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Dr. Uwe Bresan


                                  1980 bei Dresden geboren 2000–2008 Architekturstudium an der Bau-
                                  haus-Universität, Weimar 2008–2020 Redakteur bei AIT, Stuttgart 2015
                                  Promotion seit 2021 Architektur Media Manager bei JUNG, Stuttgart






























             In der alten Carlsberg-Brauerei entstand das Hotel Ottila (2). • The Ottila Hotel (2) in the old Carlsberg Brewery  Ein Besuch des Thorvaldsens Museum (4) ist ein Muss. • A visit to the Thorvaldsens Museum (4) is a must.



             von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
             K   openhagen, 640.000 Einwohner und unmittelbar am Øresund, der Verbindung  verschachteltes Raumprogramm. Beliebt, nicht nur unter den jungen Besuchern, ist die
                 von Nord- und Ostsee, gelegen, gilt als eine der lebenswertesten Städte der Welt.
                                                                           Riesenrutsche, die sich von der obersten Ausstellungsebene bis in den Giftshop am Aus-
             Die Menschen hier legen viel Wert auf ihre Freizeitgestaltung. Die Arbeitswoche hat im  gang schlängelt. Und so geht es mit Schwung in den Nachmittag: Das nächste Ziel ist
             Durchschnitt nur 33 Stunden. Geschäfte, Museen und öffentliche Einrichtungen schlie-  der neue Design District im ehemaligen Marinehafen. Auf dem Weg dorthin geht es über
             ßen oft schon am späten Nachmittag. An vielen Stellen der Stadt, die sich geografisch  die Circle Bridge (6) von Ólafur Elíasson, die mit ihren hölzernen Plattformen und
             über zwei große und mehrere kleine Inseln verteilt, kann man zum Schwimmen direkt  hohen Tragmasten an eine kleine Segelschiffflotte erinnert, sowie über den bei Einhei-
             ins Meer springen. Die zweite Lieblingsbeschäftigung der Kopenhagener: Radfahren. Die  mischen wie Touristen gleichermaßen beliebten Street-Food-Markt zwischen der Inner-
             Metropole am Wasser ist zugleich Fahrradwelthauptstadt. Und auch architektonisch hat  hafenbrücke (von Studio Bednarski) und der Butterfly Bridge (von Dietmar Feichtinger).
             Kopenhagen einiges zu bieten. Unser Rundgang beginnt am Samstagmorgen.  In den mächtigen Hallen- und Verwaltungsbauten des anschließenden Marinehafens
                                                                           haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Designhersteller mit Showrooms niederge-
             Samstag: Ein Tag zwischen Elefanten und Bullen                lassen. Sie machen das Viertel vor allem während des jährlichen Designfestivals, den 3
                                                                           Days of Design, zum Hotspot. Das 2019 eröffnete Headquarter des traditionsreichen dä-
             r 10.00 Uhr – Unsere erste Station ist das 1902 nach Plänen von Vilhelm Dahlerup ent-  nischen Leuchtenherstellers Louis Poulsen (7) darf dabei als kräftigstes Zugpferd gelten.
             standene Elefantentor (1) auf dem Gelände der ehemaligen Carlsberg-Brauerei im Wes-  r 16.00 Uhr – Wer dänisches Mid-Century-Design als Gesamtkunstwerk erleben will,
             ten der Stadt. Das von vier Granitelefanten getragene Brücken- und Turmgebäude diente  dem sei an dieser Stelle das SAS Royal Hotel (8) am Hauptbahnhof von Arne Jacobsen
             ursprünglich als Silo und Wassertank und entwickelte sich im Laufe der Jahre zum  empfohlen. Der Curtain-Wall-Klassiker aus den späten 1950er-Jahren wurde zwar schon
             Wahrzeichen des Carlsberg-Viertels. In der zurückliegenden Dekade wurden die histori-  mehrfach überarbeitet, Jacobsens elegante Nachkriegsmoderne blieb aber immer das
             schen Brauereigebäude liebevoll saniert und neuen Nutzungen zugeführt. Auch das  Leitbild. Wer es wirklich authentisch will, bucht Zimmer 606. Vom SAS ist es dann auch
             wunderbare Boutiquehotel Ottila (2) gehört zum Ensemble. Arkitema Architects haben  nicht mehr weit zur Ny Carlsberg Glyptotek (9), dem Skulpturenmuseum der Stadt.
             dafür zwei historische Silo- und Maschinengebäude miteinander verbunden. Im Inneren  Das Gebäude aus dem Jahr 1888 stammt, wie das Elefantentor der Carlsberg-Brauerei,
              paart sich gepflegter Industriecharakter mit dekonstruktivistischen Details. Absolut zu  von Vilhelm Dahlerup, was letztlich kein Zufall ist, war die Brauereifamilie doch auch
              empfehlen – bei jeder Tages- und Nachtzeit – ist ein Besuch der Rooftop-Bar. Unweit des  Stifter des Museumsneubaus. Im Inneren der Glyptothek überrascht der zentrale Win-
              Hotels liegt wiederum eine der ungewöhnlichsten Kunstlocations von Kopenhagen: die  tergarten mit Palmen und exotischen Pflanzen. Das angeschlossene Museumscafé darf
              alten Zisternen (3) aus dem 19. Jahrhundert. In den stockfinsteren, unterirdischen Hal-  zu den schönsten der Stadt gezählt werden. Das schönste Gotteshaus der dänischen
              len fährt man mit kleinen Ruderbooten von Raum zu Raum. Die wechselnden Kunst-  Hauptstadt ist wiederum die berühmte Grundtvigskirche (10). Sie entstand zwischen
             ausstellungen schweben über dem Wasser. Nur durch vereinzelte Lichtquellen werden  1920 und 1940 nach Plänen von Peder Jensen-Klint und übersetzt die Raumprinzipien
             die Objekte aus dem Dunkel hervorgeholt.                      der Gotik in einen modern-expressionistischen Sakralbau.
             r 12.00 Uhr – Auch ein Besuch des Thorvaldsens Museum (4) des Architekten Gottlieb  r 20.00 Uhr – Der erste Tag endet in Kødbyen (11), dem alten Schlachthofviertel, gleich
             Bindesbøll ist ein Muss! Für mich gehört das Haus, das dem Werk des großen klassizi-  hinterm Bahnhof. Wenn es dunkel wird, erwacht das Quartier voller Bars, Clubs und
             stischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen gewidmet ist, zu den schönsten Museumsbau-  Restaurants zum Leben. Besonders der Platz vor der Fleischhalle (Kød og Flaeskehal),
             ten des 19. Jahrhunderts. Mit seinen farbigen Sälen ist es der wohltuende Gegenentwurf  über deren Eingang das Relief eines riesigen Bullen prangt, wird allabendlich von Nacht-
             zum Whitecube der Gegenwart. Wer es zeitgemäßer mag, geht natürlich ins Blox (5),  schwärmern aller Altersklassen bevölkert. Auch wir lassen den Tag hier ausklingen,
             das dänische Architekturzentrum, entworfen von OMA unter der Regie von Ellen van  bevor es ins Hotel Alexandra (12) geht. Das im schönsten Mid-Century-Stil gestaltete
             Loon. Außen eher unspektakulär, überzeugt das Haus im Inneren durch sein komplex  Designhotel am Rathausplatz ist meine Empfehlung für die Nacht.

                                                                                                                           AIT 4.2022 • 033
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