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Silke Schorr Entwurf • Design pulsmacher GmbH, Ludwigsburg
Bauherr • Client pulsmacher GmbH, Ludwigsburg
Standort • Location Kammererstraße 18, Ludwigsburg
2007 Diplom in Architektur, Universität Stuttgart 2007–2014 freie Mit - Nutzfläche • Floor space neo.Office: 1.100 m 2
arbeiterin in mehreren Büros mit Schwerpunkt Interior, Exhibition, Kom- Fotos • Photos Daniel Stauch, Stuttgart
munikation im Raum seit 2014 bei pulsmacher GmbH, Ludwigsburg Mehr Infos auf Seite • More infos on page 166
Foto: pulsmacher GmbH
Die experimentelle Möblierung im Pop-up-Office ... • Experimental furnishing in the pop-up office ... ... beeinflusste die neue Gestaltung des neo.Offices. • ... influenced the new design of the neo.Office.
Marmor, Chrom und Glas sowie eine mehr oder weniger zeitgemäße Architektur – ge- war die Bereitschaft aller, sich auf flexibles Arbeiten einzulassen. Nur die Kreation
prägt von kleinen Büros, in denen klassisch gearbeitet wurde, Meetingräumen hinter hatte feste Arbeitsplätze, während alle anderen Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet
dicken Wänden und Empfangsbereichen mit repräsentativer Ausstattung. Stärker wurden und so spontan aus vielen Möglichkeiten jene Arbeitssituation wählen konn-
konnten die Kontraste nicht sein. So zogen wir innerhalb von drei Monaten um, in- ten, die für die anstehenden Aufgaben am besten geeignet war. Persönliche Arbeits-
stallierten unser Pop-up-Office und wagten den Neuanfang: Wir wollten Werkstatt-At- unterlagen wurden am Ende des Tages mitsamt Rechner in Fächern verstaut, um den
mosphäre erleben – mit Start-up-Spirit und dem weißen Blatt Papier, das in unserem Kollegen am nächsten Morgen wieder einen leeren Schreibtisch zu ermöglichen.
Fall die Eingangshalle eines seit drei Jahren leer stehenden Gebäudes bietet. WLAN mit Zugriff auf den Server, eine PC-gebundene Telefonanlage sowie mobile
Workstations und Medienwagen bildeten den dafür notwendigen technischen Unter-
Im Pop-up-Office ging es nicht nur um Räume bau. Freies und flexibles Arbeiten drückte sich zudem auch in der Gestaltung der
Räumlichkeiten aus. Da nicht alle Möbel aus dem alten Büro unserer zukünftigen Ar-
Zusätzlich galt es Ballast abzuwerfen – sowohl materiell aus 19 Jahren Agenturleben beitsweise gerecht werden konnten und die Anschaffung neuer Einrichtungsgegen-
als auch Gewohnheiten und Abläufe, die sich im Arbeitsalltag eingeschlichen hatten, stände teuer und nicht nachhaltig gewesen wäre, arbeiteten wir an einer modularen
um so Arbeit ganz neu zu denken! Dementsprechend belegten wir die bestehenden Lösung und fanden diese in Kunststoffkisten, die in der Lebensmittelindustrie zum
Räumlichkeiten so, wie wir sie brauchten: Aus dem weitläufigen Foyer wurde unser Transport verwendet werden. In drei Größen ließen sich jene nicht nur einfach hand-
Hauptarbeitsbereich, aus dem Konferenzraum eine Multifunktionszone für Meetings, haben, sondern perfekt mit vorhandenen Schränken, Regalen sowie Tischen kombi-
Vorträge und Partys und aus dem Erste-Hilfe-Raum ein „Nappingroom“ für die Mit- nieren und so eine Vielzahl unterschiedlicher Möbel und Rauminstallationen schaf-
tagspause. Ein Besprechungsraum wurde zum Bällebad und aus der Garderobe ein fen: leicht auf- und abbaubar, geschickt miteinander kombinierbar, mobil und vor
Atelier für den Künstler Robin T Treier. Dabei bildeten gerade die verschiedenen Qua- allem wiederverwendbar. Mit vereinten Kräften wurden auf diese Weise Regale, Side-
litäten, Größen und Arten der Räumlichkeiten die zentralen Elemente des Pop-up-Of- boards, Schränke, Trennwände, Tribünen, Medienwägen, eine Bar so wie diverse Sitz-
fice. So wurden im Workspace sämtliche Arbeitsplätze, selbst die der Geschäftsfüh- gelegenheiten gebaut, die jederzeit verändert und angepasst werden konnten.
rer, zu einer gemeinsamen Arbeitslandschaft angeordnet, was eine direkte Kommu-
nikation ermöglichte und ein neues Teamgefühl schuf. Geschlossene Räume standen Flexibilität, Modularität und Offenheit als Basis für das neo.Office
für Besprechungen, Telefonkonferenzen und Kundentermine zur Verfügung, während
stille Ecken für konzentriertes Arbeiten und längere Telefonate genutzt werden konn- Überall war kreative Energie zu spüren – nicht zuletzt, weil wir auch mit Künstlern
ten. Offene Bereiche dienten wiederum dem Austausch, gemeinsamen Brainstor- zusammenarbeiten konnten, die einige der Räume individuell gestalteten: Der New
mings und Projektübersichten. Kurzum: Wir hatten genug Raum für alle Experimente Yorker Street-Art-Künstler AVone setzte etwa die Stützen im Workspace in Szene, wäh-
und flexible Lösungen, die wir uns gewünscht hatten: kompakte Arbeitsbereiche, ru- rend Robin T Treier mit 80 Quadratmetern Papier einen Kreativraum zur Brainstor-
hige Rückzugsräume, offene Kreativ- und Gemeinschaftszonen und nicht zuletzt viel- ming-Höhle wandelte. Es entstand ein inspirierender Ort, an dem das Spannungsfeld
fältige Möglichkeiten für Probeaufbauten, Ausstellungen, Events und spontane Aktio- zwischen konzentrierter Arbeit und regem Austausch überall spürbar war. Nach knapp
nen. Um am Ende unseres Selbstversuchs jedoch genau zu wissen, wie „pulswork“ eineinhalb Jahren näherte sich das Experiment schließlich dem Ende. In dieser Zeit
am besten funktioniert, probierten wir darüber hinaus verschiedene Konstellationen haben wir nicht nur viel ausprobiert, sondern viele neue Erkenntnisse gewonnen – Er-
und Nutzungen aus und änderten alle drei Monate Teile des Set-ups. Grundlage dafür kenntnisse, die nun in die Planung und Umsetzung unseres neuen Büros einfließen
AIT 4.2019 • 137