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Foto: Guillaume Boudieux, AIA Life Designers
Entwurf • Design AIA Life Designers, architectes, FR-Paris
Bauherr • Client Solideo, FR-Paris
Standort • Location 148, Avenue Gambetta, Paris, 20. Arrondissement
Nutzfläche • Floor space 8878 m 2
Fotos • Photos Hugo Hébrard, FR-Paris
Mehr Infos auf Seite • More infos on page 126
Upcycling: Für das Mobiliar der Eingangshalle wurde ... • Upcycling: For the furnishings of the entrance hall, ... ... Holz des alten Dachtragwerks wiederverwendet. • … wood from the old roof structure was reused.
von • by Annette Weckesser
D as 1965 gegründete Büro AIA Life Designers gehört zu den Großen der Branche in Piscine Georges-Vallerey starteten im September 2022 und endeten im März dieses Jahres
pünktlich zum Trainingsstart. Auf den Tribünen wurden Gerüste installiert, um Arbeiten an
Frankreich. In seinen 12 Niederlassungen, vornehmlich im Mutterland, aber auch im
Ausland, beschäftigt das Büro mehr als 650 MitarbeiterInnen aus Architektur, Ingenieur- hoch gelegenen Bauelementen wie Dachrinnen, Leuchten, Lüftungsrohren und Metallträ-
wesen, Wirtschaft, Stadt- und Landschaftsplanung. Das Erfolgsrezept basiert nicht zuletzt gern vorzunehmen. Letztere wurden mit Rostschutz behandelt und neu weiß gestrichen.
auf diesen Kompetenzen und der Organisationsstruktur. Das Kapital der Gruppe halten Betonschäden an Pfosten und Balken wurden laut AIA Life Designers von Fall zu Fall
die Mitarbeiter. Erst im Juli konnten AIA Life Designers mit Moreau Kusunoki und Taller behandelt und die nicht wasserdichten Beckenrinnen erneuert. Beschädigte Elemente,
Frida Escobedo den Wettbewerb zum Umbau von Forum und Bibliothek des Centre Pom- etwa Fliesen und Trennwände, ließen die Architekten entfernen. Das leichte, mobile Dach,
pidou gewinnen. Wenige Monate zuvor, im März, durften AIA Life Designers eine andere das es SchwimmerInnen seit 1986 erlaubte, von natürlicher Luft und Tageslicht zu pro-
wichtige, öffentliche Institution ihrer Bestimmung übergeben – das unter der Leitung von fitieren, wurde komplett erneuert, die Dacheindeckung aus Polycarbonatplatten sowie
Guillaume Boudieux sanierte Piscine George-Vallerey im 20. Pariser Arrondissement. die Holzrahmen demontiert. Eben jenes Hauptcharakteristikum, das öffenbare Dach, zu
erneuern, stellte eine große Herausforderung dar. Nun präsentiert sich das Bad wieder als
Ein Bad mit Wassersport-Geschichte Ganzjahresattraktion für schwimmbegeisterte PariserInnen. Zudem vermittelt das Dach
eine enorme Leichtigkeit im Kontrast zur massiven Bausubstanz.
Realisiert wurde das Bad George-Vallerey – ursprünglich Piscine des Tourelles genannt
– im Jahr 1924. Schon vor 100 (!) Jahren kämpften dort AthletInnen anlässlich der Olym- Upcycling der alten Dachträger zu Mobiliar
pischen Sommerspiele um Gold, Silber und Bronze im Schwimmen, Tauchen und Was-
serball. Dieses Schwimmstadion und sein Becken waren einst auf allen vier Seiten von Aus Respekt vor dem Bestand entschied man sich für Upcycling. Sämtliche Holzelemente
Sitztribünen sowie von je vier massiven Treppentürmen auf beiden Längsseiten flankiert. des alten Dachtragwerks wurden demontiert, ins Atelier der Firma Mathis gebracht und
Von außen wirkte das aus Beton konstruierte Gebäude wie eine hermetisch geschlos- dort inspiziert. Die noch brauchbaren Elemente verwendete die Schreinerei Bonnardel
sene Festung. Innen gab sich das Publikum dem Badespaß unter freiem Himmel hin, weiter, um daraus Möbel für die Eingangshalle herzustellen – Empfangstresen, Bänke
wie historische Fotos zeigen. Denn das Gebäude hatte kein Dach. Man schwamm quasi sowie Teile der Signaletik. Außerdem fertigte die Schreinerei die 12 Dachträger des
„oben ohne“. 1954 erhielt das Bad seinen heutigen Namen Piscine George-Vallerey, zu neuen mobilen Daches vor. Das Douglasien-Brettschichtholz stammt aus ökozertifizier-
Ehren des französischen Sportstars, der sich 1948 bei den Olympischen Sommerspielen ten Wäldern der Vogesen und des Jura. Die Rahmen wurden per LKW geliefert und vor
die Bronzemedaille erschwommen hatte. 20 Jahre später, 1986, wurde die Sportstätte Ort montiert. Im Zuge der Sanierung konnten auch die Beleuchtung, die Akustik sowie
durch Roger Tallibert renoviert. Und dieser Umbau glich einer Revolution. Denn der fran- die Empfangsqualitäten des Bades optimiert werden. Technisch entspricht das Bad nun
zösische Architekt stattete das Gebäude mit einem innovativen Schiebedach aus, sodass aktuellen Normen, Hygiene- und Nutzungsstandards, insbesondere was die Wasser- und
es fortan ganzjährig zu nutzen war. Tallibert sanierte außerdem das olympische Becken Luftqualität betrifft. Eine weitere wichtige Aufgabe bestand darin, die Empfangsräume
mit seinen 21 mal 50 Metern und überarbeitete die Betonfassaden. Ein Jahrhundert nach und Verkehrsflächen komfortabel, sinnfällig und sicher neu zu konzipieren. Da der Pool,
seiner Erbauung musste das in die Jahre gekommene Schwimmbad erneut umstrukturiert wie im Schnitt zu sehen, nicht im Erdreich, sondern oberirdisch liegt, erfolgt der Zugang
und saniert werden, denn es sollte als Trainingszentrum für die Paralympischen Spiele zum Becken im zweiten Obergeschoss. Tribünen befinden sich jetzt nur noch auf den
dieses Sommers genutzt werden. Als Bauherr trat die staatliche Organisation Solideo auf, Längsseiten. ZuschauerInnen erreichen ihre Plätze über die dritte Etage. Zu guter Letzt
die mit der Finanzierung, Überwachung und Umsetzung der olympischen Einrichtungen erhielt das Gebäude partiell einen neuen Anstrich. Die prägende Betonfassade wurde
betraut war. Darunter fallen auch die Entwicklungs- und Umbauarbeiten für die Ausrich- lediglich gereinigt. Hell, offen und heiter empfängt das Piscine George-Vallerey heute seine
tung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 in Paris. Die Bauarbeiten am Gäste. Die Verjüngung ist geglückt!
AIT 11.2024 • 115