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BDIA im
Gespräch mit:
Jeanette Seltmann,
BDIA Sachsen/Sachsen-
Anhalt
Wendisch wird zum Vorsitzenden BDIA-DDR gewählt und Gedanken nicht beim BDIA, sondern in der großen weiten Sie haben 1988 das Diplom an der Bauhaus-
beantragt am 11. Mai 1990 die Mitgliedschaft. Welt: Paris, London, Rom, Barcelona, New York! Doch Universität Weimar gemacht. Ihr erster Job?
Im Jahr 1990 wurden in der DDR die einzelnen bald suchte ich den Kontakt zum BDIA und der Anlass war Direkt nach dem Studium habe ich beim VEB Innen-
Landesverbände gegründet. Vom BDIA West gab es eine sehr pragmatisch und mir damals sogar etwas unange- projekt Halle, Außenstelle Karl-Marx-Stadt gearbei-
breite Unterstützung, es wurden Länderpartnerschaften nehm: Ich wollte zur imm nach Köln fahren, konnte mir tet. Ich war dort bis 1990 als Innenarchitektin tätig.
ins Leben gerufen und es gab fruchtbare Kontakte unter aber die sündhaft teure Eintrittskarte nicht leisten. Von Die wichtigste Erkenntnis aus Ihrer Ausbildung?
den Hochschulen. Die Bundesgeschäftsstelle und das meinem volkseigenen Telefon rief ich beim BDIA in Bonn Mein Studium an der Bauhaus-Universität Weimar
Präsidium waren gefragte Gesprächspartner. 1990 kam an, perplex und hocherfreut, als sich freudig Frau Priesnitz war eine sehr schöne, interessante Zeit, die mein
dann die offizielle Wiedervereinigung und es gab nur noch meldete. Schnell lag eine Messekarte für mich bereit, so Leben in jeder Hinsicht geprägt hat. Dazu gehört
einen BDIA Bund mit seinen starken Landesverbänden. einfach war das alles geworden. neben der großen Lust an Kreativität auch die
Im April 1991 fand in Heiligendamm der Fachbereichstag Danach hat mich der BDIA nicht mehr losgelassen (ich bin Erkenntnis, dass gute Architektur mehr als 8 Stun-
mit den Vertretern der Hochschulen statt. Wir konnten uns ein treuer Mensch). Eine turbulente Zeit begann. So vieles den Arbeit am Tag erfordert. Nach 25 Jahren
von der Qualität und inhaltlichen Breite der Ausbildung prasselte auf mich ein. Kollegen auf Joint Venture-Tour, die Berufserfahrung kann ich sagen, dass ich sehr froh
vor Ort überzeugen. Der BDIA unterstützte intensiv die Mahnung von Westen Richtung Osten, Regularien zu bin, mein Studium als Diplom-Architektin abge-
Bemühungen zum Erhalt dieser Ausbildungsstätte. Es schaffen, die Würze der Freiheit und die schleichende schlossen zu haben. Architektur und Innenarchi-
muss hier mein Vorgänger im Amt, Prof. Klaus-Peter Görge, Gewissheit, künftig für alles selbst verantwortlich zu sein, tektur kann man nicht trennen.
erwähnt werden, der 1991 als Professor nach Heiligen- alles selbst in der Hand zu haben. Aufregende Zeiten für Wie haben Sie den 9. November 1989 und die
damm ging und wesentlich zum Erhalt der Ausbildung eine Frau der Tat! Wenn schon Regularien, dann nur durch Tage danach erlebt?
Innenarchitektur an dieser Hochschule beigetragen hat. Mitgestaltung. Natürlich war ich Gründungsmitglied des Die Nachricht vom Mauerfall habe ich durch die
Im November 1991 gab es dann im geschichtsträchtigen BDIA Ost 1990 in Berlin und der Architektenkammer Thü- Tagesschau erhalten. Richtig realisiert hat man es
Bauhaus in Dessau die erste gesamtdeutsche Bundesmit- ringen. Für die Gründung des Landesverbandes Thüringen erst in den darauffolgenden Tagen. Ein weiteres
gliederversammlung. Für mich eine der beeindruckend- kam Rüstzeug aus Bonn und Hessen. Die Landesvor- wundervolles Ereignis: am 13. November 1989
sten Versammlungen, die ich beim BDIA erlebt habe. Vor sitzende Erika Schubert kam nach Weimar angereist zur wurde mein Sohn geboren.
