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Entwurf • Design Marge Arkitekter, SE-Stockholm
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                                                                              Standort • Location Klostergatan 2, SE-Jönköping
                                                                              Fertigstellung • Completion September 2014
                                                                              Nutzfläche • Floor space 670 m 2
                                                                              Fotos • Photos Johan Fowelin, SE-Stockholm





































                An den Vorführraum schließen sich Sitzterrassen an. • Seating steps are next to the projection room.  Blau bestimmt den Konferenzraum auf der oberen Etage. • The colour blue dominates the conference room.

                von • by Vera Cramer
                S  chon im frühen Mittelalter war die schwedische Stadt Jönköping am Vättersee  Glas. Dadurch haben die Angestellten der Verwaltung genügend Privatsphäre und
                                                                              sind keiner störenden Geräuschkulisse ausgesetzt; dennoch bleibt die offene, zusam-
                   aufgrund ihrer  zentralen Lage  zwischen Stockholm, Göteborg und Malmö ein
                wichtiger Marktort und Treffpunkt für Reisende aus allen Teilen des Landes. Mit ihrer  menhängende Arbeits um gebung erhalten. So war es außerdem möglich, noch mehr
                Zündholzindustrie erlangte sie Jahrhunderte später international Bekanntheit: 1844  Tageslicht in den Atelierraum zu bringen – ergänzend zu den Oberlichtern gegenüber
                ersetzten die schwedischen Chemiker Gustaf Erik Pasch und Karl Frantz Lundström  der Empore, die durch ihren steilen Lichteinfall den Backsteinoberflächen der Wände
                den gesundheitsschädlichen  weißen Phosphor erstmals  vollständig durch roten  eine ungewöhnliche räumliche Tiefe verleihen. Im ehemaligen Kirchen schiff genießen
                Phosphor und schufen damit die Grund lage für die heutigen Sicherheitsstreichhölzer.  die mehr als 30 Angestellten ein lichtdurchflutetes Arbeitsumfeld, das Großzügigkeit
                Mitten in der Innenstadt von Jönköping errichtete der schwedische Architekt Hans-  vermittelt und der Werbeagentur einen ganz eigenen Charakter verleiht.
                Ancker Holst in den 1960er-Jahren eine Kirche für die Heilsarmee. Seitdem hat das
                Gebäude nie seine Nutzung oder seinen Besitzer gewechselt – bis jetzt: Denn während  Akustische Herausforderungen
                die christliche Freikirche ihren Standort verkleinerte, benötigte die in Jönköping an -
                sässige Werbeagentur NY Reklambyrå dringend neue Räumlichkeiten, da ihr altes  Hinsichtlich der Akustik stellte der Umbau der Kirche die Architektinnen allerdings
                Büro mittlerweile zu klein geworden war. In der ehemaligen Kirche wurde sie fündig.  vor sehr spezifische Herausforderun gen. Da der Nachhall in der großen Halle verrin-
                                                                              gert werden sollte, um eine angenehme, offene Büroatmosphäre möglich zu machen,
                Atelier im ehemaligen Kirchenschiff                           kam Akustikputz zum Einsatz. Weitere schallabsorbierende Elemente wurden an der
                                                                              Decke angebracht und liegen nun hinter Streckmetallgittern aus Messing verborgen.
                Dem Umbau des Gebäudes nahmen sich die vier Architektinnen von Marge Arkitekter  Auch die mit Stoff bezogenen Sitzterrassen, die das Erdgeschoss und das Oberge -
                aus Stockholm an. Pye Aurell Ehrström, Katarina Grundsell, Louise Masreliez und Su -  schoss miteinander verbinden und zum lockeren Zusammensitzen, für Vorträge oder
                sanne Ramel verwandelten die Kirche in ein modernes und funktionales Büro – ohne  Filmvorfüh rungen genutzt werden können, tragen zu einer angenehmen Akustik bei.
                dass dabei die besonderen räumlichen Qualitäten beeinträchtigt wurden. Eine große  Die prägende Materialität sollte durch den Umbau nicht überdeckt, sondern betont
                Glasfläche mit weißem Backsteinrahmen dominiert die Fassade, deren unterer Teil  und durch passende Ergänzungen erweitert werden. In der ehemaligen Kirchenhalle
                mit dem Haupt eingang gegenüber dem oberen leicht zurückversetzt ist. Indem die  erinnert der charakteristische Holzboden mit seinem ungewöhnlichen Verlegemuster,
                massiven Eingangs türen verglasten Türen mit Holz rahmen wichen, wurde der niedrige  das von Messingstreifen umrandet ist, an die Gestaltung öffentlicher Plätze – natürlich
                Vorraum zu einer hellen Lobby, in der die Kunden empfangen werden und sich war-  im kleinen Maßstab. Manche der Backsteinober flächen wurden roh belassen, an an -
                tende Besucher die Zeit vertreiben können. An den Wartebereich schließt eine Tee -  deren Stellen wurden sie weiß gestrichen. Den Konferenzräumen ist jeweils eine eige-
                küche an. Aufgrund der niedrigen Deckenhöhe des Vorraums wirkt der nächste Raum  ne, aus den 1960er-Jahren inspirierte Farbe zugeordnet, die die Tex tilien, Teppiche
                umso eindrucksvoller: Im ehemaligen Kirchenschiff, das sich über zwei Ebenen er -  und Stoff bezüge der Möbel bestimmt. Eine Wandgestaltung im Aufenthaltsraum der
                streckt, findet ein Atelier mit bis zu 26 Schreibtischen Platz. Um möglichst viel natür-  Mitar bei ter im ausgebauten Unterge schoss  vereint sämtliche Farben. Neben den
                liches Licht ins Innere zu bringen, wurde die Mauer zwischen dem früheren Kirchen -  Bereichen für das Personal befinden sich dort auch das Fotostudio und das Archiv.
                schiff und dem Vorraum entfernt und durch eine Glas wand ersetzt. Auch die Wand,  Angeregt von einem außergewöhnlichen Arbeitsumfeld, können die Angestellten ihrer
                die das darüberliegende Halbgeschoss von der großen Halle trennt, besteht nun aus  Kreativität auf insgesamt 670 Quadratmetern freien Lauf lassen!



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