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Armin Schäfer                            Stephan Weber                            Stefan Loebner


                1965 in Wiesbaden geboren 1985–1994 Architekturstudium an der TU Darm -  1959 in Köln geboren 1979–1988 Architekturstudium an der TU Karls ru he  1966 in Erlangen geboren 1987–1992 Architekturstudium an der FH Karls -
                stadt 1994–1995 Mitarbeit Hübner+Erhard+Partner in Heidel  berg 1995 Grün -  1988–1995 Mitarbeit Hübner+Erhard+Partner in Heidel  berg  1995 Grün -  ruhe 1992–1995 Mitarbeit Hübner+Erhard+Partner in Heidel  berg 1995 Grün -
                dung Architekten Ag in Heidelberg seit 2000 AAg Loebner Schäfer Weber  dung Architekten Ag in Heidelberg seit 2000 AAg Loebner Schäfer Weber  dung Architekten Ag in Heidelberg seit 2000 AAg Loebner Schäfer Weber




































                Stählerne Treppen und Stege als neue Erschließungswege entsprechen dem rauen Charme der historischen Beton kon struktion. • Steel stairs and bridges as new access routes correspond to the rough charm of the concrete construction.


                ein Fassungs vermögen  von 333 Kubikmetern bei 27 Meter  Wasserspiegelhöhe. Seine  eine zentral angeordnete Stahlwendeltreppe. Ein Kamin lässt den Tank zu einer atmo-
                Wände bestanden aus 30 Zentimeter dickem Beton. Die Räume der Seitenflügel dienten  sphärischen Lounge werden. Ein Aufzug gewährleistet die barrierefreie Er schließung. In
                als Werk stätten sowie Arbeits- und Aufenthaltsräume. Daneben standen Räume für eine  den darunterliegenden Turmgeschossen entwickelt sich die Stahl treppe zu  einer  Art
                Gleichrich teranlage zum Laden der Batterien für die elektrische Zugbeleuchtung und für  Raumplastik, die die verschiedenen Niveaus verbindet und sich in ihrer industriellen
                einen Gas- sowie einen Luftkompressor zur Verfügung. Im Kellergeschoss befand sich  Materialität dem Charme der offen gezeigten Beton kon struktion anpasst. Auf der Höhe
                eine Transforma to renstation. Seit den Nachkriegsjahren nutzte die Bahn die Räume vor  der einstmals vorhandenen Turmuhren bildet die Treppenplastik einen Steg aus, der
                allem als Aus bildungs- und Lehrwerkstätten für Schlosser und Starkstromelektriker. Bis  den hier gelegenen doppelgeschossigen Raum, die sogenannte Kathe drale, in allen Di -
                in die 1970er-Jahre hinein war der Hoch behälter des Wasserturmes  in Betrieb. Mit dem  men sionen nutzbar und in seiner Höhe erlebbar macht.
                Ende der Dampftraktion verlor das Bauwerk jedoch seine ursprüngliche Funktion. Als in
                den 1980er-Jahren auch die Werkstätten in andere Gebäude des Betriebswerkes umzo-  Im Spannungsfeld von Tradition und Innovation
                gen, wurde der Turm endgültig stillgelegt und 1989 unter Denkmalschutz gestellt.
                                                                              In den Bürobereichen im Ostflügel sind alle Geschosse durch Lufträume verbunden, wobei
                Ein Zusammenspiel von Kunst und Architektur                   das Dachgeschoss wie ein Floß auf den alten Holzbalken aufliegt. In den Seminarräumen
                                                                              im Westen wurde auf diese vertikale Öffnung verzichtet. Glaswände und leichte Vorhänge
                Nachdem  wir den  Turm 2014  von der Bahnstadtgesellschaft EGH erworben hatten,  erzeugen jedoch eine hohe horizontale Durchlässigkeit. Die Möblierung in den Bürobe -
                wurde das Gebäude von November 2014 bis November 2015 saniert und umgebaut. Im  reichen ist klar und reduziert ausgebildet. Ein weißes Hängeregal aus gekanteten Stahl -
                Ostflügel befinden sich heute unsere Büroräume, während im westlichen Gebäudeflügel  blechen dient als Stauraum und Raumteiler. Es ist deutlich als neu eingebrachtes Element
                der Heidel berger Verein für zeitgenössische Musik „KlangForum“ als Mieter seine Ge -  gegenüber der bestehenden Hülle ablesbar. Neue, von innen eingesetzte Kasten fenster
                schäftsstelle sowie Probe räume eingerichtet hat. Unter dem Namen Tankturm stehen  geben wiederum den Blick auf die historischen Fenster und Leibungen frei. Nach außen
                die Räumlichkeiten auch für kulturelle Veranstaltungen, Tagungen und Events zur Ver -  stellen sich die Eingriffe lediglich durch in den Turm eingeschobene Fluchtbalkone und ein
                fügung. Zudem finden zeitgenössische Ausdrucksformen der bildenden Künste, der Lite -  großes Schaufenster zum Veranstaltungssaal im Erdgeschoss dar. So transferiert der zeit-
                ra tur, der Musik, des Theaters und des Tanzes sowie ihre Cross-over-Formate im Tank -  genössische Umgang mit der herben Ziegelästhetik das Industriedenkmal ins 21. Jahr -
                turm eine Plattform und Bühne. Sensible Eingriffe bestimmten den denkmalgerechten  hundert und rückt es als authentischen Kulturort in den Fokus der Öffentlichkeit. Mit dem
                Umgang mit dem Gebäude. Die markante Figur und das Sichtmauerwerk der Außen -  Tankturm wurde ein offener Raum geschaffen, in dem sich Kultur und Wirtschaft auf einer
                hülle blieben unberührt, ebenso der bestehende Werksteinsockel sowie die Fenster -  gemeinsamen Basis treffen sollen. Die Stringenz, mit der die historische Architektur um
                bänke. Auch die Dachkonstruktion wurde als Sicht konstruktion erhalten und erhielt  neue Elemente ergänzt und bereichert wurde, soll dabei eine Strahlkraft entfalten, die sich
                eine Aufsparrendämmung sowie eine neue, denkmalgerechte Eindeckung. Am Gesims  im täglichen Gebrauch auf das Bewusstsein überträgt und Raum für neue Synergien öffnet.
                wurde wiederum mit einer Zwischensparrendämmung gearbeitet. An der Schnittstelle  Das Projekt ist grundlegend darauf angelegt, Menschen zusam menzubringen und den per-
                beider Konstruktionen ergab sich dadurch ein schmales, durchgehendes Fensterband  sönlichen Kontakt und kooperativen Austausch anzuregen. Das Spannungsfeld soll sich
                zur Belichtung des Dachgeschosses. Als strukturbildendes, historisches Zeugnis blieb  dabei aus der konzeptionellen Grundlage der Verknüpfung von Architektur mit Kunst und
                natürlich auch der Wassertank erhalten. Um den Innenraum zu belichten und räumlich  Musik entwickeln. Der  Tankturm ist ein idealer Kristallisationsort für  verschiedene
                zu vergrößern, wurde der Tank teilweise aufgesägt. Der Zugang erfolgt von unten über  Gattungen und Macher, der Altes und Neues, Tradition und Innovation verbindet.



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