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ÖFFENTLICHE BAUTEN • PUBLIC BUILDINGS
SCHULHAUS EKKHARTHOF
IN LENGWIL
Entwurf • Design Lukas Imhof Architektur, CH-Zürich
Lukas Imhof gilt als Vertreter der Altneuen Architektur, wie sie sein
Lehrer, Freund und Mentor Miroslav Šik mit seiner Lehre an der ETH
Zürich prägte. Hinter dem Begriff versteckt sich die Idee einer Archi-
tektur, die das Alte und das Neue nicht als antagonistische Kräfte
begreift, sondern ihre Synthese sucht. Wie das gelingen kann, de-
monstrierte Imhof jüngst mit der Erweiterung eines Schulhauses.
von • by Dr. Uwe Bresan
D er Ekkharthof in der Schweizer Bodensee-Gemeinde Lengwil ist eine anthroposo-
phisch geführte Heil- und Bildungsstätte für rund 200 Kinder, Jugendliche und Er-
wachsene mit geistiger Behinderung. Die Anlage entstand in den 1970er-Jahren nach Plä-
nen des Architekten Rex Raab (1914–2004), der als führender Vertreter der anthroposo-
phischen Architektur im deutschen Sprachraum gilt. Der in Großbritannien geborene
Raab absolvierte nach seinem Architekturstudium in London in den späten 1930er-Jahren
eine Werklehrer-Ausbildung am Goetheanum in Dornach und wirkte für mehrere Jahre
als Lehrer an der von Rudolf Steiner gegründeten, ersten Waldorfschule in Stuttgart,
bevor er sich 1954 im Remstal als Architekt selbstständig machte. In der Folge realisierte
er zahlreiche, wegweisende anthroposophische Einrichtungen in Deutschland und der
Schweiz. Für Lengwil schuf Raab ein introvertiertes, um einen ovalen Hof gruppiertes En-
semble. Es umfasst einen zentralen Verwaltungsbau mit angeschlossenem Festsaal, ein
Schulhaus, Wohnheimbauten sowie verschiedene Werkstattgebäude. Im Rahmen der
jüngsten, vom Züricher Architekten Lukas Imhof betreuten Sanierungs- und Erweiterungs-
arbeiten am Ekkharthof wurde auch das Schulhaus grundlegend überarbeitet und um
eine Sporthalle sowie zusätzliche Verwaltungs- und Sitzungsräume erweitert. Dafür füg-
ten Imhof und sein Team dem von Raab geplanten, zweiflügeligen Schulbau einen dritten
Gebäudearm hinzu. Er nimmt die Sporthalle auf, während unter dem neuen gemeinsa-
men Dach des Hauses die geforderten Raumzuwächse entstanden. An der Schnittstelle
von Alt- und Neubau realisierten die Architekten wiederum ein neues, identitätsstiften-
des Foyer. Die Wände des über einem Fünfeck errichteten, dreigeschossigen Raumes sind
mit farbigem Stucco Veneziano verputzt. Das Farbspektrum reicht dabei von erdigen Rot-
tönen im unteren bis zu kalten Himmelblautönen im oberen Bereich. Dazu kommt ein
intensives Zenitallicht, das den expressionistischen Charakter des Raumes und seiner
Farbgebung noch verstärkt. Ohne sich der Sprache des Bestands unterzuordnen, verban-
den die Architekten Alt und Neu zu einem selbstverständlich wirkenden Ganzen.
076 • AIT 5.2020