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Brückner & Brückner Architekten
                Foto: Wilfried Dechau, Stuttgart  Peter Brückner (rechts): 1962 in Tirschenreuth geboren 1986–1990 Archi tek turstudium an der Tech ni schen Uni ver si tät in Mün chen 1998 Berufung in den Bund Deutscher Architekten BDA


                                     Christian Brückner: 1971  in Tirschenreuth geboren 1993-2000  Archi tek turstudium  an  der  Staat li chen  Aka de mie  der  Bil den den  Künste  in  Stuttgart  2005  Berufung  in  den  BDA
                                     seit 1996 Brückner & Brückner Architekten mit Sitz in Tirschenreuth und Würzburg Kontakt www.bruecknerundbrueckner.de

























                                                                                                                                          Fotos: Constantin Meyer, Köln






                Stilvoller Auftakt: Eingangsbereich mit Heilbrunnen  • Stylish start: Entrance area with healing fountain    Gegliederter Baukörper: Addition steinerner Skulpturen  • Structured building: addition of stone sculptures




                Am Anfang jeder Bauaufgabe begeben wir uns auf Spurensuche und fragen, was will an  Jahrhunderten, zwischen außen und innen. Ich betrete diesen Ort, um mich zu
                diesem Ort sein? Bad Alexandersbad gibt viele Antworten. Seine Qualitäten und seine  informieren, mich für meine Anwendungen anzumelden, das Bad zu besuchen oder ein-
                Authentizität. Der kleinste Kurort Bayerns liegt mitten im Fichtelgebirge, einer einmaligen  fach, um zu verweilen. Das Herzstück, der historische Heilwasser brunnen. Am Abend
                Landschaft mit weiten Wäldern, Felsenmeeren, den durch Wollsack verwitterung typisch  vielleicht  ein  Treffpunkt  für  ein  kleines  Konzert.  Ein  Ort  der  Kommunikation,  der
                geformten Granitfelsen, Weihern und Bächen, Mooren und Sümpfen. Weiter Horizont,  Begegnung, aber auch der Orientierung – ein Ort, der alle Bereiche und Funktionen
                Weitblick und echte Perspektive. Mineral- und Moorheil bäder sind eine Spezialität von  verbindet. Wir holen das Fichtelgebirge auch ins Haus, lassen uns inspirieren. Es gibt
                Bad Alexandersbad.  Sie werden  ergänzt  durch weitere  natürliche, wissenschaftlich  Ruheräume, Bewegungsräume, Therapieräume, Wasserräume, Schwitzräume –
                anerkannte, bewährte, heilende Schätze der Natur für Therapiezwecke und eine hohe  Sinnesräume. Sie sind wie Höhlen, Wälder, Felsen, Moore oder Gewässer, schaffen Ruhe,
                Kompetenz in moderner Präventionsmedizin.                     Geborgenheit, Entspannung, bieten Rückzug. Wir nennen sie, wie sie sich anfühlen –
                                                                              nach lokalen Fluren oder Mooren: Fuchsbau, Bienerswiese, Doktorswiese, Schwarzes
                Granitfelsen im Kurpark: Krafttanken in Natur und Architektur  Moos. Im Erdgeschoss des neuen Kurhauses rieche und sehe ich das erdige Moor, fühle
                                                                              Holz und Stein. Das architektonische Konzept setzt sich im Inneren fort.
                Dieses Potenzial zu nutzen, war unsere Chance und Herausforderung. Die innere und die
                architektonische Erneuerung müssen Hand in Hand gehen: Krafttanken in Natur und  Innen: ein Gefühl wie im Freien
                Architektur lautete das Konzept. Unsere Aufgabe als Architekten bestand darin, etwas
                Unverwechselbares zu schaffen, das nur an diesem Ort, nur in Bad Alexandersbad ste-  Fuge und Stein, hell und dunkel, Weite und Geborgenheit. Ich erkunde das Kurbad im
                hen kann. Auf der Suche nach der richtigen Position des neuen Fußabdruckes haben wir  ersten Obergeschoss und entschwebe dem Alltag. Drei Schwimm- und Therapiebecken,
                den Ort analysiert, die städtebaulichen Linien weitergezogen und so den neuen Baustein  innen und außen – ein Gefühl wie im Freien. Man blickt am Tag in die grüne Landschaft
                wie eine barocke Intarsie präzise gesetzt, mit dem Alten verwoben. Das Entstandene fügt  des Fichtelgebirges und am Abend in den Sternenhimmel. Loslassen. Abtauchen. Den
                sich ganz selbstverständlich ein. Als wäre es schon immer da gewesen. Ein Dreiklang aus  Sorgen entkommen. Das Bad, keine große Halle, sondern Einblicke,  Ausblicke und
                Schloss, altem Kurhaus und neuem Kurhaus. Neue Plätze entstehen. Unsere architek-  Durchblicke, wie in einem Felsenlabyrinth. Verborgene, steinerne Höhlen. Räume, die
                tonische Antwort: Wir setzen ein Haus, das an einen wollsackverwitterten Granitfelsen  neugierig machen, einladen, sie zu entdecken. Sie stiften Beziehungen und erzeugen
                erinnert, in den Kurpark, verwachsen mit der Erde. Mehr eine Addition einzelner, stei -  Gefühle. Es gibt Enge und Weite. Die Blicke wandern und finden Halt. Trotzdem strahlt
                nerner Skulpturen als ein Haus, bildhauerisch gearbeitet. Die neue Schicht findet ihren  der Raum Ruhe aus, jede Linie ist an ihrem Platz, jede Höhe hat ihren Sinn. Der Raum
                Halt in der Vergangenheit, ist aber im Heute angekommen und für das Morgen gewapp-  spielt mit Farbe, Licht, Schatten und den Jahreszeiten. Zwischenräume. Natürliches, ech -
                net. Etwas wirklich Neues. Die Fassade des neuen Kurhauses nimmt dieses Bild auf, die  tes Licht. Gerahmte Blicke in die Landschaft, aus den Becken, von der Dachterrasse oder
                mineralisch funkelnde Tiefe. Der mit Granitsplittern versetzte, grobe Putz reflektiert die  den Ruheliegen. Freiraum. Dazwischen immer wieder Bereiche der Ruhe. Bühnen für die
                Sonne. Die gläsernen Fugen spiegeln den Himmel und symbolisieren das Wasser. Das  Therapeuten. Von der Weite zurück in die Geborgenheit, je nach Gefühl. Daneben die
                Innere lässt sich erahnen und tritt gläsern in den Dialog mit den Menschen und dem Ort  Möglichkeit, einzutauchen wie ins Erdreich: Sauna, Sanarium, Dampfbad. Darüber die
                – schafft Neugierde. Die gläserne Mitte verbindet das Alte mit dem Neuen und empfängt  untergehende Sonne, Symbol für Vitalität und Lebensfreude, ein magischer Raum. In den
                die Besucher. Es ist ein Ort dazwischen, zwischen den Häusern, zwischen den  Achsen Eisbrunnen und echtes, loderndes Feuer im Ruheraum.


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