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BAR HOTEL RESTAURANT THEORIE • THEORY
Grafik: Veronica Rusca, gosplan architects, IT-Genua
Reisen inspiriert: Warum zu Hause nicht Gestaltungsideen umsetzen, die man im Urlaub entdeckt hat? • Travelling inspires: Why not implement at home the design ideas one has discovered on holiday?
HOTELIFICATION
WIE HOTEL-INTERIEURS IN STIL UND KOMFORT DAS PRIVATE WOHNEN BEEINFLUSSEN
von • by Dr. Oliver Herwig
Sind Hotels der neue Maßstab der Innenarchitektur? Der Münch- chon seltsam. Da ist man eingeladen bei Freunden (oder doch eher Bekannten)
ner Journalist Dr. Oliver Herwig sagt: ja! Denn die Design-, Kom- S und es fühlt sich an wie in einem Hotel. Einem richtig guten sogar mit Bellboy und
fort- und Serviceerfahrungen, die wir Vielreisenden in Hotels ma- einer Rezeption, an der sich gleich drei freundliche Mitarbeiter auf Englisch erkundi-
chen, beflügeln die Gestaltung der eigenen vier Wände. Positive, gen, ob auch alles in Ordnung sei. Jedenfalls liegt da so ein Hauch von Urlaub in der
auf Urlaubs- und Geschäftsreisen erlebte Stimmungen lassen sich Luft, während man durch das Appartement geführt wird: die Wände beige, die Tische
so anhaltend im Alltag konservieren und genießen. Und auch der cremefarben und die Sofastoffe in Naturtönen. Auf dem Tisch ein Bildband zu Angkor
Markt der „Serviced Apartments“ verheißt im Zeitalter der Wat oder Athos, sparsam gesetzte Akzente wie mokkafarbene Vasen mit je einer gro-
Arbeitsnomaden ein enormes Wachstumspotenzial. ßen Blüte, sonst wenig Persönliches. Ein Raum für gewisse Stunden, kein klassisches
Heim. Etwas zu aufgeräumt, einen Tick zu kühl und ubiquitär. Alles hat seinen Platz,
Are hotels the new standards of interior design? The Munich und kein Stück scheint zu viel. Das kann natürlich das Werk langen Nachdenkens sein
journalist Dr Oliver Herwig says yes! This is because the experi- oder einer guten Innenarchitektin, aber nach einer Weile fühlt es sich an, als könnten
ences we gain in hotels as frequent travellers as to design, com- wir zu einem Drink tatsächlich raustreten auf eine Dachterrasse mit Blick über Rom
fort and service inspire the design of our own four walls. Posi- oder Macao. Das ist kein Einzelfall. In den letzten Jahren lässt sich eine schleichende
tive moods we experienced during holiday- and business trips Hotelification unseres Lebens beobachten (und erfühlen). All das, was wir zwischen
can thus be sustainably conserved and enjoyed in everyday life. Rio, Rom und Rimini lieb gewonnen haben, holen wir Stück für Stück in die eigenen
And the innovative “serviced apartments” also promise enor- vier Wände, das sind Dinge, vor allem aber Stimmungen. So unterschiedlich diese
mous growth potential in the age of the working nomads. Home-Hotels im einzelnen auch ausfallen, drei Charakteristika kehren immer wieder:
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