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BANKEN UND BEHÖRDEN • BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS
DEUTSCHE BOTSCHAFT
IN WIEN
Entwurf • Design Schulz und Schulz Architekten, Leipzig
Eine Botschaft ist nicht nur die diplomatische Vertretung eines Staa-
tes am Regierungssitz eines anderen Staates, sie kann auch eine Bot-
schaft übermitteln – im Sinne einer Nachricht. Dass sich Deutschland
den Österreichern transparent und offen präsentiert, ist den Leipzi-
gern Schulz und Schulz Architekten mit dem Botschaftsneubau in
Wien durchaus gelungen – vielen kritischen Stimmen zum Trotz.
von • by Petra Stephan
A m 22. Oktober wurde sie im Rahmen eines Staatsbesuches in Österreich von Frank-
Walter Steinmeier eingeweiht – die neue Deutsche Botschaft in Wien. Steinmeier
sprach von einem „hellen und offenen Haus, das zurückhaltend, aber verantwortungsbe-
wusst“ wirke, sein österreichischer Amtskollege Alexander Van der Bellen bezeichnete die
neue Botschaft als „Sinnbild der engen Partnerschaft Österreichs und Deutschlands“. Das
haben Ansgar und Benedikt Schulz sicherlich gern gehört, war der rund 45 Millionen Euro
teure Neubau seit der Räumung des Vorgängerbaus 2014 und dem Abriss 2019 durchaus
umstritten. Heute wäre wahrscheinlich anders befunden worden, und Mühe und Kosten
wären es wert gewesen, das 1962 bis 1965 nach Plänen des Stuttgarter Architekten Rolf
Gutbrod (s. ab S. 110) entstandene Gebäudeensemble zu erhalten und für die Zukunft
zu ertüchtigen. Wie seine Vorgängerbauten steht der Neubau zurückversetzt von den
Baufluchten auf dem Grundstück, umgeben von altem Baumbestand und neuen, weiß
blühenden Bepflanzungsszenarien. Die Komposition des Baukörpers folgt der Verteilung
der Nutzungen: Die viergeschossige Kanzlei mit den Büros und der Pass- und Visastelle ist
über den zweigeschossigen Trakt der Empfangsräume mit dem fünfgeschossigen Wohn-
bereich der Residenz verbunden. So können die Empfangsräume sowohl von der Kanzlei
als auch von der Residenz aus genutzt werden. Die verglaste Beletage und die ange-
schlossene Residenzterrasse, die über eine Wendeltreppe mit dem Garten verbunden ist,
vermitteln – trotz hoher Sicherheitsanforderungen – das gewünschte Bild von Transparenz
und Offenheit, aber auch schlichte Eleganz. Vorherrschendes Oberflächenmaterial ist
Krastaler Marmor – eine Hommage an das Gastland Österreich. Fassade, Terrasse, Wände
und Böden im Inneren changieren dank der lebendigen Oberfläche. Auf der Terrasse sind
Bodenreliefs integriert, die als Kunst am Bau von Blasius Spreng für den Vorgängerbau
von Gutbrod geschaffen wurden. Das aktuelle Kunstwerk „Deform“ von Stefan Sous ist
eine kreissegmentartige Verformung des umgebenden Metallzauns – ein künstlerischer
Eingriff, der symbolisch einen Teil des Grundstücks an die Wiener zurückgibt.
084 • AIT 12.2025

