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Welche Motivation stand dahinter, für die-  desverbänden an. Wie unterstützen wir die   NN: Ein weiteres Thema ist KI. Bei allem, was
                       ses Amt zu kandidieren?              Aktivitäten auf regionaler Ebene, dass viele   KI leisten kann, darf nicht der Faktor Mensch
                       CW: Uns alle verbindet die Leidenschaft für   Leute auf uns aufmerksam werden? Diese   außer Acht gelassen werden. Die psycholo-
                       Innenarchitektur. Aber uns bewegen auch   Landesverbandsarbeit ist unser Herz und   gische Komponente unserer Arbeit wird oft
                       die  verschiedensten  Fragestellungen:  Wie   Kerngeschäft.              vergessen: das Verständnis dafür, was wir
                       kann man die Innenarchitektur in den Köp-                                mit unserer Gestaltung an Emotionen in
                       fen  vieler Protagonisten der Baubranche   Die  Arbeit im Ehrenamt ist für den bdia   anderen Menschen wecken können.
                       und der Gesellschaft verankern? Wie positi-  sehr  wichtig und ein Grundpfeiler seiner   GH:  Es  geht  darum,  das  Bewusstsein  für
                       onieren wir uns zu gesellschaftsrelevanten   Existenz. Wie können wir junge Mitglieder   die positiven Auswirkungen der Innenraum-
                       Themen? Wie kann man Innenarchitektur   in Zukunft dazu motivieren, sich ehrenamt-  gestaltung in der Gesellschaft zu schaffen.
                       mit viel mehr Selbstverständnis in die Welt   lich zu engagieren?        Vielleicht müssen wir uns da alle auch noch
                       tragen?                              CW: Die richtigen Themen und die richtige   mal neu erfinden. Was ist denn eigentlich
                       NN: Meine  Wünsche für den Berufsstand   Ansprache!                      unsere Stärke? Und dann wird Innenarchi-
                       sind die Sichtbarkeit unserer Leistungen für   NN: Die jungen Mitglieder müssen den Mehr-  tektur auch salonfähig für alle Lebensberei-
                       die Innenarchitektur und die Entwicklung   wert für sich erkennen, dass sie sich weiter-  che. Sie ist nicht nur etwas für Menschen, die
                       unserer alltäglichen Arbeit. Ich habe viele   entwickeln, dass sie wachsen können, indem   einen prall gefüllten Geldbeutel haben.
                       Workshops und Veranstaltungen beim bdia   sie sich engagieren.           NN: Und die Aufklärung darüber, dass wir
                       besucht und den Verband immer als sehr   JH: Ich möchte vermitteln: Habt keine Angst   weder Raumausstatter*innen noch Interior
                       positiv  wahrgenommen, auch hinsichtlich   vorm Ehrenamt! Ehrenamt ist keine Schablo-  Designer*innen sind. Das ist etwas, was vie-
                       der Stärkung der Mitglieder.         ne, in die man hineingepresst wird, sondern   len Innenarchitekt*innen Schmerz bereitet.
                       GH: Es lohnt sich, sich im Berufsverband   es ist eine Bereicherung für andere und für   Da geht’s gar nicht darum, dass die Hoch-
                       der Innenarchitekt*innen zu vernetzen, sich   sich selbst. Jede und jeder kann das Ehren-  bauarchitekt*innen mehr dürfen als  wir,
                       gegenseitig zu stärken und mit dem bdia ein   amt individuell ausfüllen,  wie sie oder er   sondern man  versteht in der Gesellschaft
                       Sprachrohr zu finden. Damit positionieren   eben kann. Dabei ist jede Stimme oder jede   vielleicht nicht, was wir konkret machen.
                       wir uns gut in der Gemeinschaft der anderen   Meinung eine Bereicherung!  JH: Wir leben in einer Zeit, in der vieles ein-
                       Planungsdisziplinen.                 NN: Und den eigenen Berufsstand aktiv mit-  gefordert  wird: nachhaltiges Bauen, dass
                       JH: Die Architektenkammer als übergeord-  gestalten zu dürfen, ist ja auch was Tolles.   Innenarchitekt*innen  bei Wettbewerben
                       nete Institution ist in gewisser Weise auch   Aber das muss entsprechend kommuniziert   berücksichtigt werden, dass sie in der Lehre
                       anonym. Ich hatte immer das Bedürfnis,   werden. Da stellt sich die Frage,  was den   als Professor*innen eingesetzt werden. In der
                       gleichgesinnte Kolleg*innen zu haben, mit   jungen Leuten denn wichtig ist. Das müssen   Berufsausübung sind wir eingeschränkt. Bis-
                       denen ich mich austauschen kann, und das   wir einfach durch Fragen herausfinden. Dazu   her wurde immer gefordert, aber letztendlich
                       habe ich in unserem Verband gefunden: Der   kannst du, Carsten, sicher etwas sagen.  müssen wir auch liefern. Da sehe ich aktuell
                       bdia ist familiär. Und mit dem bdia kann ich   CW: Wir haben es mit einer neuen Gene-  noch ein Defizit. Wir müssen weiter an den
                       mich jetzt auch kollegial in der Kammer ein-  ration zu  tun.  Junge, interessierte Men-  Strukturen drehen und dicke Bretter bohren,
                       bringen.                             schen wollen arbeiten und vernünftig dafür   damit wir unsere Forderungen auch umset-
                                                            bezahlt werden. Work-Life-Balance und die   zen können.
