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Much Untertrifaller


                                                                                                                                       Foto: Stephan Goeschl
                                                                           1959 in Bregenz geboren 1979–1988 Architekturstudium an der TU Wien
                                                                           1994 Gründung Dietrich Untertrifaller Architekten in Bregenz seit 2007
                                                                           Lehrtätigkeit in Konstanz und Wien seit 2020 Präsident der ZV Vorarlberg

































             Oberflächen und Farben sorgen für eine klare Zonierung. • Surfaces and colours ensure clear zoning.  Blickbeziehungen zwischen Sport- und Aufenthaltsflächen • Relationships between sports and recreation areas




             Studenten und Mitarbeiter der Technischen Universität München – bestmöglich zu erfül-  dacht – von der Terrasse der Cafeteria über die große Zugangsrampe bis zur 100-Meter-
             len, fiel unsere Entscheidung auf eine helle und leichte Holzkonstruktion. Mit einer  Laufbahn. Hochsensible Sportmessungen sind nun auch witterungsunabhängig im
             Spannweite von 30 Metern ließen sich die unterschiedlichen Funktionen optimal zusam-  Freien möglich. Dafür entwickelten wir eine spezielle Holzkonstruktion, die dank sehr
              menfassen. 14 Sporthallen, 12 Hörsäle, 15 Diagnostikräume, fünf Werkstätten, 300 Büros,  hoher Steifigkeit und minimalem Gewicht einfach montiert werden konnte. Wir fertigten
              eine Cafeteria und eine Bibliothek sorgen nun für einen lebendigen und vielseitigen Cam-  3,75 Meter breite und 28 Meter lange Hohlkastenelemente mit jeweils 19 Tonnen Eigen-
             pus – einen Ort des Austauschs, der Bewegungsfreude und der Inspiration.  gewicht vor, die auf vier Punkten – zwei starken Druck- und zwei schlanken Zugstützen –
                                                                           abgestützt werden. Dafür waren Querträger erforderlich, die wir höhengleich in die Ele-
             Rue Intérieure und Rue Extérieure                             mente integrierten. Die Momente des Kragbereichs werden als Zug- und Druckkompo-
                                                                           nenten über durchlaufende Furnierschichtholzplatten des Ober- und Untergurts in den
             Entlang einer zentralen Erschließungsachse gliederten wir je zwei Hallen- und Instituts-  Feldbereich übertragen. Entscheidend waren auch die Plattenformate und deren Anord-
             cluster. Diese „Rue Intérieure“ durchzieht das gesamte Gebäude von Osten nach Westen  nung im Element: Die Plattenlängen betragen bis zu 20 Meter, damit diese bis zum rück-
             und verbindet die Bereiche Sport, Lehre und Forschung mit vielfältigen Sichtachsen und  wärtigen Querträger hin durchlaufend verklebt werden konnten. Diese Art der Ausfüh-
             großzügigen Verglasungen. Hier treffen sich die verschiedenen Akteure, können mitein-  rung ermöglichte eine Konstruktionshöhe der Dachelemente von nur 1,60 Meter und den
             ander reden und andere Sportler beobachten. Innenhöfe durchdringen den Kern des Ge-  damit einhergehenden gestalterischen Effekt eines durchlaufenden Dachbandes.
             bäudes, führen Tageslicht in sein Inneres und bringen Abwechslung in die Wegeführung.
              Im Osten führt ein Steg vom Park direkt zum Hauptzugang im 1. Obergeschoss. Das be-  Die Holzkonstruktion – kurze Bauzeit durch Vorfertigung
              gleitende Landschaftskonzept von Balliana Schubert setzt auf den Dialog zwischen dem
              Bauwerk und der durchgrünten, parkartigen Sportlandschaft. Die verschiedenen Sport-  Im mittleren Bereich sind die Hohlkästen „tailliert“ – so bilden sich beim Aneinanderfü-
             felder formulieren einen neuen Weg auf der stark durchgrünten Außenfläche, der west-  gen Oberlichtöffnungen. Vervollständigt wird das Element durch ober- und unterseitige
             lich an den Hauptbau anknüpft: eine „Rue Extérieure“. Sie erschließt attraktive Aufent-  Beplankungen aus etwa 50 Millimeter starken Furnierschichtholzplatten. Als sich die
             haltsräume und Sitzbereiche wie beispielsweise eine Stufentribüne um die Beachsport-  Durchbiegung nach dem Entfernen des temporären Traggerüsts gleichmäßig und exakt
             anlagen. Unaufgeregt und ganz selbstverständlich liegen die Sportflächen zwischen den  wie berechnet verhielt, hieß es erstmal aufatmen ... Auch die Sporthallen, die Instituts-
             neuen Pfaden und alten Wällen des Olympiaparks. Das sportliche Herz ist die neue  bereiche und die komplette Dachkonstruktion errichteten wir in Holzbauweise. Zum Ein-
             Leichtathletikanlage, die direkt vor der Außenterrasse des Hauptbaus liegt. Um die Ver-  satz kamen neben weitspannenden Brettschichtholzträgern auch Hybriddecken in Holz-
             bindung zwischen Landschaftsraum und Architektur weiter zu stärken, entschieden wir  Beton-Verbundbauweise sowie vorgefertigte Holzelemente für Decken und Wände. Die
             uns, viel mit natürlichen Materialien wie Holz zu arbeiten. Außerdem ermöglichte uns  zentrale Erschließungsachse, aussteifende Treppenkerne, Hörsaal und Kletterhalle sowie
             die Holzbauweise einen hohen Vorfertigungsgrad und dadurch kurze Montagezeiten. Mit  das Untergeschoss wurden als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt, ebenso die Tragkon-
             der entsprechenden Logistik für Planung, Fertigung, Anlieferung und Montage konnten  struktion für die Technikspangen zwischen den Sporthallen. Das Holz überwiegt jedoch
             die Hallencluster in nur zwei Monaten Bauzeit errichtet werden. Als gestaltprägendstes,  den Entwurf! Wir konnten unsere Leidenschaft für den Werkstoff mit seinen hervorragen-
             aber auch konstruktiv herausforderndstes Element stellte sich das weitausladende Vor-  den technischen und atmosphärischen Eigenschaften ausleben – das Ergebnis ist einer
             dach heraus, das 18,60 Meter über die Glasfassade auskragt und 9,30 Meter weit in das  der größten Holzbauten Europas, den wir dank dem hohen Vorfertigungsgrad in kürze-
             Gebäude zurückverankert ist. Mit ihm wird die gesamte Westseite des Komplexes über-  ster Zeit erstellen konnten und damit auch ökologisch neue Maßstäbe setzten.

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