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WOHNEN • LIVING LITERATUR • LITERATURE
           LITERATUR








            AKTUELLE TITEL RUND UM DAS THEMA WOHNEN UND WOHNUNGSBAU


































            Wohnquartiere in Venedig                 Das Einfamilienhaus                      Soziales Bauen und Wohnen


            Wer abseits des touristischen Massenrummels und der  Die beliebteste private Wohnform ist immer noch das Ein-  Von Bodenspekulation und Mietenexplosion bis hin zu Kli-
            einschlägigen Reiseführer-Attraktionen ein Stück Alltag in  familienhaus. Es entstand als Arbeiterhaus im 19. Jahrhun-  mawandel und sozialer Ungleichheit: In einer Zeit sich
            Venedig erleben will, dem seien die Wohnquartiere emp-  dert und erlebte seine erste Blütezeit in den 1970er-Jahren.  überlagernder Krisen ist es notwendiger denn je, unsere
            fohlen, die zwischen 1919 und 1939 auf Initiative des ICAP,  Bauwirtschaft, LandbesitzerInnen und Gemeinden profi-  Art zu wohnen und zu teilen sowie das Eigentum an
            des Autonomen Instituts für Sozialen Wohnungsbau, in  tieren seither vom privaten Bauboom, allerdings wurde  Grund und Boden neu zu denken. Social-Ecological Co-
            der Lagunenstadt entstanden sind. Alexander Fichte hat in  dabei zumeist die Raumplanung missachtet. Die Konse-  operative Housing aus dem Jovis Verlag stellt wegwei-
            seinem Promotionsprojekt acht Quartiere an der „internen  quenz: zersiedelte Agglomerationen mit geringer Dichte.  sende genossenschaftliche Wohnprojekte in Basel, Berlin,
            Peripherie“, am Rande der Inseln, analysiert und doku-  Ein Zustand, der angesichts steigender Bodenpreise und  Wien und Zürich vor. Die porträtierten Initiativen und al-
            mentiert. Entstanden sind diese auf Flächen, die durch die  städtischer Verdichtung nicht mehr haltbar ist. Die Kosten  ternativen Eigentumsmodelle zeigen das Potenzial ge-
            Verlagerung der Industrie auf das Festland ab 1917 frei ge-  für den Bau und den Erhalt dieser Infrastrukturen stellen  meinschaftlicher Praktiken für eine notwendige sozial-
            worden waren. Durch eine Neuausrichtung der Sozialen  eine hohe Belastung für die Gemeinden dar. Hinzu  ökologische Transformation des Bauens und Wohnens
            Wohnungsbaupolitik rückten zwischen den Weltkriegen  kommt, dass durch den sukzessiven Wegzug der „Baby-  auf. Das zweisprachige E-Book – auf Deutsch und Eng-
            neben Hygiene und Wirtschaftlichkeit auch Ästhetik sowie  boomer“ auch zunehmend Leerstände entstehen. Dieses  lisch – zeigt auf, dass das Hauptaugenmerk für die Ent-
            private und öffentliche Außenräume in den Fokus der Pla-  neue Buch aus der Schweiz geht systematisch der Frage  wicklung nachhaltigerer Wohnformen nicht auf einer Effi-
            nungen. Wer sich von den außerordentlichen Qualitäten  nach, wie das Einfamilienhaus auch in Zukunft attraktiv  zienzsteigerung liegen sollte, sondern auf der Suffizienz in
            der Quartiere überzeugen will, streift am besten selbst –  für junge BewohnerInnen bleiben kann und bestehende  der Art und Weise, wie wir miteinander teilen, leben und
            wir haben es ausprobiert! – durch die Viertel. Fotos und  Einfamilienhaussiedlungen wieder fit werden für eine  arbeiten. Transformative Strategien und die Qualität des
            Pläne im Buch erleichtern die Orientierung. Interessant ist  nachhaltige zukünftige Nutzung. Der Autor Stefan Hartman  Wohnens und Lebens haben Vorrang vor Quantität und
            der Mix an Typologien – offene Blockrandbebauungen, Zei-  arbeitet hierzu die Entwicklung des Einfamilienhauses  Wachstum. Als interaktives E-Book ermöglicht das Buch
            len und Punkthäuser, im Einklang mit der „forma urbis“,  chronologisch heraus. Er beginnt mit den gesellschaftlich-  seinen LeserInnen außerdem, einzelne Themen je nach
            Venedigs einzigartiger urbaner Gestalt. Mit ihren Gassen  geschichtlichen Hintergründen, beleuchtet die erste Hoch-  Interesse zu vertiefen und zu erforschen, und regt damit
            und Plätzen sorgen San Giacomo auf der Insel Giudecca,  phase in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wid-  auch zum eigenen Handeln an. Interne Links helfen dabei,
            Sant’Elena samt seinem Lagunenpark nahe der Giardini  met sich schließlich der heutigen Situation der Wohnform  innerhalb des Buches zu navigieren und thematischen
            oder Madonna dell’Orto im Stadtteil Cannaregio für  „in der Sackgasse“. Abschließend zeigt Hartmann Nut-  Fäden zu folgen; externe Links führen zu zusätzlichen Res-
            Wohnqualitäten, die noch heute Inspirationen für mo-  zungsstrategien auf, wie bestehende Quartiere erhalten,  sourcen außerhalb des Buches, seien es Websites, Videos,
            derne, selbstredend autofreie Quartiere bieten können. wa  saniert und maßvoll nachverdichtet werden können. kk  Audiobeiträge oder biografische Informationen.  sf

            Städtische Wohnquartiere in Venedig (1919–1939)  (K)ein Idyll – Das Einfamilienhaus. Eine Wohnform in der Sackgasse  Social-Ecological Cooperative Housing
            Von Alexander Fichte.                    Von Stefan Hartmann. Mit einem Fotoessay von Reto Schlatter.  Von id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit
            Erschienen 2022 im Verlag Jovis, Berlin.  Erschienen 2020 im Verlag Triest, Zürich.  Erschienen 2022 im Verlag Jovis, Berlin.
            Deutsch. 192 Seiten. Softcover. Format: 16,5 × 22,0 cm. 35,00 EUR.  Deutsch. 176 Seiten. Softcover. Format: 20,0 × 27,0 cm. 39,00 EUR.  Deutsch/Englisch. 350 Seiten. E-Book. 32,00 EUR.
            ISBN 978-3-86859-752-3                   ISBN 978-3-03863-026-5                   ISBN 978-3-86859-835-3

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