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Biala, New Delhi
von • by Gustav Willeit
www.guworld.com
Große städtische Strukturen können Menschen klein machen. Der
Fotokünstler Gustav Willeit weist ihnen daher einen bedeutenden
Platz im Zentrum unendlicher Monsterarchitekturen zu. Die sind
zwar keine real bestehenden Gebäude, sondern Fotomontagen
von scheinbar endlos aneinandergereihten Fassadenaufnahmen
aus aller Welt, stehen aber sinnbildlich für die oftmals
ernüchternde Symmetrie und Monotonie einer global gültigen
„Weltarchitektur“. Indem Willeit die anonymen Einzelfiguren im
exakten Schnittpunkt der Bilddiagonalen platziert, werden sie zu
heroischen Protagonisten eines menschenfeindlichen Settings. Als
winzige Punkte oder rote Flecken scheinen sie die gleichförmige
Masse eines dimensionslos hochskalierten Bauwerks empfindlich
zu stören – und ein Fünkchen Leben in das schnöde Raster der see-
lenlosen Szenerie zu bringen. Das unterscheidet die Werke der
Serie „Biala“ – hier sowie auf den Seiten 28 und 29 sowie 44 und
45 zu sehen – von Willeits Reihe „Gras“, die auch schon große Fas-
sadenabwicklungen mit ornamentaler Qualität und rhythmisch
wiederholten Mustern aus Formen und Farben inszenierte. Beide
Serien erinnern an die extrem großformatigen Fassadenporträts
des Leipziger Fotografen Andreas Gursky. Willeits Architekturbetra-
chtungen sind ebenfalls meist dem Städtischen entnommen und
heben eine geometrische Leitlinie hervor. Seine poetische Sicht auf
die Welt bringt der in Bruneck in Südtirol geborene Künstler
außerdem noch in Form von feinsinnigen und wohl komponierten
Naturdarstellungen zum Ausdruck. Nach einem Studium an der
F+F Schule für Kunst und Design in Zürich sowie mehrjäriger
Tätigkeit als Assistenz in verschiedenen Studios arbeitet Willeit
heute als freischaffender Fotograf in Zürich und Corvara.