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Entwurf • Design Jose Silva / CannonDesign, US-Chicago
Entwurf • Design Azad Chichmanian / NEUF architect(e)s, CN-Montreal
Standort • Location 1051 Sanguinet Street, CN-Montreal
Nutzfläche • Floor space 278.709 m 2
Fotos • Photos Adrien Williams, CN-Montreal
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Die mit Holz vertäfelten Innenwände des Hauses setzen einen Akzent im ansonsten weiß gestalteten Foyer. Im ebenfalls erhalten gebliebenen Kirchturm von Saint-Sauveur befindet sich heute ein Meditationsraum.
von • by Dr. Uwe Bresan
D er Neubau der Universitätsklinik im Zentrum von Montréal, betreut vom Archi tek - Orientierungs hilfe, unterstreicht die Vertikalität des gesamten Komplexes und erinnert
zugleich an die Ge schichte des Ortes. Nicht zuletzt ist mit ihm für die Einheimischen ein
tur büro Can nonDesign aus Chicago in Zusammenarbeit mit dem vor Ort an säs si -
gen Büro NEUF architect(e)s, ist aktuell das größte Bauprojekt im Gesund heits sektor auf altbekannter Bezugspunkt im Stadtbild gewahrt geblieben. Um den heutigen Anfor -
dem nordamerikanischen Kontinent. Insgesamt entstehen knapp 300.000 Quadrat me - derungen und gesetzlichen Rege lun gen in Hinsicht auf die Stand sicherheit gerecht zu
ter Fläche. Im vergangenen Jahr wurde die erste Phase nach fast zehnjähriger Planungs- werden, er setzten die Architekten die innere Gebäudeschale aus Bruchstein durch eine
und Bauzeit abgeschlossen. Sie umfasst ein Ensemble aus drei 22-geschossigen und un - massive Betonkonstruktion. Betre ten wird der Turm nun über die Hauptkantine des
tereinander verbundenen Hochhaus schei ben sowie gemeinsamen Sockel bauten. Zwei Krank en hauses im zweiten Oberge schoss. Der Innenraum dient als Meditationsort und
der Türme dienen als Betten häuser, der dritte nimmt sämtliche Ope rationssäle, Be - beherbergt eine Klangkunst-Instal la tion des Künstlerpaares Catherine Béchard und
handlungszimmer und Thera pie be reiche sowie die entsprechenden Ne ben räume auf. Sabin Hudon. Sie wird „La Résonance des Corps“ (Das Echo des Körpers) genannt und
Das Krankenhaus ist damit vollständig funk tions tüchtig. Die zweite Phase wird voraus- ist Teil eines umfassenden Kunst-am-Bau-Programms. Auch die beiden in den Neubau
sichtlich 2021 abgeschlossen sein. Bis dahin entstehen ein weiteres Hochhaus, das integrierten Fassaden des Maison Garth sind Teil dieses Programms. Sie wurde zu
zukünftig die Kran ken haus ver waltung beherbergen wird, sowie ein frei stehendes Kon - Beginn der Bau arbeiten demontiert, gereinigt und eingelagert und im späteren Bau -
ferenz- und Hörsaal zentrum im Sockel bereich. Es soll so wohl im Lehrbetrieb genutzt verlauf wieder an ihrem ursprünglichen Platz aufgestellt. Ähnlich wie beim Kirchturm
wer den als auch für öffentliche Ver anstaltungen zur Verfügung stehen. von Saint-Sauveur arbeiteten die Architek ten mit einer neuen Unterkonstruktion aus
Beton, an der die zwei historischen Kalk sand steinfassaden wieder aufgerichtet wurden.
Krankenhaus und Stadt verbinden sich Wie früher ist die Hauptfassade des Wohnhauses von der Rue Saint-Denis aus sichtbar,
allerdings geschützt durch eine hohe, doppelgeschossige Glas fassade. Die Funk tion des
Ein besonderes Anliegen der Architekten war es, das massive Klinikvolumen verträglich fragmentierten Maison Garth beschreiben die Architekten als „Doppel kunstwerk“ – als
in seine städtische Umgebung zu integrieren. Diesem Zweck diente nicht zuletzt der architektonisches Artefakt an der Außenseite und als zeitgenössisches Architektur -
Erhalt zweier historischer Architektur-Artefakte am Rande des Baufeldes. Dabei handelt exponat im Inneren, wo helle Holz oberflächen für einen warmen Akzent innerhalb des
es sich zum einen um den Turm der 1865 erbauten Erlöserkirche Saint-Sauveur, zum überwiegend rein-weißen Krankenhausinterieurs sorgen.
anderen um zwei Fassaden des Maison Garth, eines einfachen, zweigeschossigen
Wohn hauses aus dem Jahr 1871 auf dem Nachbargrundstück des Gotteshauses. Beide Vergangenheit und Zukunft verschmelzen
Frag mente – Turm und Wohn haus – sind heute Teil der öffentlichen Bereiche des Kran -
ken hauses. Saint-Sauveur war ursprünglich eine der ältesten anglikanischen Kirchen Gemeinsam mit dem aktuell noch im Bau befindlichen Konferenz- und Hörsaal zent rum
von Montréal. Im Jahr 1923 wurde das Gebäude allerdings bei einem schweren Brand sowie einer kleinen öffentlichen Bibliothek im Sockel des geplanten Ver wal tungs hoch -
stark zerstört. Noch im gleichen Jahr begannen die Wiederaufbau arbeiten, man verzich- hauses dienen das Turmfragment von Saint-Sauveur und die Fassa den des Maison
tete jedoch darauf, den Turm in seiner vollen Höhe von fast 61 Metern zu rekonstruieren, Garth dazu, die überlange Gebäudeflucht des Krankenhauses entlang der Rue Saint-
und entschied sich für eine wesentlich kürzere Turmspitze. In dieser Form wurde das Denis aufzulockern und den Neubau in den städtischen Kontext einzubinden.Ange sichts
Got teshaus bis 1990 von der Gemeinde genutzt. Danach stand das Gebäude leer, bis der gewaltigen Transformation, die das gesamte Viertel durch den Neubau der
2009 der Abriss zugunsten des Klinikneubaus folgte. Lediglich den Turm erhielten die Universitätsklinik erfährt, dürfen der Erhalt und die Integration ausgesuchter Frag mente
Archi tekten und gaben dem Bau darüber hinaus seine ursprüngliche Form zurück. der früheren Bebauung als geschickte Strategien gelten. Denn letztlich entsteht durch
Dafür wurde die beim Brand von 1923 zerstörte Turmspitze originalgetreu nachgebildet. das originelle Zusammenspiel der historischen Versatzstücke mit den Stahl-Glas-Kons -
Als Denk mal besetzt der Turm heute eine wichtige Ecksituation des Kranken - truk tionen der Klinikneubauten eine neue Qua li tät, die dem Ort eine eigene Iden tität zu
hausgeländes und schafft eine weithin sichtbare Markierung. Er dient Passan ten als verleihen vermag, in der Vergangenheit und Zukunft harmonisch aufgehoben sind.
AIT 11.2018 • 137