25 Jahren! Unterstützung. Charismatische Persönlichkeiten wie Lisa Wann hatten Sie die ersten Kontakte zum BDIA?
Winkler oder Prof. Carl Holste ließen keinen Zweifel, wie Ich besitze noch die Vorläufige Mitgliedskarte – Nr.
wichtig wir Innenarchitekt/innen aus dem Osten für den 104 vom 10.09.1990, also müssen 1990 die ersten
Aufregende Zeiten für eine Frau der Tat BDIA sind. Nein, es waren nicht die materiellen Vorteile Kontakte geknüpft worden sein.
Jutta Kehr, Landesvorsitzende Thüringen 1992 und wie kostenlose Zeitungen, Handbuch oder Messekarten, Wer hat Sie als Vorbild inspiriert?
2000 - 2003, BDIA Vizepräsidentin 2003 - 2011. die den BDIA wichtig für mich machten. Es waren das Die großen Bauhausmeister Walter Gropius, Le
Miteinander und die Kraft des Verbandes, wichtige Corbusier und natürlich Mies van der Rohe, die wich-
1989 – Innenarchitektin in der DDR: Ich arbeitete als Weichen für den Berufsstand zu stellen. Seit 2011 ist im tigsten Vertreter der Moderne und Großmeister der
Innenarchitektin in einem VEB Kombinat, dessen Tätig- Präsidium der Osten leider nicht mehr vertreten (und kei- Proportionen, die mit ihrer zeitlosen, unaufgeregten
keitsfeld Handel und Einrichtung mit Geräten für Groß- ner hat protestiert). Ist also zusammengewachsen, was Formensprache die Gebäude auch zur Natur öffneten.
küchen und Läden war. Auf dem „Nebengleis“ wurden zusammengehört? Welche Aufgabe hat Sie zuletzt begeistert?
von Innenarchitekt/innen Gasträume, Hotels und Läden Jedes Bauobjekt begeistert. Erst ist die neue
gestaltet. Ich hatte die höchste Designauszeichnung der Bauaufgabe fremd, aber je tiefer man in die
DDR bekommen und fiel dann tief „zur Bewährung in der Aufgabe eindringt und Lösungen sucht, desto mehr
Produktion“, weil ich mich der Partei verweigerte. baut man Beziehungen auf, begeistert sich und
Die Zentralisierung nach Berlin der 1980er förderte in der kann am Ende manchmal nicht mehr loslassen.
DDR die Akzeptanz der Innenarchitektur. In Berlin wollte Welchen Ort haben Sie im letzten Jahr für sich
man Metropole sein, sich mit der großen Welt vergleichen. entdeckt?
Wir Innenarchitekt/innen erlebten eine kreative Zeit. Kopenhagen! Eine grüne, entspannte Stadt mit pul-
Manches war möglich, der Mangel nicht immer spürbar, sierendem Leben, hervorragender neuer Architek-
die Ergebnisse durchaus interessant. Kurioserweise durfte tur, unaufgeregtem jungem Design und super-
ich westliche Fachzeitschriften lesen, um den internatio- Am 29. April 2016 ab 18 Uhr lädt der BDIA herzlich nach freundlichen Menschen.
nalen Designstand zu kennen. Hin und wieder fand ich Berlin ein: 25 Jahre gemeinsames Engagement für die Warum engagieren Sie sich als Mitglied im BDIA?
eine interessante Notiz über den BDIA. In der DDR waren Innenarchitektur: Neuaufstellung des BDIA Ost & West. Die Vertretung unserer Interessen ist wichtig, eben-
mit bester gegenseitiger Akzeptanz alle Fachrichtungen im Mit der Wiedervereinigung Deutschlands bot sich auch so die Unterstützung bei konkreten Problemen. Und
BdA, dem Bund deutscher Architekten DDR, vereint. den Innenarchitektinnen und Innenarchitekten der ehe- der Erfahrungsaustausch mit Kollegen ist unver-
1989 – die friedliche Revolution: Sie überraschte mich im maligen BRD und DDR die Chance, gemeinsame Werte zichtbar.
Schlaf. Nach einer eiskalten Donnerstagsdemo endete und Ziele zu definieren, sich ab 1991 in einem Verband zu
mein Tag bei heißem Tee ohne Nachrichten. Als ich mor- organisieren und die Interessen des Berufsstandes zu ver- Jeanette Seltmann ist Innenarchitektin und seit 1991 Mitglied im BDIA.
gens von der Grenzöffnung erfuhr, waren meine treten. www.bdia.de
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