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ÖFFENTLICHE BAUTEN • PUBLIC BUILDINGS
MONTESSORI-SCHULE
IN PATERNA
Entwurf • Design Gradolí & Sanz Arquitectes, ES-Valencia
Gradolí & Sanz schufen mit der Montessori-Schule in Paterna, in der
Provinz Valencia, einen Organismus, dessen Architektur dem freien,
selbstbestimmten Lernen der Montessori-Pädagogik Form, Atmo-
sphäre und Ausdruck verleiht. Die lichtdurchflutete und naturverbun-
dene Schule steht auf einem Areal für öffentliche Gebäude zwischen
Wohnhäusern und einem Wäldchen mit Schlucht.
von • by Annette Weckesser
I dyllischer und entspannter kann das allmorgendliche Ankommen in der Schule
kaum sein: Die Schüler der Montessori-Schule in Paterna gelangen über ein Kiefern-
wäldchen und Holzbrücken, welche eine Schlucht überwinden, in ihre Schule. Eltern
können zum Bringen und Abholen der Kinder im Grünen verweilen. Wie ein gewach-
sener Organismus wirkt diese Schule. Nackte Ziegelsteine und Nadelholz prägen Ar-
chitektur und Atmosphäre. Roh- und Ausbau sind identisch; Bauweisen, Fügungen und
die Struktur der Materialien, all ihre Unregelmäßigkeiten, sind deutlich ablesbar. Das
Gebäude sei das erste didaktische Material der Schule, sagen die Architekten. Der öko-
logische Fußabdruck soll, so gut es geht, begrenzt werden. Der S-förmige Grundriss ge-
neriert zwei Plätze, den Eingangsplatz im Westen und den Spielplatz im Osten. Zehn
auf zwei Geschossen angeordnete Klassenräume öffnen sich fächerförmig zur Schlucht
und zum Wäldchen – die Natur ist allgegenwärtig. Unten besitzen die Räume gemau-
erte Gewölbedecken, oben Holzdecken. Jeder Klassenbereich gliedert sich in fünf
Zonen für Lernangebote, die auf der Pädagogik der italienischen Ärztin, Pädagogin und
Philosophin Maria Montessori (1870–1952) beruhen. Gemäß deren Credo: „Hilf mir, es
selbst zu tun!“ werden die Kinder zu Sinneserfahrungen, praktischen Übungen, Spra-
chen, Mathematik und Kultur angeregt. Jedes Klassenzimmer ergänzt eine überdachte
Terrasse, im Erdgeschoss auch ein Sitzbereich. Die großzügigen Vorbereiche der Klas-
senräume – alles andere als Flure – dienen mit ihren Winkeln, Ecken, Nischen, Trep-
pen, Lufträumen sowie Balkonen als Treffpunkt, Spiel- und Lernbereich. Überall finden
sich Zonen, die auf die Größe und Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sind: Fenster
auf Bodenhöhe, Nischen unter den Treppen ... Rankgitter schaffen eine zweite grüne
Ebene vor der Fassade; die Dächer sind bepflanzt. Die Spiel- und Gartenflächen sind
als Fortsetzung der wilden Landschaft als Naturräume konzipiert. Es gibt vieles zu ent-
decken: Wurzeln, Stämme, Äste, Blätter, Wildpilze ... und die Topografie wird zur Bil-
dung von Rampen, Rutschen, Treppen, Kletterwänden und Höhlen genutzt.
088 • AIT 5.2022