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Foto: Eric Sol
Folgt man dem Gedanken, dass die Innenarchitektur ihren Ursprung in den prähistorischen Höhlenmalereien ...
„Innenarchitektur ist eine ganz eigene
Disziplin. Eine Theorie dieser Disziplin
ist das Fundament für den Berufsstand,
die Forschung und die Ausbildung.“
Dr. Carola Ebert, BAU International
Foto: Luc Boegly & Sergio Grazia
als etwa in der Architek turaus bil dung führen die Fächer Theorie und Geschichte an den
meisten Innen architektur-Fa kul täten hierzulande nicht mehr als ein Nischendasein. Eige -
ne Lehr stühle gibt es dafür kaum; die entspre chende Professur von Dr. Carola Ebert ist
mehr Ausnahme als Regel. Dass das nicht so bleiben muss und eigentlich auch nicht so
bleiben darf, dafür stand das Frage zeichen am Ende des Kon fe renztitels. Denn letzt lich ... hatte, dann wäre das neue Museum in Montignac auch ein Museum der Innenarchitektur.
sind die Theorie bildung und das Wis sen um die eigene Ge schichte unverzicht ba r, um das
„Profil des Berufsstandes der Innenarchitekten – ge ra de auch in Ergän zung oder Ab -
grenzung zu anderen Fach richtungen – zu stärken“, so Ebert in einem Interview mit dem schließenden Dis kus sionen je weils 15 Minuten zur Verfügung standen. Oft hätte man sich
bdia im Vorfeld der Veranstaltung. als Zuhörer eine mindestens umge kehrte Ge wichtung gewünscht, zumal sich die Diskus -
sionen im Lau fe der zwei Tage zu wie der holen schienen und vorrangig um die Frage kreis-
Theorie und Geschichte stärken das Profil des Berufstands ten, wie sich die Innen ar chitektur am besten von der Archi tektur abgrenzen ließe.
„Insbesondere für die Ausbildung“, so Ebert weiter, seien „der histo ri sche Kanon und die Die Geburt der Innenarchitektur in der Höhlenmalerei
theoretischen Rah men bedingungen von besonderer Be deu tung“ (siehe AIT 4/2018, S.
165). Ent sprechend war dann auch die Berliner Konferenz vor allem als Austausch zwi - Dass diese Abgrenzung gewollt und für das Selbst verständnis der Disziplin aktuell von
schen Forschenden und Lehrenden konzi piert, richtete sich aber auch an prakti zie rende zentraler Bedeutung ist, machten die einleitenden Vorträge des ersten Ver an stal tungs tages
Innen architekten und deren berufsständi sche Organisationen. Zum Austausch hatte Ebert mehr als deutlich. Die eingangs zitierte Frage nach dem Entstehungs zusammen hang von
mehr als 30 Referenten aus mehr als einem Dut zend Länder eingeladen. Dass da runter Henne und Ei be ziehungsweise von Archi tektur und In nen architektur hatte hier ihren
nicht nur, wie so häufig, europäische und anglo-amerikanische Stim men ver treten waren, Ursprung. Gleich mehrere Referenten verwiesen dazu auf das Beispiel prähistorischer
sondern der Anspruch auf einen wirklich internationalen Kon gress mit Teil nehmern aus Höh len male reien, die kurzerhand als Zeugen eines ersten innenarchitektoni-schen Gestal -
allen fünf Kontinenten umgesetzt wurde, darf als ein großer Ver dienst gelten. Tatsächlich tungs willens gedeu tet wurden. In diesem Sinne ginge dann die Ent stehung der In nen -
bo ten dann auch die Beiträge aus dem Iran, aus Saudi-Arabien, Indo nesien, Neu see land, archi tek tur tatsächlich der Entwicklung der Architektur zeitlich vor aus und wäre von
Brasilien und Südafrika die vielleicht spannendsten und nachhaltigsten Ein drücke, auch dieser unabhängig, da die Höhle keine Architektur im engeren Sin ne darstellt. Für die
weil die dortigen Aus bildungs- und Be rufs modelle hierzulande kaum jemals thematisiert ersten Schritte auf dem Weg zu einer eigenen Theorie- und Geschichtsschreibung der
werden. So bestimmten Vorträge über die Rolle der Frau in der In nen architektur Saudi- Innen architektur mag diese Hilfskon st ruk tion brauchbar sein. Auf Dauer sollten Archi -
Arabiens oder über die Bedeu tung von In nen archi tekten bei der Sanierung und Umnut - tektur und Innenarchitektur aller dings nicht auf Ab gren zung, sondern auf sich ergänzende
zung historischer Bauten im Iran, um nur zwei prägnante Bei spiele zu nennen, das Pro - Erzählungen setzen, denn letztlich sind beide Fachrichtungen ebenso wenig voneinander
gramm des zweiten Kon fe renztages. Die Vor träge mach ten deutlich, wie vielfältig die Zu - zu trennen wie Henne und Ei. Voraussetzung dafür ist, dass sich beide Fachrichtungen auf
gänge zu Theorie und Ge schichte der In nen architektur sein können, wenn man bereit ist, Augenhöhe begegnen. Mit der Berliner Tagung wurde dazu auf Seiten der Innen -
über den eigenen Tel ler rand hinauszuschauen. Ein Manko der Ver anstaltung war es, dass architektur ein guter und wichtiger Grundstein gelegt. Bleibt die Hoff nung, dass bei zukün-
die Organisatoren die Vortragenden in ein allzu knappes Zeit kor sett zwangen, indem die ftigen Veranstaltungen dieser Art weniger Stühle frei bleiben und sich mehr Vertreter aus
länderspezifi schen Vorträge auf zehn Minuten be grenzt waren, wäh rend für die sich an - der hiesigen Lehre und Forschung der Diskussion stellen.
AIT 7/8.2018 • 133