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WOHNEN • LIVING
ALTBAUWOHNUNG MOMM
IN BERLIN-CHARLOTTENBURG
Entwurf • Design Studio LOES, Berlin
„Ja“ zu hohen, stuckverzierten Decken, zu zweiflügeligen Innentüren
und Fischgrätparkett, „Nein“ zu Tapeten, Nischen und verwinkelten
Ecken – bereits im Eingangsbereich erklärt sich der Entwurfsgedanke
von Studio Loes. Maßgefertigte Möbel klären die Raumstruktur und
die Aufteilung der folgenden sieben Zimmer. Sie mäßigen die Propor-
tionen der über 200 Quadratmeter großen Altbauwohnung.
von • by Stephan Faulhaber
E in guter Entwurf ist selbsterklärend. Im besten Fall wird das Konzept schon beim
Durchschreiten der Wohnungstür deutlich. Davon sind auch Gonzalo Lizama, Onur
Özdemir und Lukas Specks überzeugt, die den typisch verwinkelten Berliner Altbaugrund-
riss mit wandständigen und freistehenden Einbauten aus Edelholz oder Metall geradlinig
umgestaltet haben und in der Gründerzeitwohnung so „das Fragmentarische gezielt auf
harmonische und sinnvolle Weise auflösen“. Bauelemente aus dem Bestand, wie der Par-
kettboden oder im oberen Raumviertel die Rundbögen und Stuckleisten, sind wiederum
sichtbar belassen. Durch Letztere wird die hohe Decke zusätzlich betont. Drei Räume sind
an den Vorraum angeschlossen. Hinter der Doppeltür auf der linken Seite befindet sich
das Wohnzimmer mit Zugang zu dem Balkon, der vor der Südfassade auskragt. Geradeaus
liegt die Küche mit Essbereich und rechts der Hauswirtschaftsraum mit darauffolgender
Gästetoilette. Im Wohnzimmer dominiert ein imposantes Bücherregal aus Walnussholz,
der sogenannte „Berg aus Büchern“. Ratgeber zum Thema Bergsteigen gehören hier in die
unterste Reihe, denn ob der nach oben hin schmaler werdenden Regalböden ist das Möbel
tatsächlich begehbar – oder besser gesagt: erklimmbar. Um sicher und stilvoll den literari-
schen Gipfel erreichen zu können, sind sogar Griffleisten in die Regalbretter eingefräst. Die
spiegelblechverkleidete Kochinsel mit Edelstahlarbeitsplatte lässt die Küche reduzierter
wirken. Doch auch in diesem Raum setzt sich die Präsenz der Einbaumöbel fort – hier aus
hell lasiertem Eichenholz gefertigt. Es folgt ein 15 Meter langer Gang entlang der Brand-
wand, die zuvor von Möbeln verdeckt ist. Er führt vorbei an Gäste- und Arbeitszimmer
und mündet in das Ankleidezimmer. Geschwungene Formen markieren hier das Ende
des gestreckten Grundrisses – und sind Auftakt der formalen Wendung in den abgehen-
den Räumen: So liegt der zum Schlafzimmer hin halboffene Badraum erhoben auf einem
Podest, mit einem dreiseitig nutzbaren Element aus türkischem Marmor. Das Hybrid bietet
Waschtisch, Dusche und Toilette. In dem anschließenden ehemaligen Dienstbotenaufgang
befindet sich ein runder Saunaraum, mit Sitzbänken, die sich in die Höhe wendeln.
076 • AIT 7/8.2024