                       Welche Themen möchten Sie in Ihrer Amts-  Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielen
                       zeit in den Fokus rücken und welche Forma-  ebenfalls eine Rolle. Wir können dabei auch   Vielen Dank für das Gespräch. Möchten Sie
                       te sollten stärker gefördert werden?  vieles von ihnen lernen. Wir sollten vermit-  ein Schlusswort setzen?
                       JH: Wir wollen und müssen vieles erreichen   teln können, dass so ein Verband durchaus   CW: Es ist  wichtig, dass  wir gemeinsam
                       – dies aber nicht allein, denn für die großen   Synergien bildet. Ich kenne das selbst aus   stark auftreten, gehört werden und unsere
                       aktuellen Themen braucht es ein Miteinan-  meinem Berufsleben. Ich habe viele Aufträ-  Themen richtig platzieren. Und dass wir uns
                       der mit Hochbauarchitekt*innen und ande-  ge über meine Netzwerke mit Kolleg*innen   Gedanken darüber machen, wie wir unse-
                       ren  Verbänden,  auch  auf  internationaler   bekommen.                  re Stärken intern bündeln, damit wir mehr
                       Ebene. Ich denke, da gibt es auch mit Archi-  JH: Ich glaube, bedeutend ist die Augen-  Gewicht nach außen bringen.
                       tects4Future oder dem Verband für Bauen im   höhe. Wenn man dieses Gefühl vermitteln
                       Bestand wirklich gute Anknüpfungspunkte.  kann, dass jede und jeder wertvoll ist. Egal,
                       CW: Diese neuen Themen müssen sich auch   wie sie oder er ist, mit viel oder wenig Berufs-
                       in der Bildung stärker wiederfinden. Da geht   oder Verbandserfahrung. Dann ist das doch
                       es  darum:  Wie  bilden  wir  unseren Nach-  für den bdia ein Gewinn!    Professor Carsten Wiewiorra
                       wuchs an den Hochschulen aus und auch   NN: Darum ist das bdia-Mentoringpro-  ist freischaffender Architekt und Innenar-
                       so, dass sie selbstständig werden möchten,   gramm so  wichtig. Dass die Erfahreneren   chitekt in Berlin und lehrt an der TH OWL /
                       Vertrauen haben und das Risiko als Kataly-  ihr Wissen weitergeben, aber andersherum   Detmolder Schule für Gestaltung.
                       sator erkennen?                      genauso: Reverse Mentoring. Wir lernen von
                       GH: Unternehmertum!                  den Jungen, so wie Carsten eben sagte. Wir   Johann Haidn
                       CW:  Ja genau. In der Innenarchitektur   können gegenseitig profitieren.  leitet als angestellter Innenarchitekt das
                       haben wir es oft mit kleinen Büros zu tun.                               Teilprojekt New Work der ERGO Group AG
                       Wie will man solche Themen wie BIM, KI usw.   Welche Herausforderungen stehen uns als   für den Standort München.
                       bewältigen? Wenn ich die riesigen Architek-  Verband in den kommenden Jahren bevor?
                       turplayer sehe oder auch Büros mit 20, 30   Wie können wir diesen begegnen?  Gabriela Hauser
                       Mitarbeitenden wie ihr, Gabriela, dann ist   CW: Mit der Entwicklung von Themen, mit   arbeitet als freie Innenarchitektin im
                       man ganz anders aufgestellt. Das schreckt   denen wir uns nach außen positionieren. Wo   eigenen, familiengeführten Büro in zwei-
                       auch viele ab, denn wie will man da als klei-  sieht man bei uns, dass wir die Expert*innen   ter Generation mit zwei Standorten in
                       nes Büro mithalten? Da sind nahbare und   beim Bauen im Bestand sind? Was sind unse-  Berlin und Altensteig (Baden-Württem-
                       niedrigschwellige Weiterbildungsangebote   re zukunftsorientierten Themen? Wie zeigen   berg).
              Foto: Milton Arias  GH: Eine Motivation für mich ist, den bdia   architektur, die man in den Medien sieht,   Natascha Ninic
                                                            wir unsere Qualität? Große Aufgaben! Innen-
                       zu diesen Themen nötig.
                                                                                                ist freischaffende Innenarchitektin und
                                                            ist halt nicht nur von Innenarchitekt*innen
                       einfach so frisch zu halten, dass er auch
                                                                                                leitet seit 2019 ihr eigenes Büro in Bad
                                                            gemacht. Um präsenter zu sein, müssen wir
                       wirklich attraktiv für die jüngere Generation
                                                                                                Homburg vor der Höhe (Hessen).
                       wird. Das fängt übergreifend in den Lan-
                                                            mutiger werden.
                                                                                                                       AIT 1/2.2024  •  123
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