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BANKEN UND BEHÖRDEN  •  BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS

































           KUWAITISCHE BOTSCHAFT

           IN BANDAR SERI BEGAWAN


           Entwurf • Design Architectkidd, TH-Bangkok



           Brunei liegt auf der Insel Borneo. Fast unsichtbar auf der Weltkarte,
           misst das Sultanat seine Größe am Reichtum seines Öls. In der Haupt-
           stadt Bandar Seri Begawan steht seit 2024 die neue Botschaft des
           Staates Kuwait. Entworfen wurde sie vom ortsansässigen Büro Arkitek
           Rekajaya, gestaltet im Inneren von Architectkidd aus Bangkok. Global
           geplant, doch die nationalen Herkünfte bedeuten hier: gar nichts.



           von • by Stephan Faulhaber, Gerlingen
           K  uwait, Brunei, Thailand. Selten spielen bei einem Entwurf gleich so viele ferne Länder
              eine Rolle – und dann doch nicht. Entscheidend ist hier nicht, woher etwas kommt,
           sondern wohin es will. Und das ist, im Fall dieser Innenräume, eindeutig: weg von jeder
           Form von arabischer Ornamentik oder islamischer Symbolik, hin zu einer eigentümlichen,
           materialbasierten Sinnlichkeit. Kalkstein, Marmor, Holz – das klingt nüchtern, wirkt aber
           erstaunlich sanft, fast wellnesshaft. Eine Art Horror vacui ist jedoch spürbar, also die Angst
           vor der Leere, die sonst Ornament zu legitimieren pflegt. Denn hier wurde mit Geometrien
           hantiert, als ließe sich Verzicht mit Formhäufung vereinbaren. Der wabenförmig angelegte
           Marmorboden etwa schmälert die Schönheit des Materials, dessen natürliche Aderung zur
           Nebensache wird. Im Foyer herrscht ein Konglomerat aus Linien, Kurven und Mustern, das
           sich selbst übertönt. In manchen Bereichen des Haupttrakts wünschte man sich fast eine
           theologische Rechtfertigung für diesen gestalterischen Überschwang. Doch dann betritt
           man die große Empfangshalle (Bild rechts). Und plötzlich ergibt sich Sinn. Der Raum ist
           von erstaunlicher Klarheit. Der polierte Boden reflektiert gedämpft das Licht, die Marmor-
           säulen stehen rund und gleichmäßig, ohne Basis, ohne Kapitell, ohne Gestus. Die Decke
           führt nicht bis zur Wand; die Säulen scheinen darüber hinauszulaufen, wodurch sie nicht
           als Träger lesbar sind, und durch ihre Hinterleuchtung auch nicht als Begrenzung. Der Mar-
           mor an den Wänden zeigt sich endlich in seiner wahren Qualität: im Quadratraster, mit
           rhythmisch verlaufender Aderung. Darüber verschalen rechteckige Holzpaneele die Wand,
           die trotz ihres wilden Formatwechsels eindeutig die Vertikale betonen und den weiten
           Raum so in die Höhe strecken. Überdies verleiht die gewölbte Decke – aus wiederum in
           sich gewölbten, akustisch wirksamen Modulen – der Halle eine angenehme Dynamik. Am
           Ende bleibt der Eindruck einer Innenarchitektur zwischen Zurückhaltung und Kompositi-
           onseifer, die das absichtsvoll Ortlose spätestens im großen Saal zielsicher einfängt. Und
           wenn dabei wirklich Assoziationen an Spa und Wellness entstehen? Nun, etwas innere
           Einkehr ist bei einem diplomatischen Bankett heutzutage vielleicht kein schlechter Anfang.

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