
                kann man zwar nicht arbeiten wie im Zug, notwendige Telefonate aber lassen sich mit  Heute geht die Fahrt nach Bad Königshofen im Grabfeld, einer Kurstadt im Unter fränki -
                der leicht zu bedienenden Freisprecheinheit im Nissan X-Trail angenehm erledigen.   schen. Dort steht ein Termin beim archäologischen Zweigmuseum in der Alten Schranne
                                                                              auf dem Programm. Danach muss ich weiter Richtung Süden: In Kempten im Allgäu reali -
                Tag eins: Nicht die besten Voraussetzungen für eine Testfahrt  siert Space4 im Zumsteinhaus, einer Villa aus dem Jahr 1802, den Umbau zu einem mo -
                                                                              der nen Museum über die Stadtgeschichte. Mit dem X-Trail sollte die anfallende „Fahr -
                Hoppla! Mitten im Gespräch gerate ich zu dicht an den Mittelstreifen: „Piep“, macht mich  arbeit“ einfach und leicht werden, denn alle erdenklichen technologischen Helferlein
                ein Warnton darauf aufmerksam. Mit einem stillen Dankeschön lenke ich den Wagen  gehen mit auf die Reise: vom Tempomat über den „Totwinkel-Assistenten“ (was für ein
                zurück auf meine Spur. Nach einiger Zeit jedoch erlahmt mein Dank: Das Sicher heits -  Name!) bis zur automatischen Erkennung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Dieses
                feature wirkt nun wie eine Art Fahrschule. Hinter Ulm sind die wichtigsten Gespräche  besondere Feature lässt sich durch einen Warnton noch verstärken: „Piep!“ Schade, dass
                geführt, nun habe ich Muse, mir das Interieur genauer anzuschauen. Der X-Trail bietet  der kleine Bordcomputer nicht auch noch die Blitzer erkennt und bremst, bevor das Foto
                ausreichend Platz, bequeme Sitze und seine technische Ausstattung lässt keine Wünsche  im Kasten ist. Auf der Strecke von Bad Königshofen in Richtung Großeibstadt ist das
                offen: Übersichtliche Armaturen, Multifunktionslenkrad, ein Navigations- und Multi -  Fahren so schön, dass ich sofort auf freier Strecke anhalten, den gläsernen Dachhimmel
                media interface. Die dezent graue Innenausstattung krönt ein heller Himmel mit  öffnen, die Musik aufdrehen, sitzen bleiben und den Rest des Tages freinehmen möchte.
                Panoramadach. Als Architekt muss ich jedoch genauer hinsehen, schließlich ist es mein  Das Panoramadach wirkt enorm. Schade, dass man als Fahrer nicht in den Himmel guc -
                Metier, auf Formensprache und Materia lität zu achten. Ich finde mehr als fünf Kunststoffe,  ken darf. Als ich nach diesem Arbeitstag müde nach Hause lenke, erinnert mich der se -
                die sich in Struktur, Farbe und Haptik wesentlich unterscheiden – zu viel des Guten.  gens reiche Spurwarner des Öfteren daran, den Randstreifen der dunklen Landstraße zu
                Schwungvolle Linien und  verschiedene Oberflächen  verschneiden sich  zu einem  respektieren. Mit beiden Händen am Steuer informiere ich meine Lieben via Freisprech -
                „übergestalteten“,  verspielten und stellenweise klobigen Cockpit – die Harmonie bleibt  einrichtung über meine nahende Heimkehr: Mein Smartphone ließ sich per Bluetooth
                dabei auf der Strecke. Auf dem letz ten Stück, der B12, zuckele ich einer nicht enden wol-  problemlos an das Navigationssystem des X-Trail koppeln. Was früher im Straßengraben
                lenden Schlange von LKWs hinterher. Trotzdem komme ich entspannt und rechtzeitig  geendet hätte, führt heute dank neuer Technologie dazu, dass ich am nächsten Morgen
                nach drei Stunden in Mühldorf an. Dort verblüfft mich das hohe, hinten unübersichtliche  wohlbehalten an meinen Schreibtisch zurückkehre.  Jürgen Hess